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Betriebsübergang10 wichtige Fragen zur Weitergabe von Beschäftigtendaten beim Betriebsübergang

Abo-Inhalt24.03.20233865 Min. LesedauerVon Dr. Guido Mareck, stv. Direktor des Arbeitsgerichts Dortmund

| Ob, in welcher Form und unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten, insbesondere der Beschäftigten, übertragen werden können, ist mittlerweile ein wertbildender Faktor bei Unternehmenskäufen. Dieser bestimmt neben anderen wirtschaftlichen Faktoren den Kaufpreis. An den Arbeitsrechtler werden dabei viele Fragen herangetragen. Die 10 wichtigsten davon werden im folgenden Beitrag beantwortet. |

1. Bedeutung der Übertragbarkeit

Warum ist die Frage der Übertragbarkeit von Beschäftigtendaten der betroffenen ArbN beim Betriebsübergang für Veräußerer und Erwerber des Betriebs von Bedeutung?

Aus rechtlicher und tatsächlicher Sicht müssen die datenschutzrechtliche Zulässigkeit und die ordnungsgemäße Durchführung solcher Übertragungen im Rahmen einer sogenannten Due-Diligence-Prüfung gecheckt, den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) angepasst und das Verfahren sichergestellt werden, um böse Überraschungen mit den Beschäftigten, dem Betriebsrat und Aufsichtsbehörden zu vermeiden. Dabei gilt beim Betriebsübergang nach § 613a BGB, dass grundsätzlich der Veräußerer des Betriebs oder Betriebsteils sich in der Prüfungspflicht befindet, zu welchem Zeitpunkt jeweils die Weitergabe welcher Daten an den Erwerber datenschutzrechtlich erlaubt ist.

2. Zusammenhang zu Due Diligence usw.

Was bedeuten in diesem Zusammenhang die Begriffe Due Diligence, Asset Deal und Share Deal für Veräußerer und Erwerber?

Unter dem Begriff Due Diligence wird die Prüfung der Sorgfaltspflichten bei der Übertragung personenbezogener Beschäftigtendaten im Rahmen eines Betriebsübergangs verstanden. Diese sollte schon im Vorfeld des Betriebsübergangs, also vor Unterzeichnung der relevanten Verträge (sogenanntes signing), beginnen. Spätestens deutlich vor der Übertragung der Betriebsmittel als Einheit selbst (sogenanntes closing) muss diese Phase abgeschlossen sein. Hierbei beziehen sich die dargestellten Überlegungen auf den „echten“ Betriebsübergang, also die Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit auf einen neuen Inhaber kraft Rechtsgeschäfts, den Asset Deal. Bei einem Gesellschafterwechsel oder bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen einer juristischen Person, dem Share Deal, findet kein Identitätswechsel des Betriebsinhabers und damit auch kein Betriebsübergang nach § 613a BGB statt.

3. Vereinbarkeit mit der DSGVO

Welche personenbezogenen Beschäftigtendaten sind durch die DSGVO geschützt und bedürfen damit der Due-Diligence-Prüfung?

Personenbezogene Daten – und damit auch Beschäftigtendaten – sind nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO Informationen, die sich auf identifizierte oder identifizierbare natürliche Personen beziehen. Für Beschäftigte im Veräußererbetrieb sind dies vor allem Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse der ArbN wie Name, Familienstand, Ausbildungs- und Leistungsstand oder Erscheinungsbild und Sozialverhalten.

Praxistipp | Darüber hinaus gehören hierzu auch die besonderen Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 DSGVO wie Informationen über Religion, Gesundheit oder Gewerkschaftszugehörigkeit. Sachliche Verhältnisse von ArbN können alle Angaben über einen auf den oder die Betroffene/n beziehbaren Sachverhalt, also bereits die – wie auch immer geartete – Kommunikation mit Dritten sein.

Dabei ist die Übertragung anonymisierter Daten von Beschäftigten, die sich nicht ohne unverhältnismäßig hohen Rechercheaufwand bestimmten natürlichen Personen zuordnen lassen, datenschutzrechtlich im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung unbedenklich. Pseudonymisierte Daten sind hingegen nach Art. 4 Nr. 5 DSGVO als Unterfall der personenbezogenen Daten einzustufen. Dies bedeutet, dass nur dann eine nicht im Sinne der DSGVO rechtfertigungsbedürftige Übermittlung vorliegt, wenn der Empfänger nachweisbar die Zuordnungsparameter nicht kennt und damit ein Rückschluss auf bestimmte natürliche Personen ausgeschlossen ist. Das ist in der Praxis zumindest höchst problematisch sicherzustellen.

4. Zeitpunkt der Übermittlung

Wann dürfen beim Betriebsübergang personenbezogene Daten übermittelt werden?

