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HomeofficeWas gilt bei der „Rückkehr“ aus dem Homeoffice?
| Eine separate Regelung zum Homeoffice ist durch Teilkündigung kündbar, wenn eine solche Kündbarkeit wirksam vereinbart worden ist. Die Regelungen der §§ 1 ff. KSchG sind auf eine solche Kündigung nicht anwendbar. Auch eine Prüfung nach §§ 305 ff. BGB führt nicht zur Unwirksamkeit. |
Sachverhalt
Der ArbG betreibt ein Software-Unternehmen mit Sitz in B. Der ArbN wohnt in A. Er ist seit dem 1.2.17 als Sales Account Manager für den ArbG tätig. Im Arbeitsvertrag vom 28.11.16 heißt es: „Der Mitarbeiter arbeitet von zu Hause aus (Homeoffice). Dem Mitarbeiter ist jedoch bekannt, dass er an verschiedenen Einsatzorten, gegebenenfalls auch über längere Zeiträume hinweg, seine Arbeitsleistung zu verrichten hat. Der Mitarbeiter erklärt sich damit ausdrücklich einverstanden.“ Einen Tag später trafen die Parteien eine „Zusatzvereinbarung über Tätigkeit im Homeoffice“, in der unter anderem Folgendes geregelt ist:
Zusatzvereinbarung über Tätigkeit im Homeoffice |
Vorbemerkung Zwischen dem Mitarbeiter und E besteht seit dem 1.2.17 oder früher ein Arbeitsverhältnis. Ab dem 1.2.17 oder früher wird der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung im Wesentlichen in seiner Wohnung (häusliche Arbeitsstätte) erbringen. Die häusliche Arbeitsstätte befindet sich in XXXXX A, F XX. (…) § 1 Arbeitsort/Häusliche Arbeitsstätte Der Mitarbeiter ist verpflichtet, nach Arbeitsbedarf auch in den Unternehmensräumen tätig zu werden. Der Mitarbeiter hat während der Laufzeit dieser Vereinbarung jedoch keinen Anspruch auf einen dauerhaften Arbeitsplatz in diesen Unternehmensräumen. (…) § 7 Beendigung der häuslichen Arbeit Diese Vereinbarung endet spätestens mit dem Ende des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses aufgrund des Arbeitsvertrags vom 28.11.16 sofern sie nicht vorher durch eine der Parteien gekündigt wird. Die Kündigung dieser Vereinbarung bedarf der Schriftform und muss unter Einhaltung einer Frist von einem Monat ausgesprochen werden. Mit Ablauf der Kündigungsfrist endet die häusliche Arbeit, sodass der Mitarbeiter verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung in den Unternehmensräumen zu erbringen. |
Nachdem der ArbN seit Mitte 2021 arbeitsunfähig erkrankt war, kündigte der ArbG die Zusatzvereinbarung über Tätigkeiten im Homeoffice zum 1.4.22. Der ArbN trug vor, bei den Bestimmungen der Zusatzvereinbarung vom 29.11.16 handele es sich um AGB, die vom ArbG vorformuliert gewesen seien. Der Kündigungsvorbehalt in § 7 Abs. 2 verstoße gegen das Transparenzgebot und stelle eine Umgehung dar. Der vorgesehene Einsatz am Sitz des ArbG entspreche nicht billigem Ermessen. Der ArbG ist der Ansicht, der Anstellungsvertrag sei ein individuell ausgehandelter Vertrag, der gerade auf die Tätigkeit des ArbN zugeschnitten sei. Seine Tätigkeit bestehe zu 80 % darin, Dienstfahrten zu Kunden in Norddeutschland zu unternehmen, was ihm krankheitsbedingt nicht mehr möglich sei.
Entscheidungsgründe
Die 18. Kammer des LAG Hamm (16.3.23, 18 Sa 832/22, Abruf-Nr. 235834) ist der Ansicht, dem ArbN stehe der vertragliche Anspruch, in seiner Wohnung tätig zu werden, aus der Zusatzvereinbarung vom 29.11.16 nicht zu. Der ArbG habe gegenüber dem ArbN mit dem Schreiben vom 28.1.22 eine rechtswirksame Kündigung der Zusatzvereinbarung ausgesprochen.
Die Möglichkeit einer Teilkündigung der Zusatzvereinbarung vom 29.11.16 ergebe sich aus § 7 Abs. 1 und 2 der Zusatzvereinbarung. Im Streitfall sei das Recht zum Ausspruch einer Teilkündigung hinsichtlich der Zusatzvereinbarung ausdrücklich für beide Parteien unter § 7 der Zusatzvereinbarung vorgesehen. Diese Abrede sei rechtswirksam. Durch sie werde kein zwingender Kündigungsschutz (§§ 1, 2 KSchG) umgangen.
