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MitbeurteilungKeine Mitbeurteilung durch das Gremium bei der Vergütung für freigestelltes Betriebsratsmitglied
| Wird die Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Abs. 4 oder § 78 S. 2 BetrVG angepasst, hat der Betriebsrat (BR) kein Mitbeurteilungsrecht nach § 99 BetrVG. |
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob der ArbG ein Zustimmungsverfahren einleiten muss. Der Antragsteller ist ein Betriebsrat in einem tarifgebundenen Betrieb. Der ArbG erhöhte die Vergütung des von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellten BR-Vorsitzenden, indem er die tarifvertragliche Entgeltgruppe änderte. Der BR wurde dabei nicht beteiligt. Dieser vertritt nun die Auffassung, er hätte bei der Anpassung des Arbeitsentgelts nach § 99 Abs. 1 BetrVG beteiligt werden müssen. Es liege eine Ein- oder Umgruppierung im Sinne der gesetzlichen Regelung vor. Die Vorinstanzen (LAG Sachsen 21.2.23, 3 TaBV 26/21) entsprachen dem Antrag.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des ArbG vor dem BAG (26.11.24, 1 ABR 12/23, Abruf-Nr. 246328) war erfolgreich. Der Antrag des BR sei insgesamt unbegründet. Er könne nicht die Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG verlangen.
Zwar könne der BR nach § 101 S. 1 BetrVG durchsetzen, dass eine ohne seine Zustimmung durchgeführte personelle Einzelmaßnahme aufgehoben werde. Dies gelte auch im Falle von Ein- und Umgruppierungen nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Bei einer Anpassung des Entgelts eines freigestellten BR-Mitglieds nach § 37 Abs. 4 oder § 78 S. 2 BetrVG handele es sich jedoch nicht um eine der Mitbeurteilung des BR unterliegende Ein- oder Umgruppierung.
Eine Ein- oder Umgruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG sei die erstmalige oder erneute Einreihung eines ArbN in eine betriebliche Vergütungsordnung bzw. deren spätere Änderung. Beide personellen Einzelmaßnahmen bestünden in der Zuordnung der zu verrichtenden Tätigkeit eines ArbN zu einer bestimmten Gruppe einer Vergütungsordnung nach Maßgabe der dafür vorgesehenen Kriterien.
An einer solchen Zuordnung fehle es, wenn das Arbeitsentgelt eines freigestellten BR-Mitglieds erhöht werde. In diesem Fall erfolge die Entgeltanpassung entweder entsprechend der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung vergleichbarer ArbN oder zur Vermeidung einer Benachteiligung, weil das BR-Mitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte. Es finde in beiden Fällen nur eine Anpassung seines Arbeitsentgelts mit Blick auf dasjenige vergleichbarer ArbN statt.
Der ArbG sei zudem verpflichtet, einem BR-Mitglied eine berufliche Entwicklung zu gewährleisten, die derjenigen entspräche, die es ohne die Amtstätigkeit durchlaufen hätte. Dies betreffe nicht nur die berufliche Tätigkeit, sondern auch das sich aus ihr ergebende Entgelt. Zur Durchsetzung der betriebsverfassungsrechtlichen Schutznormen stehe dem BR-Mitglied daher auch ein unmittelbar auf Zahlung des höheren Entgelts gerichteter Anspruch zur Seite. Darin liege gerade nicht die Einordnung in eine betriebliche Vergütungsordnung.
Relevanz für die Praxis
Der 1. Senat klärt die ihm vorgelegte Rechtsfrage und lässt dabei keine Fragen offen. Die damit verbundene Rechtssicherheit für alle Beteiligten ist ausdrücklich zu begrüßen.
Inhaltlich kann die Frage der Mitbestimmung des BR-Gremiums durchaus anders bewertet werden. Zwar stellt das BAG zutreffend heraus, dass es sich bei den §§ 37, 78 BetrVG um Schutznormen handelt, die dem BR-Mitglied im Ergebnis einen Anspruch auf Anpassung seiner Vergütung wegen einer Schlechterstellung bzw. einer verpassten betriebsüblichen Entwicklung vermitteln. In Bezug auf die Frage der Mitbestimmung des Gremiums ist aber auch dessen Sinn und Zweck zu berücksichtigen. Dieser ist auf die einheitliche und zutreffende Anwendung der betrieblichen Vergütungsordnung und damit auf innerbetriebliche Lohngerechtigkeit gerichtet.
Dieser Zielsetzung sind auch die Schutznormen für BR-Mitglieder verpflichtet. BR-Mitglieder sollen so behandelt werden wie vergleichbare ArbN im Betrieb. Weder sollen eine Schlechterstellung noch ein aufgrund der Betriebsratstätigkeit schlechteres Vorankommen im Betrieb erfolgen. Die Entgeltentwicklung des BR-Mitglieds während der Dauer seiner Amtszeit soll nicht hinter derjenigen zurückbleiben, die vergleichbare ArbN nach den betriebsüblichen Umständen durchlaufen (zuletzt etwa BAG 23.11.22, 7 AZR 122/22). Der 1. Senat stellt fest, dass bei BR-Mitgliedern indes nicht die zu verrichtenden Arbeitsaufgaben, sondern lediglich ein möglicher Arbeitsplatz bewertet wird. Darin liege eine personenunabhängige und damit abstrakte Bewertung von Arbeitsplätzen oder Tätigkeiten, welche nicht unter § 99 BetrVG fallen. Diese Begründung kann zwar wie aufgezeigt nicht restlos überzeugen, gleichwohl schafft das Ergebnis Rechtssicherheit für die Betriebsparteien. Dies schafft erfreuliche Klarheit für die Personalpraxis.
- Die Freistellung des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten, Jesgarzewski in AA 25, 116
- Betriebsrat versus ChatGPT: Wie weit geht die Mitbestimmung? Arbeitsgericht Hamburg in AA 24, 46
- Die Mitbestimmung bei der Einführung eines Personalfragebogens bei einem Konzern, LAG Köln in AA 25, 67
- ArbG muss Aus- und Eingruppierung klar darstellen, LAG Köln in AA 24, 199
- Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Papierform der Bewerbungsunterlagen, wenn digital reicht, BAG in AA 24, 81
AUSGABE: AA 8/2025, S. 135 · ID: 50489684