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GeschäftsführerhaftungBGH zur D&O-Versicherung: Klausel über automatisches Vertragsende bei Insolvenz unwirksam
| Gegen das insolvenzbedingte Haftungsrisiko können Unternehmen zugunsten ihrer Geschäftsführer, Aufsichtsräte, Vorstände und leitenden Angestellten eine D&O-Versicherung abschließen. Die Klauseln in den Versicherungsbedingungen beschäftigen immer wieder die Gerichte. Zuletzt entschied der BGH, dass die Klausel unwirksam ist, die das automatische Ende des Versicherungsvertrags mit dem Ablauf der Versicherungsperiode vorsieht, in der der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist. VK stellt das Urteil und seine Folgen für Ihre Mandanten vor. |
1. Streit um D&O-Versicherung in der Insolvenz vor BGH
Dem BGH-Urteil liegt folgender Fall zugrunde: Der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer AG nimmt den D&O-Versicherer in Anspruch, und zwar aus abgetretenem Recht aus D&O-Versicherungen, die die AG und ein früherer Vorstand unterhalten haben. Der Vorstand soll trotz bereits eingetretener Insolvenzreife noch Zahlungen in Höhe von rund 870.000 EUR an Dritte abgewickelt haben, was zur Haftung nach § 92 AktG a. F. (jetzt § 15b InsO) führt.
a) Automatisches Vertragsende bei Insolvenzantrag in Klausel
In den Versicherungsbedingungen (AVB) war Folgendes bestimmt: Der Versicherungsvertrag sollte automatisch mit dem Ablauf der Versicherungsperiode enden, in welcher der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des VN gestellt wurde. Für diesen Fall war auch der insolvenzbedingte Ausschluss der Nachmeldefrist vorgesehen.
Im Februar 2016 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der D&O-Versicherer kündigte die Versicherung zum Ende der Versicherungsperiode am 31.1.17. Der Insolvenzverwalter nahm den Vorstand im April 2019 auf Zahlung von 870.000 EUR in Anspruch, anschließend auch den D&O-Versicherer.
b) Versicherer beruft sich auf Vertragsende
Der D&O-Versicherer lehnte Versicherungsschutz jedoch ab,
- weil der Versicherungsvertrag automatisch mit Ablauf der Versicherungsperiode, in welcher der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden sei, geendet habe und
- eine Nachmeldefrist nicht bestehe.
2. BGH entscheidet: Klausel in den AVB ist unwirksam
Der Insolvenzverwalter blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Der BGH jedoch hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das OLG Frankfurt a. M. zurück (BGH 18.12.24, IV ZR 151/23, Abruf-Nr. 246075).
a) Klausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand
Die Klausel in den AVB ist unwirksam, die den Versicherungsvertrag automatisch mit Ablauf der Versicherungsperiode beendet, in der ein Insolvenzantrag gestellt wurde, so der BGH. Sie hält einer Inhaltskontrolle nicht stand. Sie benachteiligt laut BGH den VN unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
b) Verstoß gegen § 11 Abs. 1 und 3 VVG
Die Klausel widerspricht nach Ansicht des BGH den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 und 3 VVG, die eine Mindestkündigungsfrist von einem Monat vorschreiben. Denn mit der Normierung von (Mindest-)Kündigungsfristen möchte der Gesetzgeber den Vertragspartner schützen. Ihm soll Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses einzustellen.
c) Insolvenzverwalter hat innerhalb der Nachmeldefrist gehandelt
Der BGH entschied weiter, dass die Kündigung des VR – auch wenn sie auf insolvenzbedingten Umständen beruhe – nicht zum Ausschluss der Nachmeldefrist von 60 Monaten führte.
Der Insolvenzverwalter habe im April 2019 gegenüber den Vorstandsmitgliedern Anspruch erhoben – und damit innerhalb der Nachmeldefrist von 60 Monaten gehandelt.
3. Was das BGH-Urteil für Ihre Mandanten bedeutet
Das Haftungsrisiko bei einer Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter ist regelmäßig mindestens sechs- und siebenstellig, also für die Geschäftsführer und Vorstände insolventer Unternehmen existenzbedrohend. Die D&O-Versicherung ist daher zwingender Standard für jeden Geschäftsführer.
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Wie es in dem Fall weitergeht: Der BGH hat die Sache zur weiteren Prüfung von Anspruchsgrund und -höhe an das OLG Frankfurt a. M. als Berufungsgericht zurückverwiesen. Denn § 15b InsO hat viele Hürden. Den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und den Schaden darzulegen und zu beweisen, das ist Aufgabe des Insolvenzverwalters. Außergerichtlich hapert es da mitunter an substanziiertem Sachvortrag.
AUSGABE: VK 4/2025, S. 64 · ID: 50352288