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AGB-KontrolleErneut Ausschlussfristenregelung in AGB auf dem Prüfstand
| Der ArbG als Verwender von AGB kann sich nicht auf deren Unwirksamkeit berufen. Dies gilt auch bei unwirksamen Ausschlussfristklauseln. |
Sachverhalt
Der Kläger war der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Fluggesellschaft, der Insolvenzschuldnerin. Es ging um einen Darlehensvertrag, den die Insolvenzschuldnerin mit einem Co-Piloten (Beklagter) geschlossen hatte. Dieser war Inhaber einer allgemeinen Erlaubnis zum Verkehrsflugzeugführer, verfügte aber nicht über die Musterberechtigung für das Flugzeugmuster Airbus A320 Family. Diese ist zwingender Bestandteil der erforderlichen Luftfahrterlaubnis für ein bestimmtes Flugzeugmuster und wird durch eine mehrmonatige theoretische und praktische Einweisung mit anschließender Prüfung erworben.
Die Insolvenzschuldnerin schloss mit dem Co-Piloten einen Darlehensvertrag „im Hinblick auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses“ zur Finanzierung des Lehrgangs als Co-Pilot für das Flugzeugmuster Airbus A320. Das Darlehen sollte in monatlichen Raten von 225 EUR mit Beginn des Arbeitsverhältnisses zurückgezahlt werden. Zudem schlossen die Parteien einen Ausbildungsvertrag. Die Lehrgangskosten wurden mit dem Darlehen finanziert. Vereinbarungsgemäß erhielt der Beklagte nach erfolgreichem Ende der Ausbildung einen Arbeitsvertrag, in dem auch auf einen Rahmenvertrag für Piloten Bezug genommen wurde. Hierin heißt es u. a.:
Auszug aus dem Rahmenvertrag |
§ 1 Gegenstand des Rahmenvertrags Der Rahmenvertrag regelt die näheren Einzelheiten des Arbeitsvertrags …Der Rahmenvertrag mit seinen Anlagen ist Bestandteil des Arbeitsvertrags des Mitarbeiters. § 21 Rückzahlung von Vorschüssen und Darlehen Offene Restbeträge von Vorschüssen und Darlehen werden spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Rückzahlung in voller Höhe fällig. § 26 Ausschlussfristen
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Die Insolvenzschuldnerin behielt monatlich 225 EUR von der Arbeitsvergütung ein, um das Darlehen zu tilgen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis; er forderte die Zahlung der ausstehenden Darlehnsraten, kündigte den Darlehensvertrag und verlangte gleichzeitig die Rückzahlung einer Restforderung aus dem Darlehnsvertrag in Höhe von rund 19.000 EUR, die er gerichtlich geltend machte. Der Beklagte meint, der Rückzahlungsanspruch sei nach § 26 des Rahmenvertrags verfallen.
Entscheidungsgründe
Das BAG (16.4.24, 9 AZR 181/23, Abruf-Nr. 243077) wies die Klage ab, weil der Kläger die vereinbarte Ausschlussfrist nicht eingehalten hat.
Das BAG lässt den Darlehensvertrag unter die Ausschlussfrist des § 26 des Rahmenvertrags fallen, weil der Begriff „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche umfasst, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben. Hierzu:
„Dabei kommt es nicht auf die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, sondern auf den Entstehungsbereich des Anspruchs an. Entscheidend ist die enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis. Bei einem zweckgebundenen Arbeitgeberdarlehen überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis Kapital zur vorübergehenden Nutzung. Wie eng ein solches Darlehen mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft ist, und ob es deshalb von einer Regelung erfasst wird, die nicht auch Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis nur in Verbindung stehen, sondern nur Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis betrifft, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Darlehensvertrags ab.“
Selbst Ansprüche, die nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zur Arbeitsverpflichtung ständen, können unter „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ fallen. Da der Darlehensvertrag und das Ausbildungs- und spätere Arbeitsverhältnis in mehrfacher Hinsicht inhaltlich aufeinander Bezug nähmen und damit eng verknüpft seien, werde der darlehensrechtliche Rückzahlungsanspruch im Streit zu einem Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.
