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CME-BeitragHypophosphatasie durch dentale Manifestationen erkennen
| Da sich Anzeichen der seltenen genetisch bedingten Stoffwechselstörung Hypophosphatasie auch in den Zähnen zeigen können, kommt Zahnmedizinern eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung zu. Denn je früher Betroffene behandelt werden, umso besser sind ihre Aussichten. |
Mineralisierungsstörung mit vielen Gesichtern
Menschen mit Hypophosphatasie haben einen Enzymmangel, weshalb sich Kalzium und Phosphat nicht verbinden können. Das führt zu einer gestörten Knochenmineralisierung und beeinträchtigt die Bildung und das Wachstum von Hydroxylapatit. Aktuell existiert für die Hypophosphatasie keine ursächlich wirksame Therapie. Betroffene Kinder leiden unter verbogenen oder gebrochenen Knochen, die nicht heilen. Erwachsene Patienten sind häufig auf den Rollstuhl angewiesen. Weil diese seltene Erkrankung durch viele Symptome in Erscheinung treten kann, ist eine korrekte Einordnung meist schwer und die Krankheit wird häufig spät erkannt. Mögliche Fehldiagnosen der Hypophosphatasie sind laut dem Hypophosphatasie Deutschland e.V. (hpp-ev.de): Osteoporose, Rachitis, Phosphatdiabetes, Arthrose, Arthritis, Osteogenesis imperfecta, Muskelschwund, Knochenkrebs, Fibromyalgie, Morbus Bechterew, Zöliakie und ähnliche Erkrankungen.
Man unterscheidet folgende Typen je Schwere/Alter des Auftretens:
- perinatal (Symptome bei Geburt, z. B. schwere Knochenhypomineralisation, Atemprobleme)Am häufigsten ist der Odontotyp
- pränatal, benigne (z. B. Knochenverformungen)
- infantil (Symptome wie Gedeihstörung, Schädelverformung < 6 Lebensmonaten)
- juvenil (0,5-18 Jahre, z. B. Knochenschmerzen, früher Milchzahnverlust)
- adult (z. B. Parodontitis, Frakturen)
- Odontotyp (jedes Alter, z. B. frühe Milchzahnexfoliation, Parodontitis).
Die ersten beiden Typen haben den höchsten Schweregrad mit einer Prävalenz von 1:300.000 in Europa, 1:100.000 in Nordamerika und 1:150.000 in Japan; am häufigsten ist der Odontotyp.
Milchzahnverlust ab 1. Lebensjahr
Beim am weitesten verbreiteten Odontotyp sind Zahnärzte in der Früherkennung gefragt. Achtung ist geboten, wenn Kinder bereits im Alter von ein bis vier Jahren Milchzähne (meist die untere Front zuerst) verlieren. Dabei befindet sich die Zahnwurzel häufig noch in der Ausbildung oder zeigt bei vollständiger Entwicklung keine Resorptionszeichen. Ursächlich scheint eine gestörte Zementbildung zu sein, die in der Front zu frühem Verlust und im Seitenzahnbereich zu einer Ankylose führen kann. Die okklusale Kraft schädigt nach und nach das schwache Parodontalgewebe und beeinträchtigt dann die Wurzeladhäsion am Alveolarknochen. Bei Frontzähnen fördert die stärkere laterale Okklusionskraft den Zahnverlust, im Seitenzahnbereich wirkt die okklusale Kraft vertikal, was eine Ankylose fördert. Darüber hinaus zeigt sich die seltene Erkrankung auch durch Parodontitis im Milchgebiss, die mit ungewöhnlich tiefen Taschen (≥ 3 mm) einhergehen kann. Weitere Befunde können sein: früher Verlust bleibender Zähne, Schmelz- und Dentinhypoplasien, geringe Dentinstärke, breite Pulpakammern, dünne/kurze Wurzeln und Karies. [1]
Behandlung kann lebensrettend sein
Eine Enzymersatztherapie kann in vielen Fällen die Lebensqualität Betroffener und die Überlebensrate von Kleinkindern verbessern, die in der Vergangenheit eine besonders hohe Sterberate aufwiesen: So starben 73 Prozent der Säuglinge, die in den ersten sechs Lebensmonaten erste schwere Hypophosphatasie-Symptome zeigten [1, 2].
Auch eine Verbesserung der Mineralisierung der Zähne konnte belegt werden, was zur Stabilisierung des Parodontalgewebes und zum Wachstum der Zahnwurzeln beiträgt. In Fällen früher Exfoliation von Milchzähnen ist zudem ein Ersatz durch Teilprothesen sinnvoll, um die Funktion zu erhalten und abnormen Schluckmustern und Zahnfehlstellungen vorzubeugen. [1]
Merke | Weil eine rasche Behandlung die Prognose Betroffener deutlich verbessern kann, ist bei einem frühen Verlust der Milchzähne eine Abklärung mittels laborchemischer Analysen und ein Gentest unbedingt angeraten. |
- [1] Okawa R, Nakano K. Dental manifestation and management of hypophosphatasia. Jpn Dent Sci Rev 2022, 58:208-216, doi.org/10.1016/j.jdsr.2022.06.002.
- [2] Whyte MP, Leung E, Wilcox W et al. Hypophosphatasia: a retrospective natural history study of the severe perinatal and infantile forms. Poster presented at: 2014 Pediatric Academic Societies and Asian Society for Pediatric Research Joint Meeting; May 3-6, 2014; Vancouver, BC; online unter https://voge.ly/vglbpMV/.
- Informationen zum Krankheitsbild hält das „Netzwerk Hypophosphatasie Deutschland“ der Uni Würzburg online bereit: med.uni-wuerzburg.de/hypophosphatasie/startseite.
AUSGABE: ZR 3/2023, S. 17 · ID: 49052307