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Grobe AmtspflichtverletzungWenn der ehrenamtliche Richter lacht und die Vorsitzende Richterin keinen Blickkontakt hält

Abo-Inhalt22.03.20233857 Min. Lesedauer

| Ein einmaliges Lachen eines ehrenamtlichen Richters ist keine grobe Pflichtverletzung. |

Sachverhalt

In dem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Berlin stritten die Parteien auf Erlass einer Beschäftigungsverfügung. Hierbei ging es um die Abgabe einer „Konfliktmineraliendeklaration“. Der Anwalt der Verfügungsbeklagten erläuterte zu Beginn der Verhandlung die Bedeutung, wobei er sich zur Verdeutlichung der Metapher der sogenannten „Rohstoffe wie Blutdiamanten“ bediente. Im weiteren Verlauf beanstandete er mehrfach, dass die Vorsitzende Richterin keinen Blickkontakt mit ihm im Dialog halte. Zum Ende der Verhandlung, lachte der ehrenamtliche Richter A laut über die Ausführungen. Der Anwalt empfand dieses Lachen als ein verletzendes, sich über andere aufschwingendes Lachen. Daraufhin stellte er einen Befangenheitsantrag, dem stattgegeben wurde. Er beschwerte sich weiter bei der Präsidentin des Arbeitsgerichts, worauf diese die Senatsverwaltung unterrichtete. Diese beantragte beim LAG Berlin-Brandenburg, den ehrenamtlichen Richter gemäß § 27 ArbGG seines Amtes zu entheben, weil er seine Amtspflichten grob verletzt habe.

Entscheidungsgründe

Das LAG Berlin-Brandenburg (28.12.22, 2 SHa-EhRi 7013/22, Abruf-Nr. 233303) entschied, dass hier keine grobe Amtspflichtverletzung vorliegt. Denn diese müsse in ihrem Ausmaß eine grobe sein. Daran fehle es. Der ehrenamtliche Richter habe zwar gelacht, und zwar sowohl im Zusammenhang mit dem Begriff der „Blutdiamanten“ als auch im Zusammenhang mit der Forderung des Anwalts, dass die Vorsitzende Richterin ihn anzusehen habe. Allerdings bleibe unwidersprochen und unstrittig, dass vor dem Befangenheitsantrag auch andere Verfahrensbeteiligte gelacht haben. Eine Beharrlichkeit der Pflichtverletzung des seit 2019 berufenen ehrenamtlichen Richters oder gar eine verfassungsfeindliche Gesinnung könne die Kammer nicht erkennen. Letztlich war die beschriebene Prozesssituation der Auslöser für das – pflichtwidrige – Lachen und keine Ablehnung in Form eines Auslachens der berechtigten Forderung nach Deklaration von Rohstoffen, die unter menschenunwürdigen Umständen wie etwa Kinderarbeit gewonnen werden.

Relevanz für die Praxis

Eine grobe Pflichtverletzung liegt vor, wenn es sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen eine Amtspflicht handelt, die es erforderlich macht, zur Wahrung des Ansehens der Rechtspflege den Richter seines Amtes zu entheben (z. B. durch die wiederholte Verletzung der Pflicht zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses oder einer beständigen Verweigerung der Eidesleistung). Dazu kann auch das ungebührliche Verhalten bei Sitzungen zählen. Grundsätzlich muss aber eine gewisse Beharrlichkeit der Pflichtverletzung vorliegen oder die Pflichtverletzung so gewichtig sein, dass ein weiteres Festhalten am Amt der Wahrung des Ansehens der Rechtspflege entgegensteht.

AUSGABE: AA 4/2023, S. 66 · ID: 49254394

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