Das BAG betont, es obliege dem Anspruchsteller, die Begründetheit und die Erfolgsaussichten seiner Ansprüche zu prüfen und die Ansprüche gegebenenfalls zeitnah gegenüber dem Vertragspartner geltend zu machen. Auf diese Weise sei gewährleistet, dass sich der Anspruchsgegner auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offene Forderung rechtzeitig einstelle. Er könne Beweise sichern und gegebenenfalls Rücklagen bilden. Zudem werde er vor der Verfolgung von Ansprüchen geschützt, mit deren Geltendmachung er nicht rechne und auch nicht rechnen müsse.
Die Ausschlussfrist des § 26 des Rahmenvertrags verfolge diesen Zweck. Allerdings verstoße die Ausschlussklausel gegen § 202 Abs. 1 BGB. Sie nehme nämlich Ansprüche, die „aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Arbeitgebers … resultieren“, nicht aber solche des ArbG gegen den ArbN aus ihrem Anwendungsbereich aus. Die Teilunwirksamkeit der Ausschlussklausel führe jedoch nicht zur generellen Unwirksamkeit dieser Klausel. Vielmehr bemesse sich die Rechtsfolge nach § 306 BGB und damit nach dem „Grundsatz der personalen Teilunwirksamkeit“.
Danach könne sich der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Regelfall nicht auf die Unwirksamkeit der von ihm selbst in den Vertrag eingeführten Klausel berufen. Die Inhaltskontrolle schaffe lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselverwender. Sie diene aber nicht dem Schutz des Klauselverwenders vor den von ihm selbst geschaffenen Formularbestimmungen. Nur wenn alle Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beider Seiten von der Ausschlussklausel erfasst würden, sei eine solche Klausel unwirksam. Denn § 202 Abs. 1 BGB wolle beide Vertragsparteien davor schützen, aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung Ansprüche infolge Zeitablaufs zu verlieren, die ihnen wegen einer vorsätzlichen Pflichtverletzung des anderen Teils zuständen. Insoweit seien Ausschlussfristenregelungen in AGB der Disposition durch die Arbeitsvertragsparteien unabhängig davon entzogen, wer die Bestimmung in den Vertrag eingebracht habe.
Wolle man dem ArbG darüber hinaus – etwa im Falle der Rückzahlung eines Darlehens – erlauben, die Unwirksamkeit der von ihm geschaffenen Klausel einzuwenden, hieße dies, den Anwendungsbereich des Grundsatzes der personalen Teilunwirksamkeit über das vom Schutzzweck des § 202 Abs. 1 BGB geforderte Maß einzuschränken. Dies liefe auf eine vom Gesetz nicht gewollte Überkompensation für einen Gesetzesverstoß hinaus, der allein im Verantwortungsbereich des ArbG angesiedelt sei.
Weder die Insolvenzschuldnerin noch der Kläger habe den Anspruch auf Rückzahlung des Darlehnsvertrags rechtzeitig gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Selbst wenn der Anspruch auf die Darlehnsrestschuld mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf oder mit Zugang des Schreibens geltend gemacht worden wäre oder wenn die Ausschlussfrist erst durch die Kündigung des Klägers zu laufen begonnen und mit Schreiben vom gleichen Tage die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung gewahrt hätte, hätte er die zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung binnen drei Monaten erfordere, mit seiner bei Gericht eingegangen Klage nicht eingehalten. Daher sei der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehns verfallen.
Relevanz für die Praxis
Für die Praxis interessant sind die Ausführungen des BAG zum „Grundsatz der personalen Teilunwirksamkeit“ der vereinbarten Ausschlussklausel. Die Praxis neigt zu schnell zu der Auffassung, dass eine Ausschlussklausel insgesamt nach § 134 BGB unwirksam ist, wenn sie gegen § 202 BGB verstößt. Nur wenn alle gegenseitigen Ansprüche, z. B. aus vorsätzlicher Handlung ausgeschlossen sind, bedarf es des Schutzes auch des ArbG mit der Folge der Unwirksamkeit der Klausel. Im Übrigen bleibt die Klausel wirksam. Da der ArbG die Klausel in den Arbeitsvertrag aufgenommen hat und er für diese Klausel verantwortlich ist, wäre er sonst mehr als notwendig geschützt.
AUSGABE: AA 10/2024, S. 175 · ID: 50165904