Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Apr. 2025 abgeschlossen.
TerminsgebührIn „Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO“ gelten die allgemeinen Grundsätze
| Immer wieder wird über die Terminsgebühr im „Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO“ diskutiert. Dabei gibt es gar kein eigenständiges „Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO“. Vielmehr handelt es sich insoweit um die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit, im Berufungsverfahren ausnahmsweise ohne die an sich nach §§ 525 ZPO i. V. m. 128 Abs. 1 ZPO vorgeschriebene mündliche Verhandlung zu entscheiden. Daher gelten auch keine Besonderheiten – Anwälte müssen einfach nur das Gesetz anwenden. |
1. Ausgangspunkt
In einem zivilrechtlichen Berufungsverfahren ist die mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben (§ 525 ZPO i. V. m. § 128 Abs. 1 ZPO). Das Gericht kann allerdings – ebenso wie in der ersten Instanz – im Einverständnis der Parteien im schriftlichen Verfahren entscheiden (§ 128 Abs. 2 ZPO). In diesem Fall entsteht konsequenterweise die fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3202 VV RVG i. V. m. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG.
Beachten Sie | Anders verhält es sich, wenn das Gericht die Berufung nach § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig verwirft. Diese Entscheidung ergeht durch einen Beschluss (§ 522 Abs. 1 S. 3 ZPO), sodass hier keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (§ 138 Abs. 4 ZPO). In diesem Fall entsteht keine fiktive Terminsgebühr.
Beachten Sie | Es fällt zudem keine Terminsgebühr an, wenn das Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung in der Sache entscheidet, weil es die Berufung einstimmig für unbegründet erachtet. In diesem Fall wird die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen, also ebenfalls ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO).
2. Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG
Eine Terminsgebühr kann unter den Voraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG entstehen. Macht das Gericht von der ihm eingeräumten Möglichkeit des § 522 Abs. 2 ZPO Gebrauch und weist es die Berufung durch Beschluss zurück, kommt es nicht zu einem gerichtlichen Termin. Eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG ist nicht möglich.
Denkbar ist, dass eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV RVG anfällt, indem das Berufungsgericht gemäß § 358a ZPO vorbereitend ein Sachverständigengutachten einholt, der Anwalt im Rahmen dieses Sachverständigengutachtens an dem vom Sachverständigen anberaumten Termin teilnimmt und das Gericht nach Beweiserhebung die Berufung einstimmig nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist.
Beispiel 1 | |
Der Anwalt legt gegen die erstinstanzliche Verurteilung des Mandanten zur Zahlung von 10.000 EUR Berufung ein und beantragt, in Abänderung des vorinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen. Das Berufungsgericht holt gemäß § 358a ZPO ein Sachverständigengutachten ein. Am Sachverständigentermin nimmt der Anwalt teil. Hiernach weist das Gericht darauf hin, dass es beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Daraufhin nimmt der Anwalt die Berufung zurück. Lösung: Hier entstehen sowohl die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG als auch die Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG, da der Anwalt an dem vom gerichtlichen Sachverständigen anberaumten Termin teilgenommen hat. | |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR | 982,40 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 330,45 EUR |
2.069,65 EUR |
Darüber hinaus kommt eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG in Betracht, wenn die Anwälte eine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens führen. Durch das Gesetz ist klargestellt, dass die Terminsgebühr auch bei dieser Verfahrenskonstellation anfallen kann. Die frühere gegenteilige Rechtsprechung des BGH ist bereits durch die Neufassung des RVG im Zuge des 2. KostRMoG überholt und nicht mehr vertretbar.
Beispiel 2 |
Der Anwalt legt gegen die erstinstanzliche Verurteilung des Mandanten zur Zahlung von 10.000 EUR Berufung ein und beantragt, in Abänderung des vorinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen. Das Berufungsgericht weist darauf hin, dass es beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Hiernach führt der Anwalt mit der Gegenseite eine Besprechung, um eine vergleichsweise Lösung zu finden. Eine Einigung kommt nicht zustande, sodass er die Berufung zurücknimmt. Lösung: Es entstehen sowohl die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG als auch die Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG). Es wird wie in Beispiel 1 abgerechnet. |
3. Fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3202 VV RVG
Im Berufungsverfahren kann grundsätzlich eine fiktive Terminsgebühr anfallen, da in diesem Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (Anm. Abs. 1 zu Nr. 3202 VV RVG i. V. m. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG).
Beachten Sie | Allerdings entsteht die fiktive Terminsgebühr nicht schon, wenn das Gericht nach § 522 Abs. 2 ZPO entscheidet (BGH AGS 07, 397; AG Zeitz NJW-Spezial 18, 605). Die Rechtsprechung beruft sich in diesen Fällen darauf, dass eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, wenn das Gericht nach § 522 Abs. 2 ZPO verfährt. Dies ist zwar im Ergebnis richtig, in der Begründung aber unzutreffend. Denn hier liegt ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung zugrunde (s. o.), es fehlt jedoch an der weiteren Voraussetzung, dass das Gericht „aufgrund der Zustimmung der Parteien“ ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Das Gericht bedarf im Fall des § 522 Abs. 2 ZPO nicht der Zustimmung der Parteien, sondern kann auch ohne deren Zustimmung – sogar gegen deren Willen – ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Damit sind die Voraussetzungen der Anm. Abs. 1 zu Nr. 3202 VV RVG i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG nicht gegeben.
Beispiel 3 | |
Der Anwalt legt gegen die erstinstanzliche Verurteilung des Mandanten zur Zahlung von 10.000 EUR Berufung ein und beantragt, in Abänderung des vorinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen. Das Berufungsgericht weist die Berufung nach Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Lösung: Hier entsteht nur eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG und keine Terminsgebühr. | |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR | 982,40 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 190,46 EUR |
1.192,86 EUR |
Wird allerdings in dieser Phase des Berufungsverfahrens eine Einigung getroffen, entsteht die fiktive Terminsgebühr.
Beispiel 4 | |
Der Anwalt legt gegen die erstinstanzliche Verurteilung des Mandanten zur Zahlung von 10.000 EUR Berufung ein und beantragt in Abänderung des vorinstanzlichen Urteils die Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht weist darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Hiernach schreibt der Anwalt die Gegenseite an und schlägt einen Vergleich vor, der dann auch schriftlich geschlossen wird. Lösung: Es entstehen sowohl die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG als auch die Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3202 i. V. m. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG. Denn im Berufungsverfahren ist die mündliche Verhandlung vorgeschrieben und die Terminsgebühr fällt bei einer Einigung immer an. Hinzu kommt noch eine 1,3-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 Nr. 1, 1004 VV RVG. | |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR | 982,40 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
1,3-Einigungsgebühr, Nrn. 1000 Nr. 1, 1004 VV RVG aus 10.000 EUR | 798,20 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 482,11 EUR |
3.019,51 EUR |
Fazit | Ein Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO als solches gibt es nicht. Erwägt das Gericht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu entscheiden, kann in dieser Phase gleichwohl eine Terminsgebühr anfallen. Sie entsteht allerdings nicht bereits dadurch, dass das Gericht nach § 522 Abs. 2 ZPO entscheidet. |
AUSGABE: VK 4/2025, S. 66 · ID: 50352322