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UnternehmensnachfolgeVertragsanpassung und Änderungskündigung nach dem Betriebsübergang, Teil 1
| Der Betriebsübergang ist für ArbG und ArbN eine herausfordernde rechtliche Situation. Bei einem solchen Übergang gehen sämtliche Arbeitsverträge kraft Gesetzes auf den neuen Inhaber über. Dies wirft eine Vielzahl von Rechtsfragen auf. Insbesondere die Abweichungen in den Arbeitsbedingungen zwischen dem Veräußerer- und dem Erwerberbetrieb können zu Konflikten führen. In zwei Teilen stellt der Beitrag die Chancen und Risiken für den Erwerber dar. |
1. Die rechtliche Situation
Bei einem Betriebsübergang geht ein Betrieb ganz oder teilweise auf einen neuen Inhaber über. Dazu reicht es aus, dass eine „wirtschaftliche Einheit“ im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen übergeht. Dies können materielle Betriebsmittel wie Maschinen und sonstige Arbeitsmittel oder immaterielle Betriebsmittel wie Kundenkontakte oder auch die Belegschaft als solche sein. Die Arbeitsverträge der ArbN mit dem Veräußerer als ursprünglichem ArbG gehen kraft Gesetzes auf den Erwerber als neuen ArbG über. Der Erwerber tritt damit in die Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB). Dies bedeutet, dass der Erwerber als neuer Betriebsinhaber den ArbN die gleichen Arbeitsbedingungen gewähren muss, wie der Veräußerer als ursprünglicher ArbG. Diese Rechtsfolgen können Erwerber und Veräußerer auch nicht – etwa im Unternehmenskaufvertrag – wirksam ausschließen.
2. Das Problem des Erwerbers als neuer ArbG
Genau dies stellt den Erwerber oft vor Probleme. In den meisten Fällen unterscheiden sich die Arbeitsbedingungen im Veräußerer- von denen im Erwerberbetrieb. Der Betriebserwerber hat in der Regel ein Interesse daran, einheitliche Arbeitsbedingungen im gesamten Unternehmen zu schaffen oder für ihn wirtschaftlich günstigere Arbeitsbedingungen durchzusetzen.
3. Kann der Arbeitsvertrag vor dem Übergang geändert werden?
Der Betriebsveräußerer kann die Arbeitsverträge mit seiner Belegschaft durch Änderungsverträge bereits vor dem Betriebsübergang auf den Erwerber an die künftigen Bedingungen beim neuen ArbG anpassen, soweit nicht Tarifverträge bestimmte Mindestarbeitsbedingungen zwingend vorgeben.
Beispiel |
Der Erwerber macht zur Bedingung des Unternehmenskaufs, dass vor dem Betriebsübergang die Personalkosten um einen bestimmten Prozentsatz gesenkt werden. |
Eine solche Änderung der Arbeitsverträge setzt voraus, dass die betroffenen ArbN freiwillig zustimmen. Eine einseitige Anpassung der Arbeitsverträge ist nicht wirksam möglich. Ohne eine entsprechende wirtschaftliche Kompensation werden die betroffenen ArbN meist ihre Zustimmung nicht freiwillig erteilen, sodass Änderungsverträge ausscheiden.
Praxistipp | Der Änderungsvertrag darf nicht zur Bedingung für den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber gemacht werden, um die Belegschaft zur Zustimmung zu drängen. |
Sittenwidrige Änderungsverträge sind ebenfalls unwirksam. Sittenwidrig nach § 138 BGB und damit kraft Gesetzes unwirksam sind Vereinbarungen, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Hierzu entwickelte die Rechtsprechung mehrere Fallgruppen, deren Abgrenzung und Einordnung von Einzelfallumständen abhängig ist.
4. Kann der Arbeitsvertrag nach Übergang geändert werden?
Die Bedingungen der Alt-Arbeitsverträge mit dem Veräußerer als altem ArbG werden durch den Betriebsübergang wie ausgeführt nicht verändert. Die ArbN und der Erwerber als neuer ArbG können die Arbeitsverträge aber einvernehmlich im Rahmen der Privatautonomie abändern.
