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RechtsschutzversicherungReisekosten in der Rechtsschutzversicherung
| Kennen auch Sie den Einwand von Rechtsschutzversicherern, dass die Reisekosten des Anwalts nicht versichert sind? Diese Aussage ist in dieser Form falsch. Denn Reisekosten sind gesetzliche Auslagen nach Nr. 7003 ff. VV RVG und fallen damit grundsätzlich unter den Versicherungsschutz. Allerdings können die Versicherungsbedingungen die Höhe der ersetzbaren Reisekosten begrenzen. Der folgende Beitrag erläutert die Einzelheiten. |
1. Allgemeine Begrenzungsklausel beachten
Im Allgemeinen verwenden Rechtsschutz-VR in ihren Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) die folgende Begrenzungsklausel:
ARB: Allgemeine Begrenzung der Reisekosten durch VR |
Die … erbringt und vermittelt Dienstleistungen zur rechtlichen Interessenwahrnehmung und trägt bei Eintritt des Rechtsschutzfalls im Inland die Vergütung eines für den VN tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts … |
Hieraus folgt, dass Reisekosten zwar grundsätzlich versichert sind. Diese sind aber auf die Reisekosten eines Anwalts beschränkt, der seine Kanzlei am Ort des Gerichts hat. Da dieser Anwalt keine Reisekosten zu einem gerichtlichen Termin abrechnen kann (Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG), braucht der VR folglich auch keine Reisekosten zu ersetzen.
Beispiel 1: Rechtsanwalt am Gerichtsort |
Keine Kosten-übernahme durch VR Lösung: Da keine Geschäftsreise vorliegt (Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG), fallen auch keine Reisekosten an. Die Frage des Versicherungsschutzes stellt sich nicht. |
Beispiel 2: Rechtsanwalt außerhalb des Gerichtsorts |
Keine Kostenübernahme durch VR Lösung: Beauftragt der Mandant einen Anwalt außerhalb des Gerichtsorts, entstehen zwar Reisekosten. Da bei einem ortsansässigen Anwalt aber keine Reisekosten anfallen würden (siehe Beispiel 1), muss der Rechtsschutz-VR insoweit auch jetzt keine Kosten übernehmen. |
Beispiel 3: Auswärtiger Termin |
Kostenübernahme durch VR Lösung: Der Mandant hat genau das getan, was die ARB ihm vorgeben: Er hat einen Anwalt am Ort des Gerichts beauftragt. Da dieser nun aber zu einem auswärtigen Termin fahren muss und folglich Reisekosten anfallen, muss der Rechtsschutz-VR diese Kosten übernehmen. In diesem Fall greift die Begrenzung nach den ARB selbstverständlich nicht. |
Beispiel 4: Auswärtiger Termin, auswärtiger Rechtsanwalt |
Kostenübernahme durch VR Lösung: Hätte der VN einen am Gerichtsort ansässigen Anwalt in Köln beauftragt, hätte der Rechtsschutz-VR dessen Reisekosten für den Termin in Gummersbach übernehmen müssen (siehe Beispiel 3). Dadurch, dass der VN einen Anwalt an seinem Wohnort (Gummersbach) beauftragt hat, ergeben sich jetzt aber keine Mehrkosten gegenüber einem ortsansässigen Kölner Anwalt: Der Kölner Anwalt hätte von Köln nach Gummersbach zum Ortstermin fahren müssen. Der Gummersbacher Anwalt muss von Gummersbach nach Köln zum Verhandlungstermin fahren. Die Entfernung ist dieselbe, auch die Kosten sind gleich hoch. Mit der Reise von Gummersbach nach Köln werden also keine höheren Kosten verursacht als mit der Reise von Köln nach Gummersbach. Der VR muss hier also auch die Kosten des auswärtigen Anwalts übernehmen, die nicht generell ausgeschlossen, sondern nur begrenzt auf die Kosten eines ortsansässigen Anwalts sind. |
Beispiel 5: Auswärtiger Rechtsanwalt, auswärtiger Termin |
Gegen den Mandanten wird vor dem AG Gummersbach ein Beweisverfahren eingeleitet. Er beauftragt einen Gummersbacher Anwalt. Später wird Hauptsacheklage vor dem LG Köln erhoben, mit der der Gummersbacher Anwalt beauftragt wird. Lösung: Von dem Rechtsschutz-VTR sind im landgerichtlichen Verfahren nur die Kosten eines am Ort des Gerichts ansässigen Anwalts zu übernehmen. Dieser hätte keine Reisekosten. Insoweit entstehen also gegenüber dem Gummersbacher Anwalt Mehrkosten. Andererseits müsste sich ein Kölner Anwalt – im Gegensatz zum Gummersbacher Anwalt – nicht die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens anrechnen lassen (Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG). Er würde also eine anrechnungsfreie Verfahrensgebühr erhalten, während der Gummersbacher Anwalt sich die im Beweisverfahren angefallene Verfahrensgebühr anrechnen lassen muss. Der Vergleich ergibt: Im Ergebnis wäre der ortsansässige Anwalt teurer, sodass der Rechtsschutz-VR die Reisekosten des Gummersbacher Anwalts bis zur Höhe der ersparten Anrechnung übernehmen muss. |
2. Die ADAC-Bedingungen sind ein Sonderfall
Der ADAC regelt die anwaltlichen Reisekosten abweichend wie folgt.
