Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Nov. 2022 abgeschlossen.
SonderzahlungenUnter diesen Voraussetzungen ist Weihnachtsgeld verpflichtend zu zahlen
| Als Arbeitgeber müssen Sie Weihnachtsgeld nicht grundsätzlich zahlen, sondern nur dann, wenn Sie sich dazu im Arbeitsvertrag ausdrücklich verpflichtet haben. Ausnahmsweise kann der Mitarbeiter jedoch einen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld haben, sofern Ihr vorheriges Verhalten bei dem Mitarbeiter einen berechtigen Vertrauenstatbestand begründet hat. Das LAG Baden-Württemberg hat aktuell einen Weihnachtsgeld-Fall entschieden. VVP stellt Ihnen diesen vor und erläutert, worauf Sie beim Weihnachtsgeld achten müssen. |
Streit um die Zahlung von Weihnachtsgeld
Im Urteilsfall war der Arbeitnehmer seit 2003 in einem Betrieb beschäftigt, der sieben Arbeitnehmer hat. Der Betrieb hat ihm seit Beginn seiner Beschäftigung im Jahr 2003 jeweils mit dem Lohnlauf November des laufenden Kalenderjahres ein Weihnachtsgeld ohne weitere Erklärungen gezahlt, zuletzt 2017, da aber mit dem Vermerk in der Lohnabrechnung „freiw.“
Seit dem 18.12.2017 ist der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Er verlangt die Zahlung von Weihnachtsgeld für die Jahre 2018, 2019 und 2020.
LAG: Kein Weihnachtsgeld für die Jahre 2018, 2019 und 2020
Das LAG hat seine Klage abgewiesen. Dem Mitarbeiter steht wegen seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit kein Weihnachtsgeld für die Jahre 2018, 2019 und 2020 zu (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2022, Az. 11 Sa 46/21, Abruf-Nr. 229514). Das LAG hat dabei auf die vom BAG, entwickelten Grundsätze zum Weihnachtsgeld zurückgegriffen (BAG, Urteil vom 14.09.2011, Az. 10 AZR 526/10, Abruf-Nr. 120430).
Schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers
Der Betrieb hat seit Beginn des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2003 jeweils mit dem Abrechnungsmonat November an den Mitarbeiter Weihnachtsgeld gezahlt. Das genügt, um ein schutzwürdiges Vertrauen des Mitarbeiters zu begründen, die Zahlungen auch künftig zu erhalten. Die seit dem Jahr 2017 in die Lohnabrechnungen aufgenommenen Vermerke „freiw.“ stehen dem grundsätzlichen Anspruch nicht entgegen, so das LAG.
Dauerhafte Arbeitsunfähigkeit
Allerdings wirkt sich nach Ansicht des LAG die durchgehende Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters auf den Anspruch auf Weihnachtsgeld aus. Denn sofern der Arbeitgeber – wie hier – keine weiteren Angaben gemacht hat, worauf sich die Leistung beziehen soll (z. B. Betriebstreue, Freundlichkeitsprämie oder Ähnliches), muss man davon ausgehen, dass die Zahlung eine Leistung ist, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis steht. Das führt dazu, dass Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters nicht berücksichtigt werden können. Folglich kann der Mitarbeiter auch kein Weihnachtsgeld beanspruchen.
Handlungsmöglichkeiten und Praxistipps
Aus all dem leiten sich für Sie als Arbeitgeber folgende Handlungsmöglichkeiten für die Praxis ab.
1. Keine Zahlungen ohne Angaben
Zahlungen ohne Angaben sind immer schwierig und ermöglichen die Auslegung des Verhaltens. Für Sie empfiehlt sich daher also stets, Zahlungen zweckgebunden vorzunehmen; und zwar, selbst wenn dies bedeutet, dass nur ein Stichwort fällt. Dadurch könnte im Zweifelsfall auch Ihr Wille berücksichtigt werden. Denn kommt es zur Auslegung, ist der Empfängerhorizont maßgeblich.
2. Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt
Die Auszahlung von Weihnachtsgeld bzw. generell von Sondervergütungen sollte stets genau rechtlich ausgestaltet sein. Üblich ist es, die Zahlung mit einem Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt zu versehen. Dadurch kann eine ungewollte Zahlungsverpflichtung für die Zukunft verhindert werden.
Verweigert man die Zahlung eines Weihnachtsgelds, sollte man jedoch immer noch einmal prüfen, ob sich ein entsprechender Anspruch nicht möglicherweise aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen ergibt.
3. Möglichkeiten, sich von betrieblicher Übung zu lösen
Der Anspruch auf Weihnachtsgeld, der sich aus einer betrieblichen Übung ergibt, ist nicht mehr einseitig durch Sie abänderbar. Sie können sich also nur durch Vereinbarung – entweder individualrechtlich oder als Betriebsvereinbarung – oder per Änderungskündigung von Ihrer Verpflichtung lösen.
Insbesondere die individualrechtliche Änderungsvereinbarung ist äußert unpraktikabel, da mit jedem Mitarbeiter eine gesonderte Vereinbarung über die Ablösung der betrieblichen Übung geschlossen werden muss. So müssen andere Anreize anstelle des Weihnachtsgelds geschaffen werden, um jeden einzelnen Mitarbeiter für eine entsprechende Zustimmung zu motivieren. Stattdessen sollten Sie mit Freiwilligkeitsvorbehalten arbeiten oder sich die Möglichkeit des Widerrufs vorbehalten.
Zahlungsmodalitäten sauber ausgestalten Fazit | Das Thema Weihnachtsgeld und Gratifikationen ist ein ständiges Thema des Arbeitsrechts und so auch stets vor den Fachgerichten zu finden. Eine klare Ausgestaltung der Zahlungsmodalitäten kann insofern lohnend sein, als man sich gerichtliche Streitigkeiten von vornherein erspart. Durch solch einfache Möglichkeiten wie einem Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt lassen sich weitreichende Zahlungsverpflichtungen für die Zukunft vermeiden und ein klares Verhältnis zum Mitarbeiter schaffen. |
AUSGABE: VVP 11/2022, S. 25 · ID: 48668573