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BetriebsaufgabeBetriebsaufgabe mit Ausgleichsanspruch: So berechnen sich Einkommen- und Gewerbesteuer

Top-BeitragAbo-Inhalt09.05.20225069 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation), Daniel Denker, Oldenburg und Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| In VVP 5/2022 wurden Sie mit den steuerlichen Spielregeln für die Betriebsaufgabe bei einem Versicherungsvertreter mit Ausgleichsanspruch vertraut gemacht. Der folgende Beitrag dekliniert die steuerlichen Spielregeln einer Betriebsaufgabe anhand eines Praxisfalls. |

Praxisfall zur Betriebsaufgabe mit Ausgleichsanspruch

Die konfessionslose Versicherungsvermittlerin V ist 60 Jahre alt und verheiratet. Sie betreibt seit einigen Jahren als Einzelunternehmerin eine Versicherungsagentur in Hannover (Gewerbesteuerhebesatz von 480). Über weitere Einkunftsquellen verfügen die Ehegatten im Jahr 2021 nicht. Bei ihnen sind unstrittig Sonderausgaben (Versicherungsbeiträge etc.) in Höhe von 5.000 Euro zu berücksichtigen.

V hat sich im Jahr 2021 aus dem Berufsleben aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen. Sie hat ihr Büro mit allen Wirtschaftsgütern zum 01.10.2021 an einen anderen Unternehmer zum Kaufpreis von 300.000 Euro veräußert. An den Erwerber gingen dabei das Büro in einer Eigentumswohnung (Buchwert 90.000 Euro), das dazugehörige Grundstück (Buchwert 60.000 Euro) und die Büroausstattung (Buchwert 20.000 Euro) über. Lediglich die zum 01.10.2021 bestehenden Forderungen gegen Kunden bzw. den Versicherer von 35.000 Euro, die noch offenen Rechnungen von 5.000 Euro und den im Betriebsvermögen befindlichen Pkw (Buchwert 20.000 Euro, aktueller Wert 50.000 Euro) behielt sie zurück. Zudem musste sie im Zusammenhang mit dem Verkauf an einen Rechtsanwalt eine Beratungsgebühr von 1.000 Euro zahlen.

Bis zur Veräußerung hat V ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt und einen Gewinn von 40.000 Euro erzielt. Zudem machte sie parallel zur Betriebsaufgabe gegen ihren Versicherer einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB geltend und erhielt 50.000 Euro.

Die steuerliche Belastung durch die Betriebsaufgabe

Einkommen- und Gewerbesteuer, die V für das Jahr 2021 zahlen muss, ermitteln sich wie folgt.

1. Ermittlung des laufenden Gewinns bis zum 30.09.2021

V hat aus der Versicherungsagentur im Zeitraum 01.01.2021 bis 30.09.2021 einen laufenden Gewinn von 40.000 Euro erzielt. Es handelt sich nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG um steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die zugleich auch der Gewerbesteuer unterliegen (§ 2 Abs. 1 GewStG).

2. Ermittlung des Übergangsgewinn zum 01.10.2021

Da V ihren Gewinn bis zur Betriebsaufgabe nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hat, muss sie zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG durch Bilanzierung übergehen und eine Bilanz erstellen (§ 16 Abs. 2 S. 2 EStG). In dieser Bilanz hat sie sämtliche Wirtschaftsgüter der Agentur zu berücksichtigen und mit den jeweiligen (Rest)Buchwerten anzusetzen:

Aufgabebilanz von V zum 01.10.2021

A

P

Grundstück

60.000

Eigenkapital

220.000

Gebäude (Büro)

90.000

Verbindlichkeiten

5.000

Büroausstattung

20.000

Pkw

20.000

Forderungen

35.000

225.000

225.000

Durch den Übergang von § 4 Abs. 3 EStG zu § 4 Abs. 1 EStG ist ein Übergangsgewinn zu ermitteln. Dieser Übergangsgewinn stellt eine Korrektur der bisherigen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG dar. V muss so gestellt werden, als hätte sie den Gewinn während der gesamten Zeit des Bestehens ihrer Agentur durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt. Nur damit wird eine Doppel- und Nichtbesteuerung bestimmter Sachverhalte ausgeschlossen. Der zwingend zu ermittelnde Übergangsgewinn berechnet sich wie folgt:

Übergangsgewinn

Forderungen

35.000 Euro

./. Verbindlichkeiten

5.000 Euro

Übergangsgewinn

30.000 Euro

Dieser Übergangsgewinn ist als laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb zu versteuern (§ 15 EStG). Er unterliegt sowohl der Einkommen- als auch der Gewerbesteuer. Begünstigungen können nicht in Anspruch genommen werden. Auch eine Verteilung auf mehrere Jahre ist ausgeschlossen (H 4.6 EStH).

3. Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB ist begünstigte Entschädigung

Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB infolge der Aufgabe der Agentur in Höhe von 50.000 Euro ist auch als laufender Gewinn zu versteuern. Damit unterliegt er der Einkommen- und Gewerbesteuer. Freibeträge können nicht abgezogen werden.

