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KaskoHeftiger Vollkasko-Unfallschaden am Elektrofahrzeug: Wer bezahlt die Sicherungsmaßnahmen?

Abo-Inhalt02.01.20251210 Min. Lesedauer

| Rund um die batterieelektrischen Fahrzeuge entstehen bei Unfallschäden immer wieder Fragen, die es in dieser Form bei den Verbrennerfahrzeugen nicht gab. Eine solche beschäftigt einen VK-Leser im Fall eines Vollkasko-Unfallschadens am Elektrofahrzeug. |

Frage: An einem Fahrzeug war die Antriebsbatterie nach einem heftigen selbst verschuldeten Unfall zweifelsfrei als kritische Batterie einzustufen. Gemäß den Vorgaben des Herstellers, aber auch gemäß den Gefahrgutregeln aus der ADR Sondervorschrift 376 bestand wegen des Schadenbilds die Gefahr, dass sich die Batterie erhitzt und selbstentzündet. Die vorgeschriebene Maßnahme ist es dann, die Batterie vom Fahrzeug zu trennen und in einem sicheren Behältnis aufzubewahren. Nach Rücksprache mit dem Kunden und mit dessen Einverständnis hat die Werkstatt diese Arbeiten durchgeführt.

Mit dem Vollkaskoversicherer wurde „Wiederbeschaffungswert minus Restwert“ abgerechnet. Die Übernahme der Kosten für die Sicherungsmaßnahmen lehnt der Vollkaskoversicherer aber ab. Der Mandant will sie auch nicht bezahlen, weil er nicht einsieht, versichert zu sein und dennoch auf Geld sitzen zu bleiben, wo er doch im Interesse der Umwelt und damit der Allgemeinheit das politisch erwünschte Fahrzeug hatte.

Antwort: Der Mandant muss bezahlen. Der Moralaspekt, den der Mandant anführt, ist für den Versicherungsschutz ohne jede Bedeutung.

1. Der Mandant ist in der Pflicht

Der Mandant muss die Arbeit bezahlen, denn er hat sie beauftragt. Dass er das vermutlich im Bewusstsein tat, der VR müsse die Kosten erstatten, spielt keine Rolle.

Selbst wenn er unfallbedingt kein Einverständnis hätte erklären können, weil er z. B. im Krankenhaus nicht erreichbar gewesen wäre, wäre das Handeln der Werkstatt nach Auffassung von VK in seinem mutmaßlichen Interesse gewesen und damit auf der Schiene „Geschäftsführung ohne Auftrag“ zu seinen Lasten gegangen. Denn er muss ein Interesse daran haben, dass sein Fahrzeug durch einen Vollbrand nicht noch mehr an Wert verliert; zumal er das Modell nach eigenen Angaben aus Umweltbewusstsein fährt und das Elektrofahrzeug viel CO² emittiert, wenn es auf diese Weise doch zum „Verbrenner“ wird.

Jedoch hat die Angelegenheit vermutlich auch einen geschäftspolitischen Aspekt. Manche Werkstatt wird den Kunden nur als letzte aller Möglichkeiten zur Kasse bitten wollen.

2. Bei Kasko muss der Versicherungsvertrag auf den Tisch

Eine davon zu trennende Frage ist, ob der Kaskoversicherer dem Kunden die Sicherungskosten erstatten muss. Dazu ist der Kaskovertrag einzusehen.

a) Unter die Standardklauseln passen die Kosten nicht

Die Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sehen vor, dass beim Totalschaden – wenn nicht repariert wird – die Differenz aus Wiederbeschaffungswert und Restwert erstattet wird. In Ihrem Fall gehören die Sicherungskosten weder zum Wiederbeschaffungswert noch können sie vom Restwert abgezogen werden. Auf den ersten Blick ist die Frage also negativ beantwortet. Jedoch kann ein zweiter Blick lohnen.

b) Manch VR hat bereits besondere Klauseln für Elektrofahrzeuge

Für aktuelle Kaskoverträge bieten verschiedene VR zusätzliche