Die Regelungen der kündbar gestellten Zusatzvereinbarung bezögen sich auf spezielle Abreden über den Ort der Arbeitsleistung, die kündigungsrechtlich nicht besonders geschützt seien, sondern dem Direktionsrecht des ArbG gemäß § 106 S. 1 GewO unterlägen. Auch wenn man die Zusatzvereinbarung insgesamt oder im Hinblick auf die Regelung der Teilkündbarkeit unter § 7 als AGB im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB oder jedenfalls als Einmalbedingung im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BGB ansehen würde, führe dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündbarkeitsregelung.
Die Bestimmung unter § 7 Abs. 1 und 2 der Zusatzvereinbarung sei nicht unwirksam gemäß § 308 Nr. 4 BGB. Die Vorschrift erfasse nur einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der vertraglich vorgesehenen Leistung des Verwenders; sie sei damit nicht auf das Leistungsbestimmungsrecht des ArbG im Hinblick auf die Arbeitsleistung des ArbN anzuwenden (BAG 11.4.06, 9 AZR 557/05). Die Abrede über einen Homeoffice-Arbeitsplatz betreffe keine vertraglich vorgesehene Leistung des ArbG, sondern den Ort der Arbeitsleistung, der vom Direktionsrecht gemäß § 106 S. 1 BGB umfasst sei.
Die Bestimmung über die Teilkündbarkeit in § 7 der Zusatzvereinbarung sei nicht unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Der ArbN werde nicht unangemessen benachteiligt. Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob eine unangemessene Benachteiligung durch die Teilkündbarkeit der Homeoffice- Abrede vorliege, sei das gesetzliche Leitbild des § 106 S. 1 GewO und nicht das gesetzliche Leitbild von § 2 KSchG. Mit der Vereinbarung einer Tätigkeit im Homeoffice werde der Ort der Arbeitsleistung festgelegt. Damit sei nicht der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses angesprochen, sondern ein Bereich, der dem Direktionsrecht des ArbG unterliege.
Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liege nur vor, wenn ein rechtlich anerkanntes Interesse des ArbN unangemessen beeinträchtigt werde, ohne dass dies durch begründete und billigenswerte Interessen des ArbG gerechtfertigt sei oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen werde (BAG 19.11.19, 7 AZR 582/17).
Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Kündbarkeit der Zusatzvereinbarung nur eine eingeschränkte Rechtsposition des ArbN betreffe. Diesem werde nach der Zusatzvereinbarung kein Anspruch auf eine ausschließliche Tätigkeit im Homeoffice eingeräumt. Die Zusatzvereinbarung lege auch keinen bestimmten Anteil der Tätigkeiten am häuslichen Arbeitsplatz im Verhältnis zur Gesamttätigkeit fest. Die Zusatzvereinbarung sehe vor, dass der ArbN „im Wesentlichen“ in seiner Wohnung tätig werde, jedoch verpflichtet sei, „nach Arbeitsbedarf auch in den Unternehmensräumen tätig zu werden“. Auch der Anstellungsvertrag sehe vor, dass der ArbN (grundsätzlich) im Homeoffice arbeite. Diese vertragliche Grundlage bleibe auch im Falle einer Kündigung der Zusatzvereinbarung unberührt, was im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des ArbG zu beachten sei.
Auch wenn dies in § 7 Abs. 1 und Abs. 2 der Zusatzvereinbarung nicht ausdrücklich vorgesehen sei, bedürfe die Zuweisung eines neuen Arbeitsorts nach Aufkündigung der Zusatzvereinbarung der Ausübung billigen Ermessens gemäß § 106 S. 1 GewO. Dies wahre die Interessen des ArbN.
Dem stehe nicht entgegen, dass der ArbN nach § 7 Abs. 2 S. 2 der Zusatzvereinbarung im Falle einer Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist verpflichtet sei, seine Arbeitsleistung in den Unternehmensräumen zu erbringen. Es spreche zwar viel dafür, dass der in dieser Bestimmung vorgesehene Automatismus der als Folge einer Teilkündigung die Veränderung des Tätigkeitsorts vorsehe, eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB darstelle und daher rechtsunwirksam sei. Diese betreffe indes nur § 7 Abs. 2 S. 2 der Zusatzvereinbarung und nicht die grundsätzliche Möglichkeit des Ausspruchs einer Teilkündigung. Das ergebe sich aus der Anwendung des sogenannten Blue-Pencil-Tests (dazu BAG 21.6.11, 9 AZR 236/10, Abruf-Nr. 113817). § 306 Abs. 1 BGB enthalte eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimme, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibe.
§ 7 Abs. 2 S. 2 der Zusatzvereinbarung sei sprachlich ohne Weiteres abtrennbar von den übrigen Bestimmungen unter § 7. Die Streichung von § 7 Abs. 2 S. 2 der Zusatzvereinbarung führe nicht dazu, dass die Regelung über die Teilkündbarkeit unverständlich werde. Die Streichung führe lediglich dazu, dass nach dem Ausspruch der Teilkündigung der Tätigkeitsort gemäß § 106 S. 1 GewO neu bestimmt werden müsse.