Beispiel |
A ist als Industriemechaniker beschäftigt. Das Betriebsgelände und alle Maschinen werden von einem anderen Betrieb übernommen. Der Inhaber des Erwerberbetriebs wird neuer ArbG des A, wenn dieser dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht nach § 613a Abs. 5 BGB widerspricht. An den Arbeitsvertragsbedingungen des A ändert dieser Vorgang nichts. A bleibt weiter Industriemechaniker zum bisherigen Gehalt und sonstigen Arbeitsbedingungen, wie z. B. Arbeitszeit. |
Probleme können hier entstehen, wenn sich die Arbeitsbedingungen (z. B. Gehalt oder Arbeitszeit) der übernommenen ArbN von der bisherigen Belegschaft des Betriebserwerbers als neuem ArbG unterscheiden. Der Betriebserwerber hat in der Regel ein Interesse daran, einheitliche Arbeitsbedingungen in seinem neuen Gesamtbetrieb zu schaffen. Eine einseitige Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Betriebserwerber ist aber im Rahmen der Vertragsgestaltung nicht möglich, auch wenn sich die Arbeitsbedingungen der Stammbelegschaft von denen der durch den Betriebsübergang neu hinzutretenden ArbN unterscheiden. Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz hilft dem Erwerber hier nicht weiter.
5. Wie kann der Arbeitsvertrag geändert werden?
In der Regel werden die durch einen Betriebsübergang neu hinzugetretenen ArbN Arbeitsbedingungen, die für sie wirtschaftlich nachteilig sind, nicht freiwillig zustimmen. Hier kommt die sogenannte Änderungskündigung gem. § 2 KSchG durch den Veräußerer oder nach Betriebsübergang durch den Erwerber in Betracht. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Wirksamkeit einer solchen Änderungskündigung stellt, sind allerdings, gerade im Fall des Betriebsübergangs, hoch. Das Gesetz verbietet dem ArbG nämlich Kündigungen, die wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen werden (§ 613a Abs. 4 S. 1 BGB). Dies bezieht sich sowohl auf den Veräußerer als alten und bisherigen ArbG als auch auf den Erwerber als neuen ArbG. Eine Kündigung wegen eines Betriebsübergangs liegt nach der Rechtsprechung des BAG (20.9.06, 6 AZR 249/05) vor, wenn der Betriebsübergang die überwiegende Ursache, also der Beweggrund, für die Kündigung ist.
Beispiel |
Der erwerbende ArbG spricht dem ArbN eine Änderungskündigung mit der Begründung aus, dass die Arbeitsbedingungen wegen des Betriebsübergangs geändert werden müssen. |
Eine solche Änderungskündigung ist unwirksam. Der ArbG kann die Änderungskündigung nicht damit begründet, dass ein Betriebsübergang erfolgt ist und nun die Arbeitsbedingungen angepasst werden müssen. Eine Änderungskündigung besteht aus zwei Elementen:
- Das bestehende Arbeitsverhältnis wird durch eine Kündigung beendet. Es handelt sich insoweit um eine „normale“ Beendigungskündigung, für die die allgemeinen gesetzlichen Anforderungen des KSchG gelten.
- Dem gekündigten ArbN wird gleichzeitig der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu geänderten Konditionen angeboten.
Allerdings sind Kündigungen nach einem Betriebsübergang nicht ausgeschlossen. Entscheidend ist der Grund der Entlassung. Insbesondere an verhaltens- oder personenbedingte Kündigungen werden im Zuge eines Betriebsübergangs keine zusätzlichen Voraussetzungen gestellt. Kündigungen aus diesen Gründen sind meist Beendigungskündigungen, die nicht „wegen des Betriebsübergangs“ erfolgen.
Beispiel |
Der ArbN erscheint auch nach zahlreichen Abmahnungen häufig unentschuldigt zu spät bei der Arbeit. |
Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt hier unabhängig vom Betriebsübergang in Betracht. Oft liegt aber eine betriebsbedingte (Änderungs-)Kündigung für den erwerbenden ArbG näher. So kann dieser etwa geltend machen, dass die Änderungskündigung aus wirtschaftlichen Gründen notwendig sei. Insbesondere kann die Kündigung dann einen Bezug zum Betriebsübergang aufweisen, sofern andere Gründe tragend sind. Ob die Änderungskündigung in diesen Fällen rechtmäßig ist, hängt stark vom Einzelfall ab.
Übersicht / Typische Fehler |
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AUSGABE: AA 8/2025, S. 143 · ID: 50489964