Beim echten Betriebsübergang kraft Asset Deal ist die Zulässigkeit der Übermittlung in erster Linie an Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO zu messen. Dies bedeutet in der Praxis, dass die Datenübermittlung zur Wahrung berechtigter Interessen von Veräußerer und Erwerber unter Beachtung der schutzwürdigen Belange der betroffenen Beschäftigten erforderlich sein muss. Dem Erwerber dürfen daher nur solche Beschäftigtendaten übermittelt werden, ohne die die Transaktion, also der Betriebsübergang, nicht erfolgreich durchgeführt werden kann. Dies sind z. B.

Praxistipp | Als Faustregel kann hier gelten, dass der Erwerber in die Lage versetzt werden muss, zum Zeitpunkt des tatsächlichen Betriebsübergangs die Beschäftigungsverhältnisse selbstständig abzuwickeln und durchführen zu können. Zudem muss sichergestellt werden, dass der Übernehmer vom Erwerber die dazu notwendigen Beschäftigtendaten erhält. Dies schließt spätestens zu diesem Zeitpunkt auch die Weitergabe der Personalakten der betroffenen ArbN ein. Hierauf hat der Erwerber nach § 26 Abs. 1 und 3 BDSG einen Anspruch.

  • Daten über das Entgelt,
  • die Betriebszugehörigkeit und in den meisten Fällen auch
  • Familienstand und Lebensalter, steuer- und sozialversicherungsrechtliche Eckdaten.

Auch die in § 613a Abs. 5 BGB normierte gemeinsame Unterrichtungspflicht von Erwerber und Veräußerer gegenüber den vom Betriebsübergang Betroffenen gibt dem Erwerber einen Anspruch auf Austausch der hierzu notwendigen Informationen gegenüber dem Veräußerer. Bei Preisgabe von Daten zu Führungs- und Leistungsverhalten einzelner Beschäftigter ist die Rechtslage hingegen komplexer.

Zwar werden solche einzelnen nicht anonymisierten Daten möglicherweise bei bestimmten Mitarbeitern der Führungs- oder Expertenebene unabdingbar für einen erfolgreichen Unternehmensverkauf sein, aber eben in der Regel nur dort. Was statistische und sonstige Durchschnittswerte angeht, wird eine Übermittlung, was die überwiegende Zahl der Beschäftigten betrifft, allenfalls in (tatsächlich) anonymisierter Form für zulässig erachtet, obwohl aus nachvollziehbaren Gründen ein tatsächliches Interesse des Erwerbers an der Kenntnis solcher Daten besteht.

5. Wirkung einer Einwilligung

Hilft die Einwilligung der betroffenen Beschäftigten dem Veräußerer oder dem Erwerber weiter?

Die schlechte Nachricht aus Unternehmersicht vorab: Nicht wirklich! Zwar ist die Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO auch neben den berechtigten Interessen nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO gesetzlicher Erlaubnistatbestand für die Zulässigkeit der Datenverarbeitung und damit auch für die Übermittlung personenbezogener Beschäftigtendaten. An die wirksame Einwilligung der betroffenen ArbN werden aber hohe Anforderungen in Bezug auf die Aufklärung hinsichtlich des Zwecks und des Umfangs der Verarbeitung der betreffenden Daten und die Freiwilligkeit der Einwilligung selbst gestellt.

Die Information muss sich dabei auch bei einem Unternehmenskauf in bestimmter und konkreter Form auf den Verarbeitungszweck bestimmter Daten in einem konkreten Einzelfall beziehen, eindeutig sein und die Belehrung über das Recht des jederzeitigen einseitigen Widerrufs nach Art. 7 Abs. 3 DSGVO enthalten.

Überdies bestehen in vielen Fällen, gerade beim Betriebsübergang, im Hinblick auf das Abhängigkeitsverhältnis zwischen ArbG und ArbN und das wirtschaftliche und soziale Interesse am künftigen Erhalt des Arbeitsplatzes durchgreifende Bedenken an der Freiwilligkeit einer Einwilligung der Betroffenen an der Datenübermittlung.

6. Übermittlung der Beschäftigtendaten

Können überwiegende Rechte der Beschäftigten einer grundsätzlich zulässigen Übermittlung der Beschäftigtendaten an den Erwerber entgegenstehen?

Ist die Datenübermittlung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO nach den oben dargelegten Grundsätzen zulässig, stehen in der Regel überwiegende Rechte der Betroffenen der Datenverarbeitung durch den Erwerber im Rahmen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB nicht entgegen. Insbesondere gibt es kein anzuerkennendes Interesse der Betroffenen an der Verhinderung des Asset Deal, das schützenswert wäre. Ihre Rechte sind durch das KSchG und die in § 613a BGB enthaltenen Rechte bereits ausreichend geschützt. Zu denen gehört insbesondere auch das Recht, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber nach § 613a Abs. 6 BGB zu widersprechen. Daher ist in der Regel dem Unternehmensinteresse des Erwerbers an der Durchführung des Betriebsübergangs der Vorrang einzuräumen.

7. Rechte des Betriebsrats

Welche Rechte hat der Betriebsrat in Bezug auf die Übermittlung und Verarbeitung von Beschäftigtendaten beim Betriebsübergang?

