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Außerordentliche KündigungMit Äußerungen sexuell belästigt = fristlos raus!
| Der ArbN verletzt seine vertraglichen Pflichten gemäß § 7 Abs. 3 AGG, wenn er auf einer Weihnachtsfeier eine Kollegin mit sexuellen Äußerungen belästigt. Das kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dem ArbG kann es dann unzumutbar sein, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. |
Sachverhalt
Der 32-jährige ArbN war beim ArbG seit 2019 beschäftigt. Auf der Weihnachtsfeier 2022 sammelte die Kollegin des ArbN Geld für ein Geschenk ein. Nachdem der ArbN nicht passend zahlen und die Kollegin nicht wechseln konnte, sagte er zu der Kollegin im Beisein anderer Kollegen: „Wir können sie ja auf den Kopf stellen und die Geldkarte durch den Schlitz ziehen.“ Die Kollegin beschwerte sich am gleichen Abend beim Geschäftsführer. Der ArbG kündigte vier Tage später fristlos.
Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgericht Elmshorn (26.4.23, 3 Ca 1501 e/22, Abruf-Nr. 235796) stellte klar, dass auch unerwünschte Bemerkungen sexuellen Inhalts eine sexuelle Belästigung und damit einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen können, wenn sie die Würdeverletzung der betreffenden Person bezwecken oder bewirken.
Gleiches gelte für Beleidigungen unter ArbN, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten. Das Verhalten des ArbN sei eine sexuelle Belästigung. Es sei schwerst beleidigend. Mit der Äußerung werde die Kollegin auf derbste Art und Weise zum Objekt sexueller Anspielung herabgewürdigt. Es handele sich nicht um eine bloße „Anzüglichkeit“, sondern um eine besonders krasse Form der Herabwürdigung. Die Äußerung könne nur frauenfeindlich bzw. sexistisch verstanden werden. Es entschuldige den ArbN nicht, dass er einen Scherz machen wollte. Eine Beleidigung und ein sexueller Übergriff würden nicht dadurch weniger intensiv, dass Kollegen darüber lachen. Auch auf eine unmittelbare Reaktion der Kollegin sei es nicht angekommen. Es sei nicht erforderlich, dass diese sich zeitlich unmittelbar getroffen zeige. Auch die Gesamtumstände der Weihnachtsfeier ändern nichts an der Bewertung. Selbst wenn dort Alkohol konsumiert worden sei und eine gelöste Stimmung geherrscht habe, mache dies die Äußerung des ArbN nicht weniger schlimm. Eine solche herabwürdigende, öffentliche Äußerung sei geeignet, das Ansehen der einzigen Kollegin unter den Kollegen und im Unternehmen unwiederbringlich zu schädigen.
Relevanz für die Praxis
Eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich gewesen. Das Fehlverhalten des ArbN wiege so schwer, dass eine Hinnahme durch die ArbG ausgeschlossen gewesen sei. Dies müsse dem ArbN auch erkennbar sein. Er habe sich weder entschuldigt noch Reue gezeigt. Der Fall geht weiter: Beim LAG Schleswig-Holstein wurde Berufung (6 Sa 71/23) eingelegt.
AUSGABE: AA 7/2023, S. 121 · ID: 49543535