Die Bestimmungen über die Teilkündbarkeit der Zusatzvereinbarung seien nicht unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Soweit sich Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit von § 7 Abs. 2 S. 2 der Zusatzvereinbarung (Stichwort Transparenz) ergäben, sei diesen Bedenken durch die Streichung jener Vertragsklausel Rechnung zu tragen. Die Streichung lasse jedoch die grundsätzliche Möglichkeit des Ausspruchs einer Teilkündigung unberührt.
Ob die Weisung, die der ArbG dem ArbN gegenüber erteilte, wirksam sei, habe er nicht zu entscheiden. Der ArbG habe mit Schreiben vom 28.1.22 nicht nur eine Kündigung der Zusatzvereinbarung ausgesprochen. Er habe darüber hinaus auch Weisungen im Hinblick auf den Arbeitsort (Tätigkeit in B) und auf den Inhalt der Arbeitsleistung (Tätigkeit im Innendienst) erteilt. Der ArbN habe aber diese Weisung(en) nicht angegriffen.
Relevanz für die Praxis
Will der ArbG vermeiden, eine Diskussion darüber zu führen, ob und wann sich unter dem Aspekt der „betrieblichen Übung“ ein vertraglicher Anspruch des ArbN auf (teilweise) Homeoffice ergibt, ist der Abschluss einer „Homeoffice-Vereinbarung“ in oder außerhalb des Arbeitsvertrags dringend anzuraten. Bei deren Gestaltung ist auf Laufzeit, Kündbarkeit und (soweit dies zulässig ist) auch auf die Regelung der Konsequenzen dieser Teilkündigung für das Arbeitsverhältnis zu achten.
Die gute Nachricht aus ArbG-Sicht: Generell ist eine solche Zusatzvereinbarung kündbar, was weder gegen das KSchG noch gegen §§ 305 ff. BGB verstößt. Die dann notwendige Neuzuweisung des Arbeitsorts steht allerdings unter dem Vorbehalt der Ausübung billigen Ermessens nach § 106 S. 1 GewO. Das bedeutet, dass nicht in jedem Fall automatisch die Firmenräume am Unternehmenssitz wirksam zum neuen Arbeitsort gemacht werden dürfen.
Nachfolgend ein Muster, wie eine Homeoffice-Vereinbarung zwischen ArbN und ArbG aussehen könnte.
Vertragsmuster / Muster Vereinbarung über Homeoffice im Arbeitsvertrag | |
Präambel Der Arbeitnehmer ist beim Arbeitgeber seit xx.xx.xxxx als xxxxx angestellt in Vollzeit (xx Stunden). Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Arbeitnehmer ab dem (Datum)/vorübergehend befristet bis zum (Datum)/Angabe Sachgrund (z. B. Pandemie) seine Arbeitsleistung in vollem Umfang/in Höhe von …..h/Woche im Homeoffice (Wohnsitz Musterstadt, Musterstraße xx) erbringt. § 1 Häusliche und betriebliche Arbeitsstätte Diese Vereinbarung regelt die Arbeit im Homeoffice ab dem xx.xx.xxxx. Der Arbeitnehmer erbringt seine Arbeitsleistung sowohl am Arbeitsplatz an seinem Wohnsitz (häusliche Arbeitsstätte) als auch im Betrieb des Arbeitgebers (betriebliche Arbeitsstätte). Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, ein Homeoffice, in dem er die anfallenden Arbeiten verrichten kann, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen zu errichten. Ein zwingender Anspruch auf die Arbeit im Homeoffice wird hiermit nicht begründet. § 2 Anwendbare Normen Auf das Arbeitsverhältnis findet der zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer abgeschlossene Arbeitsvertrag vom xx.xx.xxxx Anwendung, sofern nachstehend nichts anderes vereinbart wird. § 3 Tätigkeit Im Rahmen der Homeoffice-Tätigkeit werden u.a. folgende Aufgaben erbracht:
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§ 4 Erfüllungsorte
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§ 5 Betriebsmittel
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§ 6 Verteilung der Arbeitszeit
§ 7 Kostenpauschale Da der Arbeitnehmer im Homeoffice den privaten Telefonanschluss (auch für das Internet) im Homeoffice nutzt, erhält er als Aufwendungsersatz vom Arbeitgeber monatlich eine Pauschale in Höhe von xx EUR. § 8 Datenschutz häusliche Arbeitsstätte
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§ 9 Zugang zur häuslichen Arbeitsstätte
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§ 10 Haftung
§ 11 Beendigung der Tätigkeit im Homeoffice
§ 12 Schlussbestimmungen
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.............................. Ort/Datum .............................. Arbeitgeber | ............................. Ort/Datum ............................. Arbeitnehmer |
Dieses Muster finden Sie auch im Downloadbereich auf der AA-Homepage (iww.de/aa). Zudem steht es für Sie unter Abruf-Nr. 50129463 bereit.
- Wenn ArbN im Homeoffice bleiben sollen: Wichtige Maßnahmen für den ArbG: AA 21, 152 und AA 21, 175
- Raus aus dem Homeoffice und zurück ins Büro: ein Update: AA 21, 131
AUSGABE: AA 9/2024, S. 153 · ID: 50128250