Allerdings handelt es sich um eine Entschädigung i. S. v. § 24 Nr. 1 Buchst. c) EStG. Da der Ausgleichsanspruch in einem Betrag gezahlt wird und es zur Zusammenballung von Einkünften kommt, liegen nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG außerordentliche Einkünfte vor. Diese sind für Zwecke der Einkommensteuer vergünstigt nach der Fünftel-Regelung zu versteuern (§ 34 Abs. 1 EStG).

4. Ermittlung des Betriebsaufgabe-Gewinns zum 01.10.2021

Die Betriebsaufgabe erfüllt die Voraussetzungen des § 16 EStG. Der Aufgabegewinn ermittelt sich nach § 16 Abs. 2 EStG wie folgt:

Aufgabegewinn

Veräußerungspreis

300.000 Euro

+ Entnahmewert Forderungen

35.000 Euro

./.Entnahmewert Verbindlichkeiten

5.000 Euro

+ Entnahmewert Pkw

50.000 Euro

Summe

380.000 Euro

./. Veräußerungskosten (Rechtsanwalt)

1.000 Euro

./. Buchwert des Betriebs (Eigenkapital)

220.000 Euro

Aufgabegewinn

159.000 Euro

Da V das 55. Lebensjahr vollendet hat, kann gemäß § 16 Abs. 4 EStG auf Antrag ein Freibetrag in Höhe von 45.000 Euro abgezogen werden. Dieser Freibetrag gilt jedoch nur einmal im Leben. Zudem wird er um den Betrag gekürzt, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 Euro übersteigt. Damit wirkt sich der Freibetrag ab einem Aufgabegewinn von 181.000 Euro steuerlich nicht mehr aus. Unter der Annahme, dass V den Freibetrag beantragt, ermittelt sich dieser wie folgt:

Aufgabegewinn mit Freibetrag

Aufgabegewinn bisher

159.000 Euro

Freibetrag regulär

45.000 Euro

Aufgabegewinn

159.000 Euro

./. Grenzbetrag

136.000 Euro

Schädlicher Betrag

23.000 Euro

./. 23.000 Euro

Gekürzter Freibetrag

22.000 Euro

./. 22.000 Euro

Aufgabegewinn neu

137.000 Euro

Dieser Aufgabegewinn von 137.000 Euro unterliegt der Einkommen-, nicht jedoch der Gewerbesteuer (R 7.1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GewStR). Zudem können bei der Einkommensteuer Begünstigungen in Anspruch genommen werden. Entweder nach § 34 Abs. 1 EStG wie bei der Ausgleichszahlung nach § 89b HGB die Fünftel-Regelung, oder nach § 34 Abs. 3 EStG der ermäßigte Steuersatz. Letzterer ist jedoch ähnlich wie der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG an die Voraussetzung gebunden, dass V das 55. Lebensjahr vollendet hat und sie einen Antrag stellt (gilt ebenfalls nur einmal im Leben).

Zusammenfassung

Laufender Gewinn 2021

40.000 Euro

Übergangsgewinn zum 01.10.2021

30.000 Euro

Ausgleichsanspruch (§ 34 Abs. 1 EStG)

50.000 Euro

Aufgabegewinn (§ 34 Abs. 1, 3 EStG)

137.000 Euro

Summe gewerblicher Einkünfte

257.000 Euro

Ermittlung der Gewerbesteuer

Die von V zu zahlende Gewerbesteuer 2021 ermittelt sich wie folgt:

Ermittlung der Einkommensteuer

Variante a: Kein Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG für den Aufgabegewinn

Ergebnis: V muss für das Jahr 2021 eine Gewerbesteuer von 16.044 Euro und eine Einkommensteuer von 64.344 Euro zahlen (Summe 80.388 Euro). Ohne die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG hätte sie insgesamt 95.056 Euro entrichten müssen. § 34 Abs. 1 EStG bietet ihr eine Ersparnis von 14.668 Euro.

Variante b: Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG für den Aufgabegewinn

Die Berechnung der Einkommensteuer bei einer Antragstellung nach § 34 Abs. 3 EStG für den Aufgabegewinn von 137.000 Euro ist höchst kompliziert, weil zugleich die Regelungen des § 34 Abs. 1 EStG für die Ausgleichszahlung nach § 89b HGB von 50.000 Euro beachtet werden müssen. Die Berechnung zur Variante b finden Sie auf vvp.iww.de unter der Abruf-Nr. 48228364. Unterm Strich ergibt sich danach eine tarifliche Einkommensteuer von 55.286 Euro. Nach Anrechnung der Gewerbesteuer in Höhe von 13.370 Euro (§ 35 EStG) kommt es zu einer festzusetzenden Einkommensteuer von 41.916 Euro. Die Gesamtsteuerbelastung für 2021 beträgt damit 57.960 Euro.

Ergebnis: Der Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG bietet eine steuerliche Ersparnis im Vergleich zur Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG von 22.428 Euro. Dies liegt insbesondere daran, dass sich die Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 EStG aufgrund der hohen Einkünfte nahezu im Bereich des Spitzensteuersatzes kaum auswirkt.

Weiterführender Hinweis
  • Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG für Aufgabegewinn – Berechnung → Abruf-Nr. 48228364

AUSGABE: VVP 6/2022, S. 11 · ID: 48226007

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