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GebäudeversicherungNeuwertversicherung: Bei der Höchstentschädigung entscheidet das Leistungsversprechen des VR

Abo-Inhalt12.02.20252767 Min. LesedauerVon RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Bonn

| Der Umstand, dass eine Versicherung zum Neuwert vorliegt, schließt die Vereinbarung einer Entschädigungshöchstgrenze nicht aus. Maßgeblich ist stets das konkrete Leistungsversprechen des VR. Bei einer Neuwertversicherung bleibt es den Parteien unbenommen, das Risiko des VR etwa durch Wiederherstellungsklauseln oder bestimmte Höchstentschädigungsbeträge zu begrenzen. So entschied es das OLG Oldenburg. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten über den Umfang von Leistungsansprüchen des VN aus einer Gebäudeversicherung im Zusammenhang mit einer durch Feuer vollständig zerstörten kommunalen Sporthalle. Der VN begehrt die Feststellung, dass der VR für die durch den Brand zerstörte Turnhalle nicht lediglich in Höhe von 1.701.400 EUR, sondern auch hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrags bis hin zum Neuwert ersatzpflichtig ist. Vereinbart waren nach einer Ausschreibung die folgenden Sachversicherungsbedingungen (SVB):

Auszug aus den Sachversicherungsbedingungen (SVB)

Ziffer 11.1.2:

Der VR ersetzt bei zerstörten oder infolge eines Versicherungsfalls abhandengekommenen Sachen den Versicherungswert (Ziff. 7) unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls.

Ziffer 11.1.5:

Ist die Entschädigung zum Neuwert vereinbart, erwirbt der VN auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um (11.1.5.1) Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen (…).

Ziffer 11.1.6.1:

Der Zeitwertschaden wird bei zerstörten oder abhandengekommenen Sachen gemäß Ziffer 7 festgestellt (…).

Ziffer 7.1:

Der Versicherungswert von Gebäuden ist

(7.1.1) der Neuwert; Neuwert ist der Betrag, der aufzuwenden ist, um Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand herzustellen (…).

(7.1.2) der Zeitwert, falls er weniger als 40% des Neuwerts beträgt (Zeitwertvorbehalt) oder falls Versicherung zum Zeitwert vereinbart ist; der Zeitwert ergibt sich aus dem Neuwert des Gebäudes durch einen Abzug entsprechend seines insbesondere durch den Abnutzungsgrad bestimmten Zustands.

(7.1.3) der gemeine Wert, falls das Gebäude zum Abbruch bestimmt oder sonst dauernd entwertet oder falls Versicherung nur zum gemeinen Wert vereinbart ist (…).

Ziffer 7.9.1:

Zu Beginn des Vertragsverhältnisses werden die Versicherungswerte der zu versichernden Sachen entweder (7.9.1.1) durch den VR ermittelt oder (7.9.1.2) durch freie Vereinbarung zwischen dem VN und dem VR in Form von Höchstentschädigungsgrenzen festgesetzt.

Ziffer 8.1.1:

Der VR passt den Umfang der Versicherung gemäß Ziffer 7 jährlich an die Baukostenentwicklung und die Preisentwicklung gewerblicher Güter an; entsprechend verändert sich der Beitrag. Als Bezugsgröße wird der Anpassungsfaktor für Gebäudeversicherungen vereinbart. …

Ziffer 4.1.2:

Als Grundlage zur Beitragsberechnung sind aus der Objektliste die Gebäudewerte und die Sachinhaltswerte zu entnehmen.

Ziffer 4.1.4:

Der VR ist berechtigt, die zu versichernden Objekte zu besichtigen, wertbestimmende Faktoren zu überprüfen und vom VN entsprechende Unterlagen oder Nachweise zu verlangen bzw. Gebäudewertermittlungen auf eigene Kosten durchzuführen. Der Versicherungsnehmer verpflichtet sich, eine proportionale Beitragsanpassung bei Nachweis der Unrichtigkeit der wertbestimmenden Faktoren ab Risikoeintritt, frühestens jedoch ab Beginn der laufenden Versicherungsperiode, zu akzeptieren.

Ziffer 10:

Unterversicherung besteht, wenn die Versicherungssumme niedriger ist als der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls. Es erfolgt hier keine Anrechnung einer Unterversicherung.

