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RechtsschutzversicherungReisekosten in der Rechtsschutzversicherung

Top-BeitragAbo-Inhalt15.01.20257 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Kennen auch Sie den Einwand von Rechtsschutzversicherern, dass die Reisekosten des Anwalts nicht versichert sind? Diese Aussage ist in dieser Form falsch. Denn Reisekosten sind gesetzliche Auslagen nach Nr. 7003 ff. VV RVG und fallen damit grundsätzlich unter den Versicherungsschutz. Allerdings können die Versicherungsbedingungen die Höhe der ersetzbaren Reisekosten begrenzen. Der folgende Beitrag erläutert die Einzelheiten. |

1. Allgemeine Begrenzungsklausel beachten

Im Allgemeinen verwenden Rechtsschutz-VR in ihren Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) die folgende Begrenzungsklausel:

ARB: Allgemeine Begrenzung der Reisekosten durch VR

Die … erbringt und vermittelt Dienstleistungen zur rechtlichen Interessenwahrnehmung und trägt bei Eintritt des Rechtsschutzfalls im Inland die Vergütung eines für den VN tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts …

Hieraus folgt, dass Reisekosten zwar grundsätzlich versichert sind. Diese sind aber auf die Reisekosten eines Anwalts beschränkt, der seine Kanzlei am Ort des Gerichts hat. Da dieser Anwalt keine Reisekosten zu einem gerichtlichen Termin abrechnen kann (Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG), braucht der VR folglich auch keine Reisekosten zu ersetzen.

Beispiel 1: Rechtsanwalt am Gerichtsort

Die Partei beauftragt für einen Verkehrsunfallprozess vor dem LG Köln einen Anwalt aus Köln. Der Anwalt fährt zum Gerichtstermin.
Lösung: Da keine Geschäftsreise vorliegt (Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG), fallen auch keine Reisekosten an. Die Frage des Versicherungsschutzes stellt sich nicht.

Beispiel 2: Rechtsanwalt außerhalb des Gerichtsorts

Die in Gummersbach wohnende Partei beauftragt für einen Verkehrsunfallprozess vor dem LG Köln einen Anwalt aus Gummersbach, was zum LG-Bezirk Köln gehört. Der Gummersbacher Anwalt fährt zum Gerichtstermin nach Köln.
Lösung: Beauftragt der Mandant einen Anwalt außerhalb des Gerichtsorts, entstehen zwar Reisekosten. Da bei einem ortsansässigen Anwalt aber keine Reisekosten anfallen würden (siehe Beispiel 1), muss der Rechtsschutz-VR insoweit auch jetzt keine Kosten übernehmen.

Beispiel 3: Auswärtiger Termin

Die in Gummersbach wohnende Partei beauftragt für einen Verkehrsunfallprozess vor dem LG Köln einen Anwalt aus Köln. Der Kölner Anwalt nimmt am Gerichtstermin in Köln teil. Hiernach kommt es zu einem Sachverständigentermin in Gummersbach, an dem der Anwalt ebenfalls teilnimmt.
Lösung: Der Mandant hat genau das getan, was die ARB ihm vorgeben: Er hat einen Anwalt am Ort des Gerichts beauftragt. Da dieser nun aber zu einem auswärtigen Termin fahren muss und folglich Reisekosten anfallen, muss der Rechtsschutz-VR diese Kosten übernehmen. In diesem Fall greift die Begrenzung nach den ARB selbstverständlich nicht.

