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HinweisgeberschutzgesetzBetriebsrat hat bei der Nutzung der internen Meldestelle ein Mitbestimmungsrecht
| Bei der Nutzung der internen Meldestelle nach dem HinSchG, zum Beispiel bei Meldepflichten, Verfahrensanweisungen ist der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfüllt. Das gilt aber nicht bei der Organisationsentscheidung, z. B. dem Outsourcing der Meldestelle. |
Sachverhalt
Der ArbG betreibt ein Seniorenpflegeheim, in den Einrichtungen sind mehr als 480 ArbN beschäftigt. Der Betriebsrat (BR) besteht aus elf Mitgliedern. Es gibt eine interne Meldestelle nach dem HinSchG. Ende 2023 veröffentlichte der ArbG auf dem internen „QM-Laufwerk“ eine Verfahrensanweisung zum HinSchG, nach der er die interne Meldestelle ist. Für den ArbG und zwei weitere Unternehmen ist ein Konzernbetriebsrat gebildet worden.
Der Betriebsrat macht ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und der Ausgestaltung des internen Hinweisgebersystems nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG geltend. Das HinSchG gebe hierfür Gestaltungsspielräume. Kein Streit bestehe darüber, dass kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestehe. Der ArbG schließt ein Mitbestimmungsrecht aus, da es keine Pflicht der ArbN zur Meldung von Verstößen gebe. Die Bildung der internen Meldestelle betreffe lediglich die Organisation und nicht die Ordnung des Betriebs.
Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgericht Zwickau (20.3.25, 9 BV 12/24, Abruf-Nr. 249302) wies den Antrag des BR zurück. Er habe kein Mitbestimmungsrecht in dieser Angelegenheit. Zwar sei der Mitbestimmungstatbestand gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG teilweise erfüllt, jedoch bestehe keine Zuständigkeit des BR. Der Konzernbetriebsrat sei gemäß § 58 Abs. 1 ArbGG zuständig.
Der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sei erfüllt. Zwar normiere § 12 Abs. 1 S. 1 HinSchG eine Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle. Das „Ob“ einer Einrichtung einer internen Meldestelle sei nicht Gegenstand des Antrags. Gegenstand sei vielmehr die Nutzung und Ausgestaltung der internen Meldestelle. Hierfür seien keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben ersichtlich. Vielmehr biete das HinSchG für den ArbG Gestaltungsspielräume. § 14 Abs. 1 S. 1 HinSchG sehe die Möglichkeit vor, die interne Meldestelle intern zu errichten oder einen Dritten hiermit zu beauftragen. Im HinSchG sei ein Entscheidungsspielraum angelegt.
Die Angelegenheit unterliege vielmehr teilweise der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Entscheidung des BAG zur Beschwerdestelle nach § 13 AGG (BAG 21.7.09, 1 ABR 42/08) unterscheide sich, als in der dortigen Entscheidung der BR geltend gemacht habe, bei der Verortung und der personellen Besetzung der Beschwerdestelle mitzubestimmen. Das BAG habe festgestellt, dass diese Fragen die Organisation – und nicht das Ordnungsverhalten – des Betriebs betreffen würden. Das BAG habe jedoch zugleich festgestellt, dass bei der Einführung und Ausgestaltung des standardisierten Meldeverfahrens ein Mitbestimmungsrecht des BR bestehe. Das Meldeverfahren steuere das Verhalten der ArbN im Betrieb. Nach anderer Auffassung weise die Frage des Mitbestimmungsrechts bei der Einrichtung und Ausgestaltung der internen Meldestelle eine strukturelle Ähnlichkeit zur Bestellung von Betriebsärzten auf. Hier habe das BAG ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG angenommen.
Dieser Ansicht ist die Kammer nicht gefolgt. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei der Ausgestaltung – im Sinne der organisatorischen Einrichtung – der Meldestelle bestehe nicht. Der allgemeinen These, die Nutzung und Ausgestaltung der Meldestelle sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig, könne nicht gefolgt werden. Hierunter würden auch mitbestimmungsfreie Organisationsentscheidungen des ArbG fallen. Auch der bloße Verweis darauf, dass das Arbeitsverhalten nicht betroffen sei, greife zu kurz, weil dies nicht zwingend zur Folge habe, dass das Ordnungsverhalten betroffen sein müsse. Nicht jede Maßnahme des ArbG, die nicht das Arbeitsverhalten betreffe, betreffe automatisch das Ordnungsverhalten.
Insgesamt sei der BR jedoch deshalb nicht zuständig, da das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG dem Konzernbetriebsrat nach § 58 Abs. 1 BetrVG zustehe. Die interne Meldestelle für ArbG sei für sämtliche Unternehmen der Unternehmensgruppe zentral an einen Dritten vergeben worden. Die Verfahrensanweisung zur Nutzung der internen Meldestelle gelte für alle drei Unternehmen. Zwar sei die Bildung einer konzernübergreifenden Meldestelle durch das HinSchG nicht zwingend vorgegeben. Diese Organisationsentscheidung unterläge aber nicht der Mitbestimmung. Der ArbG könne frei entscheiden, wo und für welche Unternehmen er die interne Meldestelle einrichte. Entscheide er sich dazu, die interne Meldestelle zentral für alle Unternehmen zu errichten, müsse dieser mitbestimmungsfrei geschaffene „Status quo“ bei der Frage der Zuständigkeit nach §§ 50, 58 ArbGG hingenommen werden.
Relevanz für die Praxis
Zusammenfassend stellt das Arbeitsgericht Zwickau fest:
- Die Entscheidung des ArbG über die Ausgestaltung, also das „Outsourcing“ der internen Meldestelle nach § 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HinSchG, unterliegt nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
- Auch die Entscheidung über die konkrete Stelle, die als Dritter im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HinSchG als interne Meldestelle agieren soll, unterliegt nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
- Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei der Nutzung der internen Meldestelle besteht jedoch. Es betrifft das Verhalten der ArbN und nicht die Organisation des Betriebs.
- Auch die in der Verfahrensanweisung zur Nutzung der Meldestelle gegebenen Vorgaben sind geeignet, das Verhalten der ArbN zu steuern.
- Es geht los: ArbN fordert vom ArbG über 44.500 EUR Schadenersatz nach dem HinSchG: Arbeitsgericht Hamm in AA 24, 75
AUSGABE: AA 8/2025, S. 137 · ID: 50489851