Im April 2022 brannte die unter den Versicherungsschutz fallende Sporthalle vollständig ab. Nach Prüfung des Versicherungsfalls teilte der VR mit, dass eine Ersatzpflicht für Gebäude und Einrichtung von insgesamt 1.701.400 EUR bestehe. Dies folge aus den in Nummer 46 der Objektliste angeführten Summen. Der VN hat die Auffassung vertreten, der VR schulde Ersatz in Höhe des Neuwerts für die zerstörte Halle von mindestens 4.000.000 EUR. Das LG hat die Feststellungsklage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des VN hatte vor dem OLG Oldenburg keinen Erfolg (16.5.24, 1 U 118/23, Abruf-Nr. 246098). Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet. Der VN hat gegen den VR keinen Anspruch auf Zahlung von Versicherungsleistungen über einen Betrag von 1.701.400 EUR hinaus. Dass die Sporthalle durch den Brand vollständig zerstört wurde, ist zwischen den Parteien unstreitig. Das LG ist ausgehend von dieser Sachlage jedoch zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ersatzpflicht der Höhe nach auf die in der Objektliste vermerkten Werte und damit auf 1.701.400,00 EUR beschränkt ist.

Gemäß Ziffer 11.1.2.1 Teil B der SVB ersetzt der VR bei zerstörten Sachen den Versicherungswert nach Ziffer 7 Teil B der SVB unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls. Das Gesetz geht zwar gemäß § 88 VVG davon aus, dass im Regelfall – lediglich – der Zeitwert zu ersetzen ist. Hiervon können die Parteien jedoch durch vertragliche Übereinkunft abweichen, so wie hier. Unter der Überschrift „Versicherungswert“ ist unter Ziffer 7.1.1 Teil B der SVB geregelt, dass der Versicherungswert von Gebäuden grundsätzlich der Neuwert ist. Davon gehen auch die Parteien im vorliegenden Fall übereinstimmend aus. Eine nach den Versicherungsbedingungen mögliche Vereinbarung einer Versicherung lediglich zum Zeitwert (Ziffer 7.1.2) oder zum gemeinen Wert (Ziffer 7.1.3) liegt nicht vor.

Allerdings haben die Parteien einen Versicherungswert im Sinne einer Höchstentschädigung pro Versicherungsfall vereinbart. Der Umstand, dass eine Versicherung zum Neuwert vorliegt, schließt die Vereinbarung einer Entschädigungshöchstgrenze nicht aus. Maßgeblich ist stets das konkrete Leistungsversprechen des VR, an dem er sich festhalten lassen muss. Auch bei einer Versicherung zum Neuwert bleibt es den Parteien unbenommen, das Risiko des VR etwa durch Wiederherstellungsklauseln oder bestimmte Höchstentschädigungsbeträge zu begrenzen. Hierfür spricht bereits der Versicherungsschein. Dieser soll den VN über den Inhalt eines abgeschlossenen Versicherungsvertrags informieren. Daneben hat er Beweisfunktion. Daher muss darin grundsätzlich der gesamte Inhalt des Versicherungsvertrags wiedergegeben werden. Dabei darf allerdings auf weitere Unterlagen verwiesen werden. Es spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass ein Vertrag mit dem aus dem Versicherungsschein ersichtlichen Inhalt zustande gekommen ist, und dass die vertraglichen Abreden vollständig darin erfasst sind. Dementsprechend ist der Vertragsinhalt in erster Linie durch Auslegung des Wortlauts des Versicherungsscheins zu ermitteln.

