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VersicherungsrechtAktuelles aus dem Versicherungsrecht von A bis Z
| Jeden Monat entscheiden deutsche Gerichte Hunderte von Streitigkeiten zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern (VN). Hier finden Sie die Quintessenz der wichtigsten Urteile und Beschlüsse von A bis Z – sortiert nach Personen- und Sachversicherung. |
Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Personenversicherung |
Berufsunfähigkeitsversicherung |
Kein rückwirkendes befristetes Anerkenntnis für abgeschlossenen Zeitraum In der Berufsunfähigkeitsversicherung kann der Versicherer ein befristetes Anerkenntnis nicht rückwirkend für einen abgeschlossenen Zeitraum abgeben (BGH, Urteil vom 23.02.2022, Az. IV ZR 101/20, Abruf-Nr. 228040). |
Berufungsunfähigkeit bei chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren In einer Berufsunfähigkeitsversicherung kann die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit auch auf der Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren beruhen. Anders als bei der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung ist dafür der Nachweis eines psychischen Konflikts oder einer psychosozialen Belastungssituation nicht erforderlich (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.02.2022, Az. 7 U 199/12, Abruf-Nr. 228503). |
Berufsunfähigkeit eines Friseurs Die Annahme von Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen kann auch dann auf ein Gutachten gestützt werden, das an die konkrete Berufstätigkeit anknüpft, wenn dieses keine Diagnose nach dem ICD-Schlüssel enthält. Die Umorganisation seines Betriebs, die bei einem mitarbeitenden selbstständigen Friseurmeister dazu führt, dass die zuvor in erheblichem Umfang ausgeübte handwerkliche Tätigkeit vollständig wegfällt, ist ihm auch dann nicht zumutbar, wenn es sich um einen größeren Betrieb (hier: bis zu zehn festangestellte Friseure und insgesamt 15-19 Mitarbeiter) handelt (OLG Dresden, Urteil vom 22.02.2022, Az. 4 U 1585/21, Abruf-Nr. 228456). |
Krankenversicherung |
§ 8b Abs. 2 MB/KK 2009 ist dahingehend zu verstehen, dass bei einer nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen von einer Beitragsanpassung zwar abgesehen werden kann, eine solche aber – im Umkehrschluss – grundsätzlich möglich ist. Damit weicht die Klausel von dem zwingenden § 203 Abs. 2 VVG ab und ist unwirksam. Trotz Unwirksamkeit von § 8b Abs. 2 MB/KK 2009 bleiben die hiervon unabhängigen Bestimmungen in § 8b Abs. 1, die die Absenkung des für Versicherungsleistungen geltenden Schwellenwerts auf fünf Prozent betreffen, unberührt. In der Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung gemäß § 203 Abs. 5 VVG muss nicht darauf hingewiesen werden, dass sich die Versicherungsleistungen nicht nur vorübergehend verändert haben (OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.02.2022, Az. 12 U 202/21, Abruf-Nr. 227831). |
Nicht ausreichend begründete Beitragserhöhung zur privaten Krankenversicherung Ein Erhöhungsverlangen in der privaten Krankenversicherung, dass lediglich mit der „Kostenentwicklung im Gesundheitswesen bzw. der Berücksichtigung der aktuellen Rechnungsgrundlagen“ begründet wird, genügt den formellen Anforderungen nicht (OLG Dresden, Urteil vom 15.02.2022, Az. 4 U 1672/21, Abruf-Nr. 228547). |
Lebensversicherung |
Rechtmäßigkeit von Klauseln einer Lebensversicherung § 6 der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) ist dahingehend auszulegen, dass in der Lebensversicherung bei der Verteilung der Überschüsse die für die Bedienung der von Verträgen mit den jeweils vereinbarten rechnungs-mäßigen Zinsen benötigten Kapitalerträge nicht vorab von den insgesamt erzielten Kapitalerträgen abzuziehen sind. § 169 Abs. 3 VVG ist dahingehend auszulegen, dass die Abschluss- und Vertriebskosten nicht auch dann auf die ersten fünf Vertragsjahre zu verteilen sind, wenn die Prämie in einem Einmalbetrag geleistet wird oder die Beitragszahlungsdauer weniger als fünf Jahre beträgt. Die über die Höchst-Zillmerung des § 4 DeckRV hinausgehende Verteilung von Abschluss- und Vertriebskosten über die gesamte Prämienzahlungsdauer ist zulässig (OLG Stuttgart, Urteil vom 03.02.2022, Az. 2 U 117/20, Abruf-Nr. 228091). |