Generell ist auch diese Form der Übermittlung von Beschäftigtendaten über die Generalklausel nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Überwachungskompetenz des Betriebsrats sowohl im Veräußerer- als auch im Erwerberbetrieb, falls dort entsprechende Gremien vorhanden sind, zuzuordnen. Damit hat der Betriebsrat die Möglichkeit, eine Datenübermittlung – auch im Rahmen von Betriebsübergängen –, die nicht mit den Vorgaben der DSGVO in Einklang steht, zu melden. Dies kann gegenüber dem ArbG oder der zuständigen Aufsichtsbehörde für den Datenschutz angezeigt werden.

Unabhängig von einer solchen Übermittlung von Daten hat der Betriebsrat bei der Durchführung eines Betriebsübergangs die sonstigen gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte. Allen voran genannt das Unterrichtungsrecht nach § 111 BetrVG, sowie das Recht auf Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan unter den Voraussetzungen der §§ 111, 112 und 112a BetrVG, wenn sich der Betriebsübergang als Betriebsänderung nach § 111 BetrVG herausstellt.

Praxistipp | Setzt der Erwerber (oder der Veräußerer) des Betriebs technische Einrichtungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein, die geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung von ArbN zu überwachen, erwächst dem Betriebsrat hieraus ein Mitbestimmungsrecht, das er auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Falle der Eilbedürftigkeit gegenüber dem ArbG durchsetzen kann.

Verfügungsanspruch wäre insofern der sich aus der Rechtsnatur der Mitbestimmungsrechte ergebende Unterlassungsanspruch zur Unterlassung mitbestimmungswidriger Maßnahmen gegenüber dem ArbG.

8. Besonderheiten bei der Übermittlung der Daten

Gibt es Besonderheiten bei der Übermittlung von Beschäftigtendaten beim Betriebsübergang mit Auslandsbezug?

Die Vorschriften der DSGVO und damit auch die Zulässigkeit jeder Verarbeitung personenbezogener Daten knüpft nach dem in Art. 3 Abs. 1 DSGVO verankerten Sitzprinzip an den Ort der Niederlassung der verantwortlichen Stelle an. Werden Daten also von einem Unternehmen in Deutschland mit einem ebenfalls im Inland oder innerhalb der EU ansässigem Unternehmen ausgetauscht, ist der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet.

9. Übermittlung in Drittländer

Was gilt bei Drittländern?

Problematisch ist die Übermittlung solcher Beschäftigtendaten im Rahmen eines Betriebsübergangs in sogenannte Drittländer nach Art. 44 DSGVO, also das Nicht-EU-Ausland. Auch hier soll gem. Art. 45 Abs. 1 DSGVO ein angemessenes, also mit der Schutzwirkung der DSGVO vergleichbares Schutzniveau gewährleistet werden. Dabei kann die Europäische Kommission für bestimmte Drittländer durch sogenannte Angemessenheitsbeschlüsse feststellen, dass für bestimmte Drittländer ein solches Niveau eingehalten ist. Im Falle der USA ist allerdings durch die sogenannte „Schrems II-Entscheidung“ des EuGH (16.7.20, C-311/18, „Schrems II“) die Wirksamkeit des sogenannten „Privacy Shield“-Beschlusses nachträglich verneint worden. Daher ist eine wirksame Übermittlung personenbezogener Daten in die USA als Drittland auf Grundlage von Standardvertragsklauseln zwischen den beteiligten Unternehmen möglich, sofern diese ein angemessenes Schutzniveau vorsehen. 2023 ist ein neues „Datenschutz-Abkommen“ zwischen den USA und der EU in Sicht. Das sog. Trans Atlantic Data Privacy Framework wird wohl in wenigen Monaten über einen sog. Adäquanz-Beschluss der EU-Kommission in Kraft treten und die Problematik von Drittlandsverarbeitungen vereinfachen.

10. Einbeziehung der Beschäftigtendaten

Wie sollten bei Verhandlungen über einen Betriebsübergang die Übertragung der personenbezogenen Beschäftigtendaten einbezogen werden?

Es ist empfehlenswert, im Rahmen der Verhandlungen bereits in der frühen Phase der Interessenbekundung eines potenziellen Erwerbers bei der Due-Diligence-Prüfung die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Datenübertragung einzubeziehen. Erwerber und Veräußerer sollten genau überlegen, wann welche Daten vom Erwerber benötigt werden, um die reibungslose Durchführung des Betriebsübergangs zu gewährleisten. Spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergangs muss der Erwerber dabei in der Lage sein, die auf ihn kraft Gesetzes übergegangenen Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen der betroffenen ArbN auszuüben. Darüber hinaus müssen solche Due-Diligence- und Vertraulichkeitsvereinbarungen zwischen den Beteiligten auch die Beteiligung etwaig vorhandener Betriebsräte und einen etwaigen Auslandsbezug (Drittland) falls erforderlich berücksichtigen.

AUSGABE: AA 4/2023, S. 67 · ID: 49254441

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