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ZRZahnmedizinReport

CME-BeitragMIH: Ursachenforschung über Langzeitstudien

Abo-Inhalt27.02.20232522 Min. Lesedauer

| Die typischen Defekte einer MIH (Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation) zeigen sich bei 10 bis 30 Prozent der Kinder [1]. Obwohl Zahnmediziner die Diagnose mittlerweile klarstellen können, sind die Ursachen der Erkrankung noch unscharf. Um die Ameloblastenschädigung zu verstehen, und den Kindern und Familien präventiv helfen zu können, sind prospektive Kohortenstudien über mehrere Jahre notwendig. Münchner Wissenschaftler [2] stellen erste Ergebnisse solcher Studien vor. |

Zeitverzug zwischen Schädigung und Diagnose erschwert Ursachenforschung

Diagnostiziert die Zahnärztin oder der Zahnarzt eine MIH, lag die Schädigung der Ameloblasten schon Jahre zurück. Zu ihrer Eindämmung ist die Ursachenforschung daher besonders wichtig. Bisher sind sich Fachgremien einig darüber, dass das Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren die Ameloblasten beim heranwachsenden Kind schädigt. Dazu gehören:

  • perinataler Sauerstoffmangel
  • Kalziummangel
  • frühe Erkrankungen der Kinder und deren Medikation
  • genetische und epigenetische Ursachen

Leider birgt der lange Zeitverzug zwischen Initiation der Zellschädigung und Diagnosestellung Hindernisse für die Forschung. Studien, die mögliche Daten liefern, müssen prospektiv longitudinal angelegt sein und möglichst viele Kinder mit einbeziehen.

Die Prävalenz der MIH liegt vielleicht deutlich höher

Die Münchner Wissenschaftler [2] stellten die Ergebnisse ihrer Kohortenstudien GINIplus und LISA vor sowie interessante Aspekte aus ähnlichen Studien. Bei den Kohorten aus München untersuchten Zahnmediziner nach 10 Jahren – zu Beginn der Wechselgebissphase – 1.158 Kinder und nach 15 Jahren die bleibende Dentition von 1.302 Kindern. Bei 13,6 Prozent der Zehnjährigen und bei 17,2 Prozent der 15-Jährigen fanden die Forscher MIH-typische Defekte. International ist die Prävalenz bei zehn bis 30 Prozent angelegt. Die Münchner Forscher würden eine Diagnosestellung unabhängig von Indexzähnen, entgegen den Richtlinien der European Academy of Paediatric Dentistry (EAPD), befürworten. Demnach ergab sich bei ihnen nach zehn Jahren eine Prävalenz von 31,6 Prozent und nach 15 Jahren von 40,2 Prozent. Diese Ergebnisse seien ähnlich wie die in der fünften deutschen Gesundheitsstudie mit 28,7 Prozent.

Kreidezähne und deren Behandlungsbedürftigkeit

Das gleichzeitige Vorliegen von Hypomineralisationen im Milchgebiss und eine spätere MIH fanden die Forscher nur bei 14 Prozent. Demnach seien Kreidezähne im Milchgebiss keine Prädiktoren für die MIH. Einen restaurativen Bedarf fanden die Untersucher bei 3,5 Prozent der Zehnjährigen. Obwohl in der Gesamtzahl wenige Kinder eine zahnmedizinische Versorgung benötigten, stellten gerade diese Kinder die Zahnmediziner vor besondere Herausforderungen. Die kleinen Patienten seien oft weniger kooperativ, da sie Hypersensitivitäten und eine verstärkte Zahnarztangst zeigten.

Atemwegserkrankungen der Kleinen in München signifikant assoziiert

Kinderkrankheiten als Ursache für eine MIH sind bereits als wichtige Auslöser bekannt. Bei den Münchner Kohorten zeigte sich, dass Kinder, die in den ersten vier Lebensjahren an einer respiratorischen Erkrankung litten, ein signifikant höheres Risiko für eine MIH hatten. Zu den respiratorischen Erkrankungen zählten die Autoren eine Pneumonie, Asthma bronchiale, Bronchitis und Pseudokrupp. Ob die entsprechende Medikation der Atemwegserkrankungen Einfluss nahm, konnten die Forscher wegen fehlender Daten nicht analysieren. In vorherigen Studien fanden Wissenschaftler jedoch einen signifikanten Zusammenhang nach einer systemischen Antibiotikaeinnahme bei betroffenen Kindern.

In ihren eigenen Münchner Kohorten gab es keine Assoziation zwischen dem Stillen von Babys und einer MIH. Vorherige Veröffentlichungen hatten hier eine Schädigung der Ameloblasten durch Umwelteinflüsse aus der Muttermilch vermutet. Eine ebenfalls aktuelle Studie aus Kopenhagen zeigte einen starken präventiven Faktor für Zahnschmelzdefekte, wenn Schwangere im letzten Trimester hochdosiert Vitamin D erhielten.

Das Wichtigste in Kürze

Die Ursachenforschung hat bei MIH eine hohe Bedeutung, da aufgrund der multifaktoriellen Ätiologie eine wirksame Prävention bisher nicht umsetzbar ist. Wissenschaftler befürworten eine Diagnosestellung unabhängig von Indexzähnen und fanden dadurch in ihren Kohorten eine Prävalenz der MIH von 30 bis 40 Prozent [2]. Sie belegten außerdem, dass Kinder, die in den ersten vier Lebensjahren eine Atemwegserkrankung durchmachten, signifikant häufiger eine MIH entwickelten. Zahnärzte und Kinderärzte sollten daher eng zusammenarbeiten, Kinderärzte sollten ihrerseits Kreidezähne bei ihren kleinen Patienten früh diagnostizieren können.

Quellen
  • [1] Kühnisch J, Heitmüller D, Thiering E, Brockow I, Hoffmann U, Neumann C, Heinrich-Weltzien R, Bauer CP, von Berg A, Koletzko S, Garcia-Godoy F, Hickel R, Heinrich J. Proportion and extent of manifestation of molar-incisor-hypomineralizations according to different phenotypes. J Public Health Dent. 2014 Winter;74(1):42-9. doi.org/10.1111/j.1752-7325.2012.00365.x.
  • [2] Kühnisch J, Standl M, Hickel R, Heinrich J. Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH). Häufigkeit und mögliche Ursachen unter besonderer Berücksichtigung der Ergebnisse aus den Münchner Geburtskohorten GINIplus und LISA. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2021; 64: 924–930. doi.org/10.1007/s00103-021-03366-1.

AUSGABE: ZR 3/2023, S. 10 · ID: 49046655

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