Unfallversicherung |
OLG Saarbrücken: Versicherer an Erstbemessung der Invalidität nicht gebunden Ein Unfallversicherer muss sich die Neubemessung der Invalidität nicht in den AUB 94 vorbehalten haben, wenn er bei später erkannter Unrichtigkeit der Erstbemessung den bereits regulierten Betrag (teilweise) zurückverlangen will (OLG Saarbrücken, Urteil vom 09.02.2022, Az. 5 U 53/21, Abruf-Nr. 228616). |
Keine fristgerechte Invaliditätsfeststellung bei Zuordnung von Schäden eines nicht umfassten Unfallereignisses Enthält bei zwei aufeinanderfolgenden Unfällen eine eindeutig nur dem ersten Unfallereignis zugeordnete Invaliditätsbescheinigung auch Angaben zu Schäden, die aus dem zweiten Unfallereignisses resultieren, liegt darin keine Invaliditätsfeststellung i. S. v. Ziff. 2.1.1.1 AUB bezüglich der Schäden aus dem zweiten Unfallereignis (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.11.2021, Az. 7 U 24/20, Abruf-Nr. 228395). |
Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Sachversicherung |
Haftpflichtversicherung |
Auslegung einer Subsidiaritätsklausel in Haftpflichtversicherungsvertrag Eine Subsidiaritätsklausel in einem Haftplichtversicherungsvertrag, die besagt, dass anderweitige Haftpflichtversicherungen, die für die versicherten Personen „bereits bestehen“, dem Vertrag vorgehen, ist nicht zeitlich i. S. v. „bereits bei Vertragsschluss bestehen“ auszulegen. Maßgeblich ist vielmehr der Eintritt des Versicherungsfalls (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 02.02.2022, Az. 7 U 132/20, Abruf-Nr. 228545). |
Kfz-Versicherung |
AG Altenkirchen: Pauschaler Nutzungsausfall bei gemischt genutztem Freiberufler-Pkw Nutzt ein selbstständiger Unternehmensberater sein Fahrzeug sowohl für die Fahrten zu seinen Kunden als auch privat, kann er die pauschalierte Nutzungsausfallentschädigung verlangen. Er kann nicht darauf verwiesen werden, den konkreten Gewinnausfall wegen des Ausfalls des Fahrzeugs zu beziffern. Sporadisch das Fahrzeug der Ehefrau nutzen zu können, schließt die Geltendmachung der Nutzungsausfallentschädigung nicht aus (AG Altenkirchen, Urteil vom 03.03.2022, Az. 71 C 340/20, Abruf-Nr. 228004). |
AG Kassel: Auch zwei Schadengutachten sind möglich Fordert der unfallgegnerische Versicherer den Geschädigten anlässlich der Schadenmeldung auf, das beschädigte Fahrzeug einem dem Versicherer genehmen Schadengutachter vorzustellen, und folgt der Geschädigte diesem Ansinnen, liegt darin kein Verzicht auf die Begutachtung durch einen selbstgewählten Schadengutachter (AG Kassel, Urteil vom 24.02.2022, Az. 434 C 1336/21, Abruf-Nr. 228218). |
AG Bergheim: Keine Gruppe 1 in Fraunhofer, also Schwacke Das AG Bergheim ist konsequent: Wenn die Fraunhofer-Mietpreiserhebung keine Werte für Mietwagen der Gruppe 1 enthält, kann auch kein Mittelwert aus Fraunhofer und Schwacke gebildet werden. Also entnimmt das Gericht die erforderlichen Mietwagenkosten nur dem Schwacke-Mietpreisspiegel, obwohl es sonst der Mittelwertlösung folgt (AG Bergheim, Urteil vom 18.02.2022, Az. 23 C 173/21, Abruf-Nr. 228057). |
AG Elmshorn: Geschädigter muss keine Rechnungen von Drittfirmen beschaffen Der Geschädigte ist insbesondere, wenn die Reparaturkosten in der geforderten Höhe in dem zuvor eingeholten Gutachten benannt sind, nicht dazu verpflichtet, sich Rechnungen von Drittfirmen oder interne Kalkulationen des Reparaturbetriebs vorlegen zu lassen (AG Elmshorn, Urteil vom 30.11.2021, Az. 54 C 117/21, Abruf-Nr. 226209). |
AG Ludwigsburg: Ersatzfähigkeit von Kosten für Covid-Desinfektion als unfallbedingte Aufwendungen Kosten für Covid-Desinfektionsmaßnahmen am verunfallten Fahrzeug stellen unfallbedingte Aufwendungen dar. Diese Desinfektionsmaßnahmen nach Entgegennahme des Fahrzeugs durch die Reparaturwerkstatt und vor Abholung durch den Geschädigten sind Bestandteil der Reparatur (AG Ludwigsburg, Urteil vom 05.11.2021, Az. 6 C 611/21, Abruf-Nr. 228548). |
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AUSGABE: VVP 6/2022, S. 23 · ID: 48061714