  • In dem streitgegenständlichen Versicherungsschein ist unter „Versicherungssummen“ vermerkt: „Gemäß Objektliste – Stand 1.6.19“. Mit dem Begriff der „Versicherungssumme“ wird im Rahmen von Schadensversicherungen grundsätzlich der Betrag der Maximalentschädigung des VR festgelegt. Sie bildet gleichzeitig die Grundlage für die vom VN zu leistende Prämie. Nach den SVB des VN entspricht dieses Verständnis einer Versicherungssumme als Höchstentschädigungsbetrag dem dort verwendeten Begriff des „Versicherungswerts“. Gemäß Ziffer 13.1.1 Teil B der SVB leistet der VR nämlich Entschädigung je Versicherungsfall höchstens bis zum Versicherungswert für vom Schaden betroffene versicherte Sachen. Unter dem Abschnitt 7 „Versicherungswert“ der SVB Teil B ist in Ziffer 7.9 die „Wertermittlung“ geregelt. Dort heißt es, dass die (im Versicherungsfall zu ersetzenden) Versicherungswerte der zu versichernden Sachen zu Beginn des Versicherungsverhältnisses entweder durch den VR ermittelt werden oder durch freie Vereinbarung zwischen dem VN und dem VR in Form von Höchstentschädigungen festgesetzt werden. Eine Wertermittlung durch den VR ist unstreitig nicht erfolgt. Stattdessen haben sich die Parteien vorliegend im Sinne von Ziffer 7.9.1.2 Teil B der SVB über die Versicherungswerte in Form von Höchstentschädigungen geeinigt. In der Objektliste waren die zu versichernden Objekte mitsamt ihrem Wert angegeben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Werte als „Versicherungssumme“ oder „Versicherungswerte“ oder noch anders bezeichnet waren.
  • Das folgt bereits daraus, dass die Objektliste zusammen mit den AVB von Seiten des VN vorgelegt wurde und unter Ziffer 7.9.1.2 Teil B der SVB eine freie Vereinbarung über die Versicherungswerte in Form von Höchstentschädigungen zu Beginn des Vertragsverhältnisses vorgesehen ist. Es war der VN, der im Rahmen der Ausschreibung sowohl die SVB als auch die Objektwerte in der Objektliste verbindlich vorgegeben hat. Daher ist hier in der Situation des VR auf die Sicht eines objektiven VR abzustellen.
  • Die beiden Alternativen der Wertermittlung in Ziffer 7.9.1 Teil B der SVB standen selbstständig nebeneinander. Das ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Systematik der Regelungen. Es bestand also keine Pflicht des VR, die Werte selbst zu ermitteln.

Hinzu kommt, dass aus Sicht des VR keine Veranlassung zu freiwilligen Wertermittlungen auf eigene Kosten bestand. Die Parteien hatten sich ausgehend von Ziffer 7.9.1.2 Teil B der SVB über Versicherungswerte in Form von Höchst-entschädigungen geeinigt. Basierend auf diesen Versicherungssummen konnten sie ihr Risiko bewerten, zumal abweichende Werte im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens ohnehin keine Berücksichtigung gefunden hätten. Es war vielmehr ausschließlich im Interesse des VN, dafür Sorge zu tragen, dass der bestehende Versicherungsschutz in Form der vereinbarten Höchstentschädigungssummen sein Risiko realistisch abbildete. Hätte der VN einen weitergehenden Versicherungsschutz gewollt, hätte er diesen bei dem VR anfragen müssen. Auch aus dem Umstand, dass in Ziffer 4.1.2 der Leistungsbeschreibung angegeben ist, dass die Gebäudewerte aus der Objektliste die Grundlage der Beitragsberechnung bilden, folgt nichts anderes. Die Klausel in Ziffer 4.1.2 der Leistungsbeschreibung konnte daher aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zwanglos als Klarstellung verstanden werden, dass dem Angebot (zwingend) die vorgegebenen Werte zugrunde zu legen waren. Dementsprechend ergab sich – zumindest aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers – kein Widerspruch: Als Grundlage der Beitragsberechnung (Ziffer 4.1.2 der Leistungsbeschreibung) wurden Gebäudewerte vorgegeben, die als Versicherungssumme im Sinne einer Höchstentschädigung (Ziffer 7.9.1.2 Teil B der SVB) vereinbart werden sollten.

