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AGGNeuausschreibung der Stelle = Indiz für AGG?
| Die Neuausschreibung einer Stelle ist für sich genommen kein Indiz für eine Diskriminierung aufgrund des Alters oder des Geschlechts. |
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt eine Entschädigung nach dem AGG. Sie behauptet eine Diskriminierung wegen des Alters und / oder des Geschlechts. Die 1965 geborene Klägerin war bereits in der Vergangenheit als Lehrkraft für das beklagte Land tätig. 2023 bewarb sich sie sich auf ein im Online-Portal C.NRW eingestelltes Stellenangebot an der A-Schule in B als Vertretungskraft. Ohne vorherige Einladung zum Auswahlgespräch erhielt die Klägerin durch das Sekretariat der A eine Absage. Anschließend war die Stelle erneut im Online-Portal C.NRW ausgeschrieben. Die Klägerin verlangt nun eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG im Umfang von drei Monatsentgelten der Entgeltgruppe 13 Stufe 3 TV-L.
Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgericht Arnsberg (14.12.23, 2 Ca 559/23, Abruf-Nr. 243217) wies die Klage ab. Es sei keine Diskriminierung aufgrund des Alters oder des Geschlechts im Sinne von § 15 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 AGG erkennbar.
Vorliegend habe die Klägerin keine Indizien benannt, aus denen geschlossen werden könnte, dass die Absage kausal auf ihr Alter oder ihr Geschlecht zurückzuführen sei. Es lägen keine Indizien vor, die eine Diskriminierung aufgrund von Alter indizieren:
- Warum der Umstand, dass die Stelle erneut ausgeschrieben wurde, ein Indiz für die Diskriminierung aufgrund des Alters der Klägerin sei, sei unverständlich. Zwar sei zuzugeben, dass die erneute Ausschreibung der Stelle aus der Perspektive der Klägerin die Frage aufgeworfen habe, warum sie eine Ablehnung erhalten habe, obwohl sie grundsätzlich für die Stelle infrage gekommen sei.
- Es sei zudem nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin meint, dass sie gerade aufgrund ihres Alters nicht berücksichtigt worden sei. Genauso gut vorstellbar sei aus der Perspektive der Klägerin schließlich, dass die Bewerbung aus anderen Gründen nicht überzeugt habe.
- Allein die Umstände, dass das beklagte Land das Alter der Klägerin aus der Bewerbung ersehen konnte, die Klägerin eine Absage erhielt und die Stelle dann erneut ausgeschrieben wurde, lasse nicht die Vermutung zu, dass die Schule die Klägerin aufgrund ihres Alters nicht als Lehrkraft wünschte. Dies sei nur eine von vielen denkbaren Erklärungen für die Ablehnung der Klägerin. Deren Vorstellung, die Stelle wegen ihres Alters nicht erhalten zu haben, sei eine höchst spekulative Mutmaßung und damit kein Indiz im Sinne des § 22 AGG. Dementsprechend komme es nicht darauf an, ob die Einlassung des Landes, die Absage an die Klägerin sei aufgrund eines Fehlers geschehen, zutreffend sei oder nicht.
- Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei, dass die Klägerin den Internetauftritt der Schule, in welchem von einem „jungen und dynamischen Umfeld“ gesprochen wurde, so verstehe, dass nur junge Lehrkräfte eingestellt werden sollen. Der Hinweis der Schule auf die Altersstruktur ihres Einzugssprengels bzw. ihrer unmittelbaren Umgebung lasse keinen Rückschluss zu, dass ältere Lehrkräfte nicht gewollt waren.
- Dass aufgrund der Verordnung generell bei allen Bewerbungen von Lehrkräften von mindestens 55 Jahren ein Indiz für eine Altersdiskriminierung im Falle einer Ablehnung bestehen solle, sei abwegig. Ein Indiz für eine Altersdiskriminierung ist daher auch insoweit nicht ersichtlich.
- Nicht nachvollziehbar sei, warum der Umstand, dass der Anteil von Lehrkräften über 50 an allgemeinbildenden Schulen in NRW unter dem Durchschnitt der Bundesländer liegen solle, die Absicht belege, dass eine Verjüngung von Kollegen gewünscht sei. Folglich lägen keinerlei Indizien für eine Altersdiskriminierung vor.
- Es lägen auch keine Indizien für eine Diskriminierung der Klägerin aufgrund ihres weiblichen Geschlechts vor. Eine Geschlechtsdiskriminierung werde zunächst nicht durch die erneute Ausschreibung der Stelle indiziert. Genauso wenig wie erkennbar sei, dass die Klägerin aufgrund ihres Alters diskriminiert wurde, weil genügend andere Gründe für die Ablehnung der Bewerbung denkbar sind, könne die Klägerin aus der Ablehnung schließen, dass sie als Frau nicht gewollt gewesen sei. Die Erwähnung eines jungen und dynamischen Umfelds stehe in keinerlei Bezug zum Geschlecht.... auch keine Diskriminierung wegen des Geschlechts
- Da sich die Pflichtstundenermäßigung an Menschen aller Geschlechter richte, komme auch die Pflichtstundenermäßigung nicht als Indiz für eine Geschlechtsdiskriminierung in Betracht. Gleiches gelte für die von der Klägerin angenommene politisch gewollte Verjüngung. Insoweit fehle wiederum jeder Bezug zum Geschlecht, sodass eine Diskriminierung wegen des Geschlechts insoweit schon von vornherein ausscheide.
Relevanz für die Praxis
Eine Benachteiligung im Sinne des AGG setzt zwingend voraus, dass die Klägerin aufgrund ihres Alters oder ihres Geschlechts oder eines anderen in § 1 AGG genannten Merkmals gegenüber anderen Bewerbern unmittelbar oder mittelbar benachteiligt worden ist.
Für das Vorliegen einer solchen Benachteiligung ist grundsätzlich der ArbN darlegungs- und beweisbelastet, der sich auf die Benachteiligung beruft. Allerdings kommt es gemäß § 22 AGG zu einer Beweislasterleichterung im Sinne einer Kausalitätsvermutung, sofern der ArbN Indizien vorweisen kann, die eine Benachteiligung vermuten lassen (BAG 26.1.17, 8 AZR 848/13, Abruf-Nr. 194415). Hier ist aber darauf hinzuweisen, dass nicht jede Vermutung oder Spekulation des Bewerbers, auf welchen Gründen eine Absage beruhen könnte, ausreichend für das Eingreifen der Vermutungswirkung nach § 22 AGG ist. Ein konkreter Bezug der Absage zu den in § 1 AGG aufgezählten Gründen ist vielmehr vom Anspruchsteller darzulegen.
- AGG-Hopper der „2. Generation“ stoppen: So könnte es für ArbG klappen, LAG Hamm in AA 24, 63
AUSGABE: AA 9/2024, S. 151 · ID: 50129821