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ArbeitgeberleistungenFinanzverwaltung rudert bei Zusätzlichkeit zurück – Lohnformwechsel bis 2019 doch zulässig

Top-BeitragAbo-Inhalt02.03.20222592 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Der Lohnformwechsel war bis zur Einführung des § 8 Abs. 4 EStG durch das JStG 2020 ein beliebtes und schließlich vom BFH abgesegnetes Instrument, den Nettolohn zu optimieren. Auf Basis des BMF-Schreibens vom 05.02.2020 hat die Finanzverwaltung das ab dem 01.01.2020 geltende Gesetz aber im Wesentlichen auch rückwirkend in offenen Fällen angewendet. Jetzt ist sie zurückgerudert, indem sie bis zum 31.12.2019 bei der steuerzahlerfreundlichen BFH-Rechtsprechung bleibt. VVP bringt Sie auf den Stand. |

Zusätzlichkeit und Lohnformwechsel – Hü und Hott

Ein typisches Hin und Her im Steuerrecht: Erst gestattet der BFH einen Lohnformwechsel, indem er von seiner bisherigen Rechtsprechung abweicht und das Kriterium „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ neu definiert (BFH, Urteil vom 01.08.2019, Az. VI R 32/18, Abruf-Nr. 211857).

Daraufhin erlässt die Finanzverwaltung am 05.02.2020 ein BMF-Schreiben, wonach das BFH-Urteil „zur Gewährleistung der Kontinuität der Rechtsanwendung“ im Wesentlichen in allen offenen Fällen nicht angewendet wird. Es folgt im Anschluss mit dem Jahressteuergesetz 2020 die Einführung des § 8 Abs. 4 EStG. Darin werden die bereits im BMF-Schreiben enthaltenen Kriterien der „neuen“ Zusätzlichkeit ins Gesetz aufgenommen – gültig rückwirkend ab dem 01.01.2020. Doch nun rudert die Finanzverwaltung zurück. Sie wendet die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung bis zum 31.12.2019 an (BMF, Schreiben vom 05.01.2022, Az. IV C 5 – S 2334/19/10017 :004, Abruf-Nr. 226792).

Die Änderungen der Zusätzlichkeit gelten nicht nur im Bereich der Sachbezüge. Sie sind auch im Bereich der Lohnsteuer von immenser Bedeutung. Sie haben z. B. Auswirkung auf die Vorschriften § 3 Nr. 15, 33, 34, 34a, 37, 46 EStG, § 8 Abs. 2 S. 11 EStG, § 37b Abs. 2 EStG, § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 und 6 sowie S. 2 Nr. 1 b) und Nr. 7 EStG sowie § 100 Abs. 3 Nr. 2 EStG.

Praxistipp | Stützt der Prüfer bei laufenden Lohnsteueraußenprüfungen seine Feststellungen auf den § 8 Abs. 4 EStG und wendet diesen für Besteuerungszeiträume vor dem 01.01.2020 an, sollten Sie ihn auf das neue BMF-Schreiben hinweisen. Seine Feststellungen sind nicht mehr haltbar.

Das gilt bis zum 31.12.2019 bei der Zusätzlichkeit

Aus dem neuen BMF-Schreiben und der Rückkehr zur BFH-Rechtsprechung folgt, dass die Zusätzlichkeitsvoraussetzung bereits dann erfüllt ist, wenn der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich herabgesetzt worden ist. Damit unterliegt ein Lohnformwechsel erheblich geringeren Hürden.

Beispiel

Ihr Mitarbeiter A erhält einen regulären – nicht tarifgebundenen – Bruttoarbeitslohn von 3.000 Euro. Er vereinbart mit Ihnen im Jahr 2019, dass sein Arbeitslohn um 200 Euro reduziert wird. Im Gegenzug erstatten Sie die anfallenden Kinderbetreuungskosten bzw. leisten anderweitige steuerbegünstigte Zahlungen. Den Arbeitsvertrag passen Sie entsprechend an.

Lösung: Verwendungsfreier Arbeitslohn wird 2019 zugunsten einer zweckgebundenen Leistung arbeitsrechtlich herabgesetzt; es liegt ein begünstigter Lohnformwechsel vor. Die erstatteten Kinderbetreuungskosten sind steuerfrei nach § 3 Nr. 33 EStG. Bei entsprechender Vereinbarung ab dem 01.01.2020 würde sich hingegen weiter ein steuerpflichtiger Bruttoarbeitslohn von 3.000 Euro ergeben.

Lediglich wenn der Arbeitslohn beispielsweise tarifgebunden ist, kommt kein Lohnformwechsel in Betracht. Denn würde der tarifgebundene verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten einer anderen steuerbegünstigten verwendungs- oder zweckgebundenen Leistung herabgesetzt oder umgewandelt (z. B. Erstattung/Übernahme von Kinderbetreuungskosten nach § 3 Nr. 33 EStG), würde der tarifliche Arbeitslohn nach Wegfall der steuerbegünstigten Leistungen wieder aufleben.

Das gilt ab dem 01.01.2020 bei der Zusätzlichkeit

Ab dem 01.01.2020 müssen Sie hingegen die Regelungen des neuen § 8 Abs. 4 EStG unumstößlich beachten. Danach werden Leistungen des Arbeitgebers nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht (und ermöglichen einen lukrativen Lohnformwechsel), wenn

  • 1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • 2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  • 3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  • 4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Dadurch sollen nur „echte“ Zusatzleistungen begünstigt sein. Diese Voraussetzungen gelten dabei unabhängig von der Art der Lohnbindung und damit auch bei tarifgebundenem Arbeitslohn oder wenn sich der Arbeitslohn aus einem Arbeitsvertrag oder – was bei Vermittlerbetrieben selten der Fall ist – aus einer Betriebsvereinbarung ergeben sollte.

Praxistipp | Wollen Sie Vergütungsbestandteile nur im Rahmen einer Bruttoentgeltumwandlung gewähren, wählen Sie Lohnbestandteile, die nicht daran geknüpft sind, dass sie zusätzlich zum vereinbarten Arbeitslohn erbracht werden müssen. Hier bietet sich z. B. die Überlassung betrieblicher Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsgeräte (z. B. Smartphone, Tablet) zur Privatnutzung an (§ 3 Nr. 45 EStG). Der Mitarbeiter kann etwa zugunsten eines Smartphones auf einen Teil seines Bruttoarbeitslohns verzichten.

Weiterführender Hinweis
  • Beitrag „Smartphone-Nutzung im Vermittlerbetrieb: Das sind die (lohn-)steuerlichen Spielregeln“, VVP 11/2021, Seite 19 → Abruf-Nr. 47675446

AUSGABE: VVP 3/2022, S. 21 · ID: 47966746

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