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ProzessrechtNeuwertentschädigung: Unter diesen Voraus-setzungen ist eine Feststellungsklage möglich

Abo-Inhalt12.02.20252787 Min. Lesedauer

| Eine Feststellungsklage auf eine künftige Verpflichtung des VR zur Entschädigung der Neuwertspitze ist auch dann zulässig, wenn die Bedingung der strengen Wiederherstellungsklausel noch nicht eingetreten ist, aber die Grundlagen des Anspruchs auf Entschädigung der Neuwertentschädigung bereits angelegt sind. Diese prozessuale Entscheidung traf das OLG Oldenburg. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten über den Umfang von Leistungsansprüchen des VN aus einer Gebäudeversicherung im Zusammenhang mit einer durch Feuer vollständig zerstörten kommunalen Sporthalle. Der VN begehrt die Feststellung, dass der VR für die durch den Brand zerstörte Turnhalle nicht lediglich in Höhe von 1.701.400 EUR, sondern auch hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrags bis hin zum Neuwert ersatzpflichtig ist. Mit einem Neuaufbau der Sporthalle wurde noch nicht begonnen. Das LG hat die Feststellungsklage abgewiesen. Es fehle das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des VN hatte auch vor dem OLG Oldenburg keinen Erfolg (16.5.24, 1 U 118/23, Abruf-Nr. 246098). Das OLG hielt den Hauptantrag zwar für zulässig. Es wies die Klage aber aus materiellen Gründen ab.

Die Entscheidung hat eine wichtige prozessuale Aussage. Das OLG machte nämlich deutlich, dass der zur Entscheidung gestellte Hauptantrag (der Feststellungsantrag) zulässig war. Gegen dessen Bestimmtheit bestanden keine Bedenken. Der Antrag ist auch auf die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses gerichtet. Sieht ein Versicherungsvertrag vor, dass bestimmte Leistungen nur dann zu erbringen sind, wenn eine Neuherstellung oder Neubeschaffung des versicherten Gegenstands erfolgt oder sichergestellt ist (Neuwertspitze), und weigert sich der VR, seine grundsätzliche Pflicht zur Erbringung dieser Leistung anzuerkennen, so ist eine Klage auf Feststellung der Leistungspflicht auch dann zulässig, wenn die Neuherstellung oder Neubeschaffung noch nicht sichergestellt ist.

Zwar ist der Anwendungsbereich des § 256 ZPO grundsätzlich noch nicht eröffnet, soweit der VN die Feststellung von Rechtsfolgen aus einem Rechtsverhältnis begehrt, das noch nicht besteht, sondern erst in Zukunft unter Voraussetzungen, deren Eintritt noch offen ist, entstehen kann. Dies bedeutet allerdings nicht, dass für die Eröffnung der Feststellungsklage alle Umstände, von denen die Entstehung der festzustellenden Rechtsfolge abhängt, bereits eingetreten sein müssten. Vielmehr reicht es insoweit aus, dass die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Beziehungen schon zur Zeit der Klageerhebung wenigstens die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden. Diese Voraussetzungen lagen hier vor.

Die Bedingungen der strengen Wiederherstellungsklausel waren hier unstreitig noch nicht eingetreten, da noch keine ausreichend konkreten Tätigkeiten zur Wiederherstellung entfaltet wurden. Sinn und Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel ist es, das subjektive Risiko des VR zu begrenzen. Er soll davor geschützt werden, dass der VN – wie bei freier Verwendbarkeit einer Versicherungssumme – in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versicherungsfalls Vermögensvorteile zu verschaffen. Dementsprechend entsteht der Anspruch auf die Neuwertspitze um Manipulationen auszuschließen erst, wenn keine vernünftigen Zweifel an der Wiederherstellung bestehen. Das kann etwa angenommen werden, wenn mit den Wiederherstellungsarbeiten bereits begonnen wurde oder jedenfalls ein verbindlicher Bauvertrag mit einem leistungsfähigen Unternehmer vorliegt. Das war hier nicht der Fall, daher bestanden Zweifel an der Wiederherstellung.

Für die Gegenwärtigkeit des Rechtsverhältnisses kommt es hierauf jedoch nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die Grundlagen des Anspruchs auf Entschädigung der Neuwertspitze nach Eintritt des Versicherungsfalls bereits angelegt sind und es zur Entstehung des Anspruchs ausschließlich noch der Sicherstellung der Entschädigungsverwendung bedarf. Bei Vorliegen solch verdichteter Rechtsbeziehungen liegt das erforderliche gegenwärtige Rechtsverhältnis vor. Die Argumente des OLG:

  • Es besteht eine grundsätzliche Rechtsbeziehung zwischen den Parteien durch den Versicherungsvertrag.
  • Es besteht ein rechtliches Feststellungsinteresse. Nur durch den Feststellungsantrag kann der VN gerichtlich klären lassen, ob ihm die notwendigen Mittel für den geplanten Wiederaufbau zur Verfügung stehen werden.
  • Eine Leistungsklage ist wegen der strengen Wiederherstellungsklausel nicht möglich.

Relevanz für die Praxis

Das Gericht bezieht sich auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach eine auf Feststellung der Leistungspflicht gerichtete Klage im Bereich der Neuwertversicherung auch dann zulässig ist, wenn die Neuherstellung oder Neubeschaffung noch nicht sichergestellt ist (BGH VersR 17, 90 = VK 17, 45; OLG Karlsruhe r+s 19, 205 = VK 19, 82; OLG Celle VersR 20, 830; OLG Dresden r+s 21, 31; anders OLG Köln BeckRS 2021, 49380).

Dem ist zuzustimmen. Ausreichend ist insoweit, dass die Rechtsbeziehungen der Parteien zur Zeit der Klageerhebung bereits die Grundlage der Ansprüche bilden (BGH VersR 06, 535). Eine Rückgängigmachung muss fernliegen (BGH VersR 11, 1180; VersR 04, 512; OLG Hamm VersR 16, 116; OLG Celle r+s 10, 114; HK-VVG/Halbach, 5. Aufl. § 93 Rn. 12 ff.) Insoweit besteht auch ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung (OLG Dresden r+s 21, 31; OLG Karlsruhe VersR 20, 1378). Die Festellungsklage ist schließlich auch die einzige Möglichkeit des VN, sich gegen eine rechtswidrige Zahlungsverweigerung des VR zur Wehr zu setzen.

Weiterführender Hinweis
  • Zur Feststellungsklage in Wohngebäude- und Hausratversicherung: BGH VK 22, 112

AUSGABE: VK 2/2025, S. 20 · ID: 50298518

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