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ZRZahnmedizinReport

CME-BeitragErbliche Zahnfehlbildungen und ihre Therapiemöglichkeiten

Abo-Inhalt07.03.20232525 Min. Lesedauer

| Neben der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) gibt es noch hereditäre Strukturanomalien, deren Therapie eine Herausforderung ist. Der folgende Beitrag fokussiert auf die Amelogenesis und Dentinogenesis imperfecta, deren Erscheinungsformen und Therapiemöglichkeiten kurz umrissen werden. |

Amelogenesis imperfecta: hereditäre Schmelzbildungsstörung in vier Typen

Die Amelogenesis imperfecta (AI) ist als Unterbrechung der Schmelzbildung aufgrund genetischer Vererbung definiert [1]. Sie stellt sich nach der Klassifikation von Witkop (1989) in vier Typen dar [2]:

  • Typ I, Hypoplasie: häufigster Phänotyp, Störung während der Bildung der organischen Matrix, geringere Schmelzdicke, raue Oberfläche
  • Typ II, Hypomaturation: gesprenkelter, weicherer Zahnschmelz, Störung erfolgt in der Phase der Schmelzreifung, hoher Anteil organischer Substanz verbleibt im Schmelz
  • Typ III, Hypokalzifikation: initiale Mineralisation des Schmelzes ist gestört, er nutzt sich schnell ab
  • Typ IV, Mischtyp aus Hypoplasie und Hypomaturation

Interventionsmöglichkeiten zu verschiedenen Zeitpunkten

Für die Behandlung der Amelogenesis imperfecta stehen im Milchgebiss Kompomere sowie Strip- und Stahlkronen zur Verfügung. Es gilt dabei, die

  • Hypersensibilitäten zu reduzieren,
  • die Bisshöhe zu erhalten und
  • die Ästhetik zu harmonisieren [1].

Auch im Wechselgebiss sollten die Hypersensibilitäten weiterhin reduziert und Karies vermieden werden. Eine vorausschauende Füllungstherapie mit direkten oder indirekten Kompositrestaurationen hat in dieser Phase meist temporären Charakter. Neben Kompositen kommt das ganze Spektrum zahnärztlicher Werkstoffe in Betracht: konventionelle/kunststoffbasierte Glasionomerzemente, Kompomere, Stripkronen, konfektionierte Metall- oder zahnfarbene Kronen. Dazu kommt oft Kieferorthopädie [1].

Im bleibenden Gebiss schließlich sollten Zahnärztinnen und Zahnärzte versuchen, mit direkten oder indirekten Restaurationen möglichst langlebig zu rehabilitieren. Dabei gilt es, unbedingt sogenannte „Re-Dentistry“, also das häufige Erneuern von Restaurationen, zu vermeiden. Des Weiteren soll die Ästhetik so gut wie möglich wiederhergestellt und weiterhin vorhandene Hypersensibilitäten beseitigt werden.

Dentinogenesis imperfecta: mineralischer Anteil im Dentin reduziert

Die Dentinogenesis imperfecta (DI) ist ein erblicher Defekt, der sich durch opaleszierende Zahnkronen auszeichnet. Durch eine meist dünnere Schmelzschicht schimmert bernsteinfarbenes, opakes Dentin. Die Erkrankung liegt in zwei Typen vor:

  • Typ I ist assoziiert mit einer Osteogenesis imperfecta.
  • Bei Typ II zeigen die Zähne die gleichen klinischen, radiologischen und histologischen Befunde wie DI Typ I, eine Assoziation mit Osteogenesis imperfecta liegt aber nicht vor.

Diagnostik

Der Schmelz ist normal mineralisiert und strukturiert. Im Dentin ist allerdings ca. 60 Prozent mehr Wasser als normalerweise eingelagert. Zudem ist der Mineralgehalt des Dentins geringer, nämlich 25,5 Volumenprozent gegenüber 40 Volumenprozent bei gesundem Dentin [3]. Dies führt zu einer geringeren Dentinhärte. Dadurch ergeben sich Probleme für adhäsiv verankerte Restaurationen. An der Schmelz-Dentin-Grenze befinden sich nach Gallusi et al. Spalten und Hohlräume. Die Verbindung vom Zahnschmelz an das Dentin ist schwach, was zu schneller Abrasion und Attrition führt. Bei Anwendung der Adhäsivtechnik war in derselben Studie keine Hybridschicht erkennbar [4]. Röntgenologisch sind nach dem Zahndurchbruch vollständig obliterierte Pulpenkaven erkennbar.

Therapie

Die Therapie der Dentinogenesis imperfecta erfordert oft einen multidisziplinären Ansatz, der restaurative, prothetische und kieferorthopädische Behandlungen umfasst [5]. Aufgrund der verstärkten Plaquebildung auf den rauen Zahnoberflächen ist eine penible Mundhygiene und das regelmäßige Auftragen von Fluoridlacken angezeigt. Eine Inlay-Versorgung ist aufgrund der intrakoronalen Verankerung nicht indiziert, stattdessen sollte auf Einzelzahnkronen zurückgegriffen werden. Schwere Krankheitsbilder erfordern meist Extraktionen und umfangreichere prothetische Versorgungen.

Quellen
  • [1] Möhn M, Bulski JC, Krämer N, Rahman A, Schulz-Weidner N. Management of amelogenesis imperfecta in childhood: two case reports. Int J Environ Res Public Health. 2021 Jul 5;18(13):7204. doi.org/10.3390/ijerph18137204.
  • [2] Witkop CJ Jr. Amelogenesis imperfecta, dentinogenesis imperfecta and dentin dysplasia revisited: problems in classification. J Oral Pathol. 1988 Nov;17(9-10):547–53. doi.org/10.1111/j.1600-0714.1988.tb01332.x.
  • [3] Kinney JH, Pople JA, Driessen CH, Breunig TM, Marshall GW, Marshall SJ. Intrafibrillar mineral may be absent in dentinogenesis imperfecta type II (DI-II). Journal of Dental Research. 2001;80(6):1555–1559. doi.org/10.1177/00220345010800061501.
  • [4] Gallusi G, Libonati A, Campanella V. SEM-morphology in dentinogenesis imperfecta type II: microscopic anatomy and efficacy of a dentine bonding system. Eur J Paediatr Dent. 2006 Mar;7(1):9–17. iww.de/s7577
  • [5] Kaur A, Kumar S, Karda B, Chibh R. Management of dentinogenesis imperfecta: A report of two cases. Int J Clin Pediatr Dent. 2019 Sep-Oct;12(5):464–466. doi.org/10.5005/jp-journals-10005-1681.

AUSGABE: ZR 3/2023, S. 3 · ID: 49046714

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