Beispiel 4: Auswärtiger Termin, auswärtiger Rechtsanwalt

Die in Gummersbach wohnende Partei beauftragt für einen Verkehrsunfallprozess vor dem LG Köln einen Anwalt aus Gummersbach. Der Gummersbacher Anwalt fährt zum Gerichtstermin nach Köln. Hiernach kommt es zu einem Sachverständigentermin in Gummersbach, an dem der Anwalt ebenfalls teilnimmt.
Lösung: Hätte der VN einen am Gerichtsort ansässigen Anwalt in Köln beauftragt, hätte der Rechtsschutz-VR dessen Reisekosten für den Termin in Gummersbach übernehmen müssen (siehe Beispiel 3).
Dadurch, dass der VN einen Anwalt an seinem Wohnort (Gummersbach) beauftragt hat, ergeben sich jetzt aber keine Mehrkosten gegenüber einem ortsansässigen Kölner Anwalt: Der Kölner Anwalt hätte von Köln nach Gummersbach zum Ortstermin fahren müssen. Der Gummersbacher Anwalt muss von Gummersbach nach Köln zum Verhandlungstermin fahren. Die Entfernung ist dieselbe, auch die Kosten sind gleich hoch. Mit der Reise von Gummersbach nach Köln werden also keine höheren Kosten verursacht als mit der Reise von Köln nach Gummersbach.
Der VR muss hier also auch die Kosten des auswärtigen Anwalts übernehmen, die nicht generell ausgeschlossen, sondern nur begrenzt auf die Kosten eines ortsansässigen Anwalts sind.

Beispiel 5: Auswärtiger Rechtsanwalt, auswärtiger Termin

Gegen den Mandanten wird vor dem AG Gummersbach ein Beweisverfahren eingeleitet. Er beauftragt einen Gummersbacher Anwalt. Später wird Hauptsacheklage vor dem LG Köln erhoben, mit der der Gummersbacher Anwalt beauftragt wird.
Lösung: Von dem Rechtsschutz-VTR sind im landgerichtlichen Verfahren nur die Kosten eines am Ort des Gerichts ansässigen Anwalts zu übernehmen. Dieser hätte keine Reisekosten. Insoweit entstehen also gegenüber dem Gummersbacher Anwalt Mehrkosten. Andererseits müsste sich ein Kölner Anwalt – im Gegensatz zum Gummersbacher Anwalt – nicht die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens anrechnen lassen (Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG). Er würde also eine anrechnungsfreie Verfahrensgebühr erhalten, während der Gummersbacher Anwalt sich die im Beweisverfahren angefallene Verfahrensgebühr anrechnen lassen muss. Der Vergleich ergibt: Im Ergebnis wäre der ortsansässige Anwalt teurer, sodass der Rechtsschutz-VR die Reisekosten des Gummersbacher Anwalts bis zur Höhe der ersparten Anrechnung übernehmen muss.

2. Die ADAC-Bedingungen sind ein Sonderfall

Der ADAC regelt die anwaltlichen Reisekosten abweichend wie folgt.

§ 5 ARB ADAC: Leistungsumfang

  • (1) Der ADAC Rechtsschutz trägt folgende Kosten im jeweils erforderlichen Umfang:
    • a) Bei Eintritt eines Rechtsschutzfalls im Inland
    • die Kosten eines für den Versicherten tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung; wählt der Versicherte einen Rechtsanwalt, der außerhalb des Bezirks des zuständigen Gerichts niedergelassen ist, hat er die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen; ...

Der ADAC übernimmt also nicht nur die Kosten eines ortsansässigen Anwalts, sondern auch die Kosten eines Anwalts, der seinen Sitz im Gerichtsbezirk hat. Folglich sind nur die Mehrkosten von dem Versicherungsschutz ausgeschlossen, die dadurch entstehen, dass der VN einen Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks nimmt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Kosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts einschließlich seiner Reisekosten immer vom Rechtsschutz-VR zu übernehmen sind.

Beispiel 6 (Sachverhalt wie Beispiel 2)

Die Partei beauftragt für einen Verkehrsunfallprozess vor dem LG Köln einen Anwalt aus Gummersbach, der zum Gerichtstermin nach Köln fährt.
Lösung: Da die Kosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts in voller Höhe zu übernehmen sind und die Bedingungen des ADAC nur die Mehrkosten ausschließen, übernimmt der ADAC die Reisekosten des Gummersbacher Anwalts bis zur höchstmöglichen Entfernung im LG-Bezirk Köln (anders als der VR in Beispiel 2).

