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HaftungsrechtMehrbehandlerpraxis: Wer haftet wie bei Fehlern?
| In größeren Zahnarztpraxen, insbesondere Berufsausübungsgemeinschaften (BAG), Praxisgemeinschaften (PG) oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) ist die Behandlung eines Patienten durch mehrere Zahnärzte die Regel, nicht die Ausnahme. Doch was geschieht, wenn Patienten Behandlungsfehler vorwerfen? Welcher Zahnarzt haftet, und – die viel relevantere Frage – haftet auch der Praxisinhaber oder die Gemeinschaft insgesamt? Der Beitrag beleuchtet die haftungsrechtlichen Grundlagen für die Konstellation der Mehrbehandlerpraxis aus zivilrechtlicher Sicht. |
Grundlegendes zur Haftung
Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist (§ 630a Abs. 2 BGB). Zahnärzte sind danach verpflichtet, ihre Leistungen nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst zu erbringen. Das sind die allgemein im Berufsstand anerkannten Grundsätze der zahnmedizinischen Wissenschaft und die Verwendung geeigneter Geräte und Materialien. Die zahnärztliche Haftung, also Abweichungen vom oder Verstöße gegen den Standard, richtet sich primär nach dem Zivilrecht. Niedergelassene Zahnärzte, die in ihrer Praxis ambulant tätig sind, können wegen Behandlungsfehlern, Aufklärungsversäumnissen oder Organisationsmängeln aus Vertrag (Schlechterfüllung des Behandlungsvertrags, § 280 BGB) und aus Delikt (schuldhafte Pflichtverletzung, § 823 Abs. 1 BGB) haften. Der Behandlungsvertrag wird dabei regelmäßig zwischen dem Patienten und dem behandelnden Zahnarzt oder der Gesellschaft, in der die Praxis geführt wird, geschlossen.
Haftung bei mehreren behandelnden Zahnärzten
Grundsätzlich ist jeder behandelnde Zahnarzt für die von ihm durchgeführten Maßnahmen eigenverantwortlich. Das gilt für Diagnose, Aufklärung und Therapie, soweit diese dem jeweiligen Zahnarzt im Rahmen seines Behandlungsanteils obliegt. Bei arbeitsteiligen Behandlungen haften die Beteiligten jeweils für ihren eigenen Verantwortungsbereich. Ein Mitverschulden kann einem vor-, mit- oder nachbehandelnden Zahnarzt lediglich dann angelastet werden, wenn er konkrete Anhaltspunkte für Versäumnisse hat. Dann ist er zur Überprüfung und ggf. zum Eingreifen verpflichtet.
Anders ist die Haftung in einer BAG (GbR) zu beurteilen. Die Gesellschafter einer BAG haften im Rahmen der gemeinschaftlichen Berufsausübung grundsätzlich gesamtschuldnerisch, auch wenn die Behandlung nur von einem Zahnarzt durchgeführt wird bzw. nur ein Gesellschafter eine Pflichtverletzung begangen hat. Die nicht mit der Behandlung befassten Gesellschafter können ungeachtet dessen persönlich in Anspruch genommen werden. Haftungsbeschränkungen auf den handelnden Gesellschafter sind gegenüber Patienten unwirksam.
Im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft (PartG) ist (ausnahmsweise) die persönliche Haftung auf denjenigen Partner beschränkt, der die Pflichtverletzung begangen hat. Unabhängig davon bleibt die vertragliche Haftung der Partnerschaft als Personengesellschaft.
Bei einem MVZ in Form einer GmbH haftet zunächst die juristische Person – also die GmbH – für Pflichtverletzungen ihrer angestellten Zahnärzte. Denn der Behandlungsvertrag kommt mit dem MVZ als Kapitalgesellschaft zustande. Daneben kann auch der handelnde Zahnarzt deliktisch haften, sofern ein persönliches Fehlverhalten vorliegt.
Üben mehrere Zahnärzte ihren Beruf nicht gemeinschaftlich, sondern unabhängig und parallel unter gemeinsamer Nutzung von Räumlichkeiten, Personal und Geräten in einer PG aus, so besteht eine vertragliche Beziehung des Patienten nur zu demjenigen Zahnarzt, mit dem er einen Behandlungsvertrag geschlossen hat. In einer PG haften Zahnärzte daher weder vertraglich noch deliktisch für Fehler des behandelnden Zahnarztes bzw. der anderen Mitglieder der PG. Bei Urlaubsvertretungen bleibt es zwar bei der vertraglichen Haftung des vertretenen Praxisinhabers, der Vertreter kann jedoch wieder für eigene Fehler haften.
Merke | Bei Praxisgemeinschaften muss der Außenauftritt auf eine klare Trennung der Organisation hinweisen. Treten die Zahnärzte – wie häufig im Berufsalltag anzutreffen – nach außen z. B. mit gemeinsamem Praxisschild, Briefbogen, Stempel und gemeinsamer Website auf, spricht der Rechtsschein gegen eine PG und können Patienten von einer Gemeinschaftspraxis (GP) bzw. BAG ausgehen. Die sog. Rechtsscheinhaftung kann auch nicht durch individuelle Vereinbarungen im Innenverhältnis zwischen den Mitgliedern der PG ausgeschlossen werden. |
Abschluss einer Haftpflichtversicherung
Nach § 4 S. 1 MBO-Z sind Zahnärzte berufsrechtlich verpflichtet, sich gegen Fehler im Rahmen der Berufsausübung bzw. Haftpflichtansprüche aus ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Eine entsprechende Verpflichtung ist auch in den (Heilberufe-)Kammergesetzen verankert. Wird die Leistungserbringung zulässigerweise an angestellte Zahnärzte oder qualifiziertes Praxispersonal delegiert, ist der Praxisinhaber verpflichtet, den Umfang der Haftpflicht zur ausreichenden Deckung entsprechend zu erweitern. Da angestellte Zahnärzte deliktisch persönlich haften, umfasst die Police des Praxisinhabers generell nicht ihre Absicherung. Für manche Gesellschaftsformen ergeben sich aus den jeweiligen Länderregelungen weitergehende Vorgaben. Zudem besteht nach § 95e Abs. 1 S. 1 SGB V für Vertragszahnärzte die Verpflichtung, Schadensersatzansprüche aus Fehlern finanziell abzusichern. Die in § 95e Abs. 2 S. 1 SGB V festgelegte Summe von 3 Mio. Euro für Personen- und Sachschäden pro Versicherungsfall reflektiert die marktübliche Mindestversicherungssumme. Für MVZ, Vertragszahnärzte und BAGen mit angestellten Zahnärzten gilt nach Abs. 5 S. 3 eine abweichende Mindestversicherungssumme von 5 Mio. Euro.
AUSGABE: ZP 8/2025, S. 13 · ID: 50483484