Außerdem entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Versicherungsprämie höher ausfällt, je mehr Versicherungsleistung erbracht werden soll. Eine Versicherung zum unbegrenzten Neuwert ist naturgemäß teurer als eine Versicherung mit Begrenzung der Höchstentschädigungssumme. Hinzu kommt, dass ein Unterversicherungsverzicht, auf den der VN Wert gelegt hat, nur sinnvoll ist, wenn eine Höchstentschädigung vereinbart ist. Gemäß Ziffer 10 Teil B der SVB sollte keine Anrechnung einer Unterversicherung erfolgen, wenn die Versicherungssumme niedriger als der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls ist. Mit einem solchen Unterversicherungsverzicht wird eine Leistungskürzung bei Teilschäden verhindert, bei denen die Reparaturkosten zum Neuwert hinter der Versicherungssumme zurückbleiben. Einer solchen Vereinbarung, auf welche der VN ausdrücklich bestanden hat, bedarf es nur, wenn eine Höchstentschädigung vereinbart ist. Andernfalls ist ohnehin der (unbegrenzte) Neuwert zu ersetzen und es gäbe keine Versicherungssumme, die mit dem Versicherungswert in Verhältnis gesetzt werden könnte. Der VN hatte unter Ziffer 3.1.2 der Leistungsbeschreibung vorausgesetzt, dass der VR einem uneingeschränkten Unterversicherungsverzicht zustimmt. Diese eindeutige Positionierung unterstreicht den sich für einen objektiven VR in der Situation des VR ergebenden Eindruck, dass in der Objektliste Versicherungswerte als Höchstentschädigungssummen vorgegeben werden sollten.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der VN vorliegend das Risiko von missverständlichen oder unterbliebenen Regelungen in den AGB tragen muss, weil er die Bedingungen vorgegeben hat. Für den VR waren Änderungen hieran nicht möglich (vgl. Ziff. 1.7.2 der Leistungsbeschreibung). Gemäß § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung von AGB, wie hier der SVB, zulasten des Verwenders. Wenn der VN den VR zu eigenen Wertermittlungen zwingen wollte, hätte er eine entsprechende Regelung in das Vertragswerk aufnehmen können und müssen. Stattdessen hat er die Möglichkeit der Wertermittlung durch den VR gemäß Ziffer 7.9.1.1 Teil B der SVB gleichwertig neben die freie Vereinbarung der Parteien über Höchstentschädigungsgrenzen gemäß Ziffer 7.9.1.2 Teil B der SVB gesetzt. Der Umstand, dass der VR sich auf die von dem VN vorgegebenen Objektwerte im Rahmen einer Einigung eingelassen und keine eigenen Wertermittlungen angestellt hat, geht zulasten des VN. Er muss das Risiko tragen, dass eine Vereinbarung der Versicherungswerte auf der Grundlage der Objektlisten zustande kommt, denn er hätte es in der Hand gehabt, eine abweichende bzw. klarstellende Regelung in die von ihr vorgelegten Vertragsbedingungen aufzunehmen. Nach alledem liegt eine freie Vereinbarung von Versicherungswerten in Form von Höchstentschädigungen zwischen den Parteien vor.

Danach hat der VN keinen Anspruch gegen den VR auf Versicherungsleistungen über den vereinbarten Versicherungswert hinaus. In der unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls geltenden Objektliste ist für die streitgegenständliche Sporthalle eine Versicherungssumme von 1.802.800 EUR ausgewiesen. Hiervon sind die Werte der separat aufgeführten Heizungsanlage und des Holzschnitzellagers in Abzug zu bringen, woraus sich die Entschädigungssumme errechnet. Hinzu kommen die in der Inhaltsversicherung aufgeführten 83.600 EUR, was einem Gesamtbetrag von 1.701.400 EUR entspricht. Etwas anderes folgt nicht aus § 5 Abs. 1 VVG.

Aus gleichlautenden Erwägungen kann der VN im vorliegenden Fall keinen Anspruch wegen einer Beratungspflichtverletzung herleiten. Gibt der VN selbst die Gebäudewerte vor und müssen diese im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens die Grundlage des Vertragsangebots des VR bilden, ist jedenfalls unter den konkreten Umständen im Hinblick auf die vereinbarten Versicherungswerte kein Platz für eine Beratung seitens des VR.

Relevanz für die Praxis

Zutreffend geht das Gericht davon aus, dass es den Parteien bei einer Neuwertversicherung freisteht, das Risiko auch durch Höchstentschädigungsbeträge zu begrenzen (BGH VK 09, 213). Die Vereinbarung einer solchen Wertgrenze ergibt sich vorliegend aus dem Inhalt des Versicherungsscheins (BGH VK 16, 134). Der dort genannte Begriff der Versicherungssumme ist die Grundlage für die Maximalentschädigung als Leistungsbegrenzung (Langheid/Wandt/Halbach, 3. Aufl., § 74 Rn. 1). Den Inhalt hat das OLG durch Auslegung des Bedingungswerks ermittelt. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass der VN vorliegend Verwender der SVB ist (§ 305c Abs. 2 BGB).

AUSGABE: VK 2/2025, S. 22 · ID: 50297930

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