Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Juli 2023 abgeschlossen.
MitbestimmungsrechtArbG kürzt Betriebsratsvorsitzendem Vergütung = Mitbestimmunsgpflichtig ja oder nein?
| Unabhängig von der individualrechtlichen Zulässigkeit einer Kürzung der Vergütung eines Betriebsratsvorsitzenden übt dieser keine Tätigkeit aus, die als Ein- oder Umgruppierung mitbestimmungspflichtig ist. |
Sachverhalt
Der ArbG unterhält einen Betrieb mit ca. 500 ArbN sowie 60 Auszubildenden. Für den Standort M. ist ein elfköpfiger Betriebsrat (BR) gebildet. Der BR-Vorsitzende ist langjährig beim ArbG beschäftigt. Er ist seit 1994 Mitglied des BR und seit 1998 aufgrund der BR-Tätigkeit von der beruflichen Tätigkeit freigestellt. Bis zur Freistellung war er als Schlosser tätig und wurde nach dem beim ArbG bestehenden Haustarifvertrag eingruppiert und vergütet. Seit 2002 ist er BR-Vorsitzender. Seit 2006 wurde er als außertariflicher Angestellter geführt und vergütet. Seit März 2011 wurde ihm ein Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit überlassen.
Im Juni 2022 kürzte der ArbG seine Vergütung und stellte ihm keinen Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit mehr zur Verfügung. Die Vergütung ist nach Auffassung des ArbG auf Grundlage der Vergütungsentwicklung derjenigen ArbN zu ermitteln, die mit dem BR-Vorsitzenden vor dessen Amtsantritt als BR vergleichbar gewesen und gemäß den Regelungen des Haustarifvertrags eingruppiert seien.
Der BR ist der Auffassung, dass es sich bei der Vergütungskürzung um eine Umgruppierung im Sinne des BetrVG handele. Mit dem Beschlussverfahren begehrt er daher die Verpflichtung des ArbG, die Zustimmung des BR zur Umgruppierung des BR-Vorsitzenden einzuholen und im Falle der Verweigerung der Zustimmung durch den BR das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Das Arbeitsgericht Mannheim wies den Antrag des BR (7.12.22, 2 BV 3/22) zurück.
Entscheidungsgründe
Auch das LAG Baden-Württemberg (26.5.23, 12 TaBV 1/23, Abruf-Nr. 235663) verneinte das Mitbestimmungsrecht des BR bei der Vergütungskürzung des BR-Vorsitzenden.
Dabei könne dahinstehen, ob der ArbG berechtigt gewesen sei, die Vergütung des BR-Vorsitzenden zu kürzen, und ob das Vergleichsentgelt zutreffend ermittelt worden sei. In dem Verfahren sei nur darüber zu befinden gewesen, ob dem BR ein Mitbestimmungsrecht zustehe. Das wurde verneint.
Der ArbG habe den BR zu Recht nicht beteiligt. Der BR-Vorsitzende übe aufgrund der Freistellung bereits keine Tätigkeiten aus, die in Anwendung einer einschlägigen kollektiven Vergütungsordnung im Sinne einer Eingruppierung bzw. Umgruppierung bewertet werden könne. Die Ermittlung des Vergleichsentgelts und die hierauf erfolgte Vergütungskürzung beruhen vielmehr auf einer bloßen Durchschnittsberechnung der von anderen ArbN bezogenen Vergütung.
Relevanz für die Praxis
Das LAG hat die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen. Es bleibt daher spannend. Grundsätzlich ist es so, dass ein Mitbestimmungsrecht des BR bei Entgeltkürzungen eine Ein- oder Umgruppierung voraussetzt.
Wichtig: Das vom BR eingeleitete Beschlussverfahren ist von der Klage des BR-Vorsitzenden zu unterscheiden, mit dem er sich gegen die vom ArbG vorgenommene Vergütungskürzung und den Entzug des Dienstwagens mit Privatnutzungsmöglichkeit wendet. Diese Klage wies das Arbeitsgericht Mannheim ab.
Der BR-Vorsitzende berief sich zur Begründung der Höhe seiner Vergütungsforderungen insbesondere darauf, dass ihm in den Jahren 2008 und 2009 angeblich verbindlich zwei Stabsstellen des ArbG angeboten worden seien. Diese habe er nur deshalb nicht angenommen, weil er sein BR-Amt nicht habe aufgeben wollen. Er ist deshalb der Auffassung, ihm stehe diejenige Vergütung zu, die er auf diesen Arbeitsplätzen bezogen hätte.
Das Arbeitsgericht Mannheim (13.4.23, 7 Ca 139/22) entschied, dass die derzeitige Vergütung des BR-Vorsitzenden nicht zu beanstanden sei. Er werde nicht aufgrund der ausgeübten BR-Tätigkeit bei der Bemessung seines Gehalts benachteiligt. Vielmehr stelle der ArbG mit der zuletzt an ihn gezahlten Vergütung einen gesetzmäßigen Zustand her.
Prüfungsmaßstab für die Ermittlung der Vergütungshöhe sei vorliegend allein die übliche Karriere der Mehrzahl der vergleichbaren ArbN. Denn es stehe schon nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass der BR-Vorsitzende die Stabsstellen überhaupt übertragen bekommen hätte. Hierzu hätte es der Zustimmung des Aufsichtsrats bedurft, die nicht vorgelegen habe. Die angebotenen Stabsstellen würden darüber hinaus auch eine unzulässige Begünstigung des BR-Vorsitzenden aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit darstellen, weil er die hierfür erforderlichen besonderen Kenntnisse und die Einblicke in die Unternehmensstruktur gerade aufgrund seiner Tätigkeit als BR erlangt habe. Schließlich hat der ArbG nach Ansicht der Kammer auch das Gehalt des BR-Vorsitzenden mittels einer betriebsüblichen Nachzeichnung („Vergleichsentgelt“) rechtlich zutreffend ermittelt.
Auch gegen diese Entscheidung legte der BR-Vorsitzende Berufung beim LAG Baden-Württemberg ein (19 Sa 34/23).
AUSGABE: AA 7/2023, S. 115 · ID: 49543499