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VertragsarztrechtNicht jede Auskunft einer Kassenärztlichen Vereinigung ist vertrauenswürdig

Abo-Inhalt23.02.20223126 Min. LesedauerVon RA, FA MedizinR Torsten Münnch, D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin

| Wer als Vertragsarzt seine erbrachten Leistungen korrekt abrechnen möchte, muss eine Vielzahl von Bestimmungen beachten, deren verschachteltes Ineinandergreifen kaum noch zu durchdringen ist. Was liegt also näher, als „seine“ Kassenärztlichen Vereinigung (KV) um Rat und Hilfe zu fragen. Dass die dabei gegebenen mündlichen Auskünfte nicht ohne Weiteres zur Rechtssicherheit führen, wurde an dieser Stelle bereits erörtert (AAA 03/2021, Seite 14). Das Bundesozialgericht (BSG) hat erneut auf die nur begrenzte Belastbarkeit von Auskünften der KV hingewiesen, doch dabei gibt es Unterschiede, die zu kennen sich lohnt (Urteil vom 27.01.2022, Az. B 6 KA 8/21 Z). |

Sachverhalt und Entscheidung

In dem jetzt entschiedenen Fall stritten sich ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) und die zuständige KV über die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Zuschlagsposition des EBM bei ambulanten Operationen abgerechnet werden darf. Das MVZ berief sich auf einen Text aus einem KV-Informationsschreiben, das einige Zeit nach Ablauf des streitbefangenen Abrechnungsquartals von der KV herausgegeben worden war und das – jedenfalls nach Auffassung des MVZ – dessen Abrechnungspraxis stützte.

KV-Rundschreiben kam erst nach Leistungserbringung

Das BSG hat die Frage, ob das Informationsschreiben der KV tatsächlich im Sinne des MVZ zu interpretieren sei, offengelassen, weil es darauf nicht ankam. Denn Rund- oder Informationsschreiben einer KV, die zeitlich erst nach Erbringung der Leistungen veröffentlicht werden, hätten schon wegen dieser zeitlichen Abfolge keine Bedeutung für den Streit. Die grundsätzliche Befugnis einer KV, die Abrechnung eines Leistungserbringers zu prüfen und ggf. zu korrigieren, entfiele nur dann, wenn der Leistungserbringer im Moment der Leistungserbringung bzw. der Abgabe der Abrechnung auf die Richtigkeit seiner Abrechnung vertrauen durfte. Eine Aussage einer KV, die noch gar nicht in der Welt ist, könne jedoch kein Vertrauen erzeugen.

Wenig Verlass auf KV-Infos, wenn es um EBM-Auslegung geht

Das BSG bestätigt damit seine bisherige recht strenge Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen den KVen eine Abrechnungsprüfung bzw. -korrektur verwehrt ist. Jedenfalls bei Fragen der Auslegung des EBM kommen nur Situationen in Betracht, in denen die KV eine konkrete Interpretation eines Leistungsempfängers vorbehaltlos als richtig bestätigt hat.

Merke | Es zählen also nur KV-Auskünfte, die im Hinblick auf eine konkrete Interpretation eines Leistungserbringers vorbehaltlos als richtig bestätigt werden.

Hingegen sind Abrechnungsempfehlungen im KV-Mitteilungsblatt oder in Rundschreiben nicht ausreichend. Diese Ansicht des BSG versteht sich nicht von selbst. Immerhin hat das Gericht selbst die KV als Interessenvertretung der Vertragsärzte bezeichnet (Urteil vom 24.09.2003, Az. B 6 KA 51/02 R, ähnlich im Urteil vom 30.11.2016, Az. B 6 KA 38/15 R).

EBM-Auslegungen sind Sache von KBV und GKV

Wie kann es dann also sein, dass ein Vertragsarzt sich nicht auf die Auskünfte im KV-Mitteilungsblatt oder in Rundschreiben seiner Interessenvertretung berufen kann? Das BSG meint, der KV fehle im Bereich des EBM die Befugnis zur verbindlichen Klärung von Auslegungsfragen. Denn der EBM werde – nicht von der einzelnen KV, sondern – „im Zusammenwirken“ von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen festgelegt. Die Befugnis, den EBM verbindlich zu interpretieren, stünde deshalb nur diesen selbst zu, nicht einer einzelnen KV. Vertragsärzte müssten damit rechnen, dass einzelne Krankenkassen den in einseitigen Abrechnungshinweisen oder einer entsprechenden Abrechnungspraxis zum Ausdruck gekommenen Standpunkt der KV nicht teilen und ihren Anspruch auf Richtigstellung von aus ihrer Sicht fehlerhaften Honorarabrechnungen ggf. auch mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen (so im Urteil des BSG vom 08.02.2006, Az. B 6 KA 12/05 R).

HVM-Auslegungen zur MGV sind hingegen Sache der KVen

Anders kann es übrigens bei der Interpretation der Vorschriften des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) liegen. Der HVM wird von der KV selbst – genauer gesagt: von der Vertreterversammlung – festgelegt. Damit liegt die Berechtigung zur Interpretation des HVM ebenfalls bei der KV. Eine KV, die ihren eigenen HVM interpretiert und entsprechende Hinweise zu seiner Handhabung gibt, verstößt gegen den – zwar aus dem bürgerlichen Recht stammenden, gleichwohl allgemein geltenden – Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sie den HVM im Nachhinein anders anwendet. Das SG Marburg hat in einem Urteil vom 30.01.2013 (Az. 12 KA 386/11) prägnant formuliert, von einem Vertragsarzt könne nicht mehr verlangt werden, als dass er sich bei Abrechnungsproblemen an die KV wendet. Vergisst es die KV dabei, den Vertragsarzt auf eine in den eigenen Abrechnungsrichtlinien enthaltene Abrechnungsfrist hinzuweisen, könne sie sich später nicht auf deren Ablauf berufen.

Gleichwohl ist auch bei der Auslegung des HVMs die diesbezügliche Interpretationsmacht der KV nicht grenzenlos. Eine originär eigene Gestaltungs- und damit Interpretationsmacht besitzt die KV nur für diejenigen Teile des HVMs, die die Verteilung der – budgetierten – morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) regeln. Diejenigen Leistungen, die die Krankenkassen extrabudgetär zum vollen regionalen Punktwert zu bezahlen haben, kann die KV in ihrem HVM nicht einseitig bestimmen, sondern ist insoweit auf die mit den Krankenkassen im Honorarvertrag vereinbarten Leistungen beschränkt. Auf Auskünfte einer KV, die Leistungen als extrabudgetär bezeichnen, ohne dass dies im Honorarvertrag so vereinbart ist, kann sich der Vertragsarzt deshalb ebenfalls nicht berufen.

AUSGABE: AAA 3/2022, S. 13 · ID: 47999508

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