3. Beachten Sie zudem die sog. 100-km-Klausel

In den einschlägigen ARB findet sich noch eine weitere Klausel zu den Reisekosten, die sog. 100-km-Klausel. Üblicherweise wird hierfür die folgende Formulierung verwendet:

ARB: Die 100-km-Klausel

Wohnt der VN mehr als 100 km Luftlinie vom zuständigen Gericht entfernt und erfolgt eine gerichtliche Wahrnehmung seiner Interessen, trägt die … bei den Leistungsarten gemäß § 2 a) bis g), l), m), und o) in der ersten Instanz weitere Kosten für einen im Landgerichtsbezirk des VN ansässigen Rechtsanwalt bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines Rechtsanwalts, der lediglich den Verkehr mit dem Prozessbevollmächtigten führt, oder stattdessen in gleicher Höhe Reisekosten und Abwesenheitsgelder des für den VN tätigen Rechtsanwalts; ...
Beispiel 7: Ersparte Verkehrsanwaltskosten
Der Mandant wohnt in Hamburg. Der Rechtsstreit findet vor dem AG Köln statt. Es wird ein Anwalt aus Hamburg beauftragt, der nach Köln fährt.
a) Der Streitwert beträgt 3.000 EUR.
b) Der Streitwert beträgt 7.000 EUR.
Lösung: Würde der VN in Hamburg einen Verkehrsanwalt und in Köln den Prozessbevollmächtigten beauftragen, würde der Rechtsschutz-VR die Kosten beider Anwälte übernehmen.
Stattdessen hat der VN aber auch die Möglichkeit, einen Prozessbevollmächtigten an seinem Sitz zu beauftragen, der zu dem Gerichtstermin fährt. In diesem Fall muss der Rechtsschutz-VR die tatsächlich angefallenen Reisekosten bis zur Höhe der Kosten des (ersparten) Verkehrsanwalts übernehmen, also in Höhe einer 1,0-Verfahrensgebühr (Nr. 3400 VV RVG) nebst Auslagen und Umsatzsteuer. In solchen Fällen ist also auf jeden Fall eine Vergleichsberechnung vorzunehmen:
Die Reisekosten des Hamburger Anwalts betragen:
2 × 435 km × 0,42 EUR/km
365,40 EUR
Abwesenheitsgeld
80,00 EUR
445,40 EUR
Der Vergleich mit den Kosten des Verkehrsanwalts ergibt:

Im Fall a) beträgt die 1,0-Verfahrensgebühr des Verkehrsanwalts (Nr. 3400 VV RVG) 222 EUR. Hinzu kommen 20 EUR Postentgeltpauschale. Daher muss der VR die Reisekosten nur i. H. v. 242 EUR übernehmen.

Im Fall b) beträgt die 1,0-Verfahrensgebühr des Verkehrsanwalts (Nr. 3400 VV RVG) 446 EUR. Hinzu kommen 20 EUR Postentgeltpauschale. Insgesamt sind dies 466 EUR. Der VR muss hier also die Reisekosten von 445,40 EUR in voller Höhe übernehmen.

Praxistipp | Auch wenn die Übernahme von Reisekosten im Rahmen der Rechtsschutzversicherung erheblich eingeschränkt ist, kann es in bestimmten Konstellationen doch dazu kommen, dass der Rechtsschutz-VR die Reisekosten ganz oder anteilig übernehmen muss. Es lohnt sich also, einen Blick in die ARB zu werfen und den Deckungsumfang genau zu prüfen.
Scheidet die Übernahme der Reisekosten durch den Rechtsschutz-VR letztlich doch aus, besteht immer noch die Möglichkeit, die Reisekosten über das sog. Quotenvorrecht (§ 86 Abs. 1 S. 2 VVG) im Rahmen der Kostenerstattung wieder hereinzuholen.
Weiterführende Hinweise
  • Sonderausgabe „Reisekosten und Auslagenerstattung: Praktische Lösungen und Beispiele“, iww.de/rvgprof, Abruf-Nr. 48547406
  • Anspruch des Rechtsschutz-VR auf Herausgabe erstatteter Gerichtskosten: VK 22, 73
  • Die Basics: Die Straf-Rechtsschutzversicherung: Kricke Embser, VK 22, 13

AUSGABE: VK 1/2025, S. 15 · ID: 49856478

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