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AltersversorgungEntgeltumwandlung nach PfÜB-Zustellung rechtens – Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen

Abo-Inhalt24.10.20229138 Min. LesedauerVon Dr. Claudia Veh, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München

| In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass der Gläubiger eines Arbeitnehmers bei dessen Arbeitgeber als Drittschuldner einen sog. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (kurz PfÜB) erwirkt. Dann stellt sich häufig die Frage, ob eine Entgeltumwandlung noch zulässig ist und die pfändbaren Beträge reduziert, wenn der Gläubiger bereits einen PfÜB erwirkt hat. Das BAG hat einen solchen Fall jetzt entschieden. |

Entgeltumwandlungsvereinbarung nach Pfändung

Ein Mann hatte gegen seine geschiedene Ehefrau einen Beschluss auf Pfändung des gegenwärtigen und künftigen Arbeitseinkommens in Höhe von 22.679,60 Euro erwirkt. Die Forderung resultierte aus einer bei der Scheidung vereinbarten Aufteilung von Schulden aus einem Baudarlehen. Der Beschluss wurde dem Arbeitgeber im November 2015 zugestellt.

Im Mai 2016 schloss die Arbeitnehmerin mit ihrem Arbeitgeber eine Entgeltumwandlungsvereinbarung. Von ihrem Bruttoeinkommen sollten künftig monatlich 248 Euro (vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2016) als Beitrag in eine Direktversicherung eingezahlt werden. Die Höhe der Entgeltumwandlung entsprach damit genau dem Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung gem. § 1a BetrAVG.

Arbeitgeber reduziert pfändbare Beträge

Der Arbeitgeber minderte das pfändbare Arbeitseinkommen durch die Entgeltumwandlung. Infolgedessen fielen die pfändbaren Beträge, die der Arbeitgeber im Zuge der Pfändung an den Ehemann auszuzahlen hatte, geringer aus, als es ohne die Entgeltumwandlung der Fall wäre.

Mann hält Reduktion des Arbeitseinkommens für sittenwidrig

Der Mann war damit nicht einverstanden und verklagte den Arbeitgeber. Er meinte, die umgewandelten Beträge wären zum pfändbaren Einkommen dazu zu rechnen, sodass die monatlichen Zahlungen an ihn um 248 Euro höher ausfallen müssten. Die Entgeltumwandlung sei sittenwidrig und eine unlautere Manipulation zur Reduktion des Arbeitseinkommens seiner geschiedenen Ehefrau, um ihn als Gläubiger zu benachteiligen. Denn seine geschiedene Ehefrau habe bislang keine Altersversorgung betrieben; zudem erschien ihm die Höhe der Entgeltumwandlung in Höhe von 248 Euro monatlich bei einem Bruttoeinkommen in Höhe von 3.020 Euro monatlich als unüblich.

BAG: Entgeltumwandlung nach Zustellung des PfÜB zulässig

Der Arbeitgeber konnte sich beim BAG durchsetzen (BAG, Urteil vom 14.10.2021, Az. 8 AZR 96/20, Abruf-Nr. 226729).

Die monatlich vom Arbeitgeber aufgrund der mit der Arbeitnehmerin vereinbarten Entgeltumwandlung zu zahlende Versicherungsprämie in die Direktversicherung gehört nicht zum pfändbaren Einkommen nach § 850 Abs. 2 ZPO. Eine Entgeltumwandlung im Rahmen von § 1a BetrAVG ist keine den Gläubiger benachteiligende Verfügung nach § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO. Dies gilt selbst dann, wenn die Entgeltumwandlung erst nach Zustellung des PfÜB vereinbart wird.

Auch ein Rückgriff auf § 850h ZPO (Pfändung von verschleiertem Einkommen) ist ausgeschlossen. Denn eine „Lohnverschiebung“ liegt bei einer Entgeltumwandlung nicht vor. Dies folgt bereits daraus, dass die Entgeltumwandlung zum endgültigen Untergang des Anspruchs auf Barauszahlung und zu dessen Ersetzung durch eine Versorgungsanwartschaft führt.

Auch die von dem Mann gesehene Sittenwidrigkeit konnte das BAG nicht bestätigen. Denn in der Realisierung des gesetzlichen Anspruchs auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG durch einen Arbeitnehmer kann kein Sittenverstoß liegen. Eine andere Bewertung könnte nur geboten sein, wenn sich die Schuldnerin (hier die Frau) durch die Entgeltumwandlung vorsätzlich einer Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern entziehen würde, wofür der Mann allerdings keine Hinweise geliefert hatte.

Bedeutung für die Praxis

Im Ergebnis heißt das: Die Entgeltumwandlung der Arbeitnehmerin ist wirksam; sie konnte das pfändbare Einkommen durch Entgeltumwandlung im Rahmen von § 1a BetrAVG mindern. Inwieweit dies auch für Entgeltumwandlung oberhalb des Rechtsanspruchs gilt, musste das BAG nicht entscheiden.

Die Forderung des Mannes wird durch die Entgeltumwandlung nicht geschmälert. Zwar wird der monatlich pfändbare Betrag durch das infolge der Entgeltumwandlung geringere pfändbare Arbeitsentgelt geringer und damit die monatliche Zahlung an den Mann, doch an der Höhe der Forderung ändert sich nichts. Das bedeutet, dass sich die Pfändung nun über einen längeren Zeitraum erstreckt als ohne die Entgeltumwandlung. Sollte bei Fälligkeit der Direktversicherung die Forderung noch nicht über die Pfändung des laufenden Arbeitseinkommens vollständig erfüllt worden sein, unterliegen die Leistungen aus der Direktversicherung der Pfändung (BAG, Urteil vom 17.02.1998, Az. 3 AZR 611/97; BGH, Beschluss vom 11.11.2010, Az. VII ZB 87/09, Abruf-Nr. 104065; BGH, Beschluss vom 20.12.2018, Az. IX ZB 8/17, Abruf-Nr. 206870).

Darüber hinaus kann der Gläubiger (hier der Mann) auch eine Vorausabtretung des fällig werdenden Versicherungsanspruchs verlangen (BGH, Urteil vom 20.05.2020, Az. IV ZR 124/19, Abruf-Nr. 216226).

Fazit | Möchten Arbeitnehmer, die vom Geltungsbereich des § 1a BetrAVG erfasst sind und bei denen Gläubiger eine Pfändung des laufenden Arbeitseinkommens erwirkt haben, Entgelt in eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung umwandeln, können sie dies (jedenfalls im Rahmen des gesetzlichen Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung, d. h. bis zu vier Prozent der BBG) tun. Dies gilt auch, wenn die Entgeltumwandlungsvereinbarung zeitlich erst nach der Zustellung des PfÜB abgeschlossen wird.

AUSGABE: VVP 11/2022, S. 27 · ID: 48589029

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