§ 5 ARB ADAC: Leistungsumfang |
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Der ADAC übernimmt also nicht nur die Kosten eines ortsansässigen Anwalts, sondern auch die Kosten eines Anwalts, der seinen Sitz im Gerichtsbezirk hat. Folglich sind nur die Mehrkosten von dem Versicherungsschutz ausgeschlossen, die dadurch entstehen, dass der VN einen Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks nimmt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Kosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts einschließlich seiner Reisekosten immer vom Rechtsschutz-VR zu übernehmen sind.
Beispiel 6 (Sachverhalt wie Beispiel 2) |
Kostenübernahme durch ADAC Lösung: Da die Kosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts in voller Höhe zu übernehmen sind und die Bedingungen des ADAC nur die Mehrkosten ausschließen, übernimmt der ADAC die Reisekosten des Gummersbacher Anwalts bis zur höchstmöglichen Entfernung im LG-Bezirk Köln (anders als der VR in Beispiel 2). |
3. Beachten Sie zudem die sog. 100-km-Klausel
In den einschlägigen ARB findet sich noch eine weitere Klausel zu den Reisekosten, die sog. 100-km-Klausel. Üblicherweise wird hierfür die folgende Formulierung verwendet:
ARB: Die 100-km-Klausel |
Wohnt der VN mehr als 100 km Luftlinie vom zuständigen Gericht entfernt und erfolgt eine gerichtliche Wahrnehmung seiner Interessen, trägt die … bei den Leistungsarten gemäß § 2 a) bis g), l), m), und o) in der ersten Instanz weitere Kosten für einen im Landgerichtsbezirk des VN ansässigen Rechtsanwalt bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines Rechtsanwalts, der lediglich den Verkehr mit dem Prozessbevollmächtigten führt, oder stattdessen in gleicher Höhe Reisekosten und Abwesenheitsgelder des für den VN tätigen Rechtsanwalts; ... |
Beispiel 7: Ersparte Verkehrsanwaltskosten | |
Der Mandant wohnt in Hamburg. Der Rechtsstreit findet vor dem AG Köln statt. Es wird ein Anwalt aus Hamburg beauftragt, der nach Köln fährt. a) Der Streitwert beträgt 3.000 EUR. b) Der Streitwert beträgt 7.000 EUR. Lösung: Würde der VN in Hamburg einen Verkehrsanwalt und in Köln den Prozessbevollmächtigten beauftragen, würde der Rechtsschutz-VR die Kosten beider Anwälte übernehmen. Stattdessen hat der VN aber auch die Möglichkeit, einen Prozessbevollmächtigten an seinem Sitz zu beauftragen, der zu dem Gerichtstermin fährt. In diesem Fall muss der Rechtsschutz-VR die tatsächlich angefallenen Reisekosten bis zur Höhe der Kosten des (ersparten) Verkehrsanwalts übernehmen, also in Höhe einer 1,0-Verfahrensgebühr (Nr. 3400 VV RVG) nebst Auslagen und Umsatzsteuer. In solchen Fällen ist also auf jeden Fall eine Vergleichsberechnung vorzunehmen: Die Reisekosten des Hamburger Anwalts betragen: | |
2 × 435 km × 0,42 EUR/km | 365,40 EUR |
Abwesenheitsgeld | 80,00 EUR |
445,40 EUR | |
Der Vergleich mit den Kosten des Verkehrsanwalts ergibt: Im Fall a) beträgt die 1,0-Verfahrensgebühr des Verkehrsanwalts (Nr. 3400 VV RVG) 222 EUR. Hinzu kommen 20 EUR Postentgeltpauschale. Daher muss der VR die Reisekosten nur i. H. v. 242 EUR übernehmen. Im Fall b) beträgt die 1,0-Verfahrensgebühr des Verkehrsanwalts (Nr. 3400 VV RVG) 446 EUR. Hinzu kommen 20 EUR Postentgeltpauschale. Insgesamt sind dies 466 EUR. Der VR muss hier also die Reisekosten von 445,40 EUR in voller Höhe übernehmen. |
ARB checken und Kostenerstattungsverfahren nutzen Scheidet die Übernahme der Reisekosten durch den Rechtsschutz-VR letztlich doch aus, besteht immer noch die Möglichkeit, die Reisekosten über das sog. Quotenvorrecht (§ 86 Abs. 1 S. 2 VVG) im Rahmen der Kostenerstattung wieder hereinzuholen. |
- Sonderausgabe „Reisekosten und Auslagenerstattung: Praktische Lösungen und Beispiele“, iww.de/rvgprof, Abruf-Nr. 48547406
- Anspruch des Rechtsschutz-VR auf Herausgabe erstatteter Gerichtskosten: VK 22, 73
- Die Basics: Die Straf-Rechtsschutzversicherung: Kricke Embser, VK 22, 13
AUSGABE: VK 1/2025, S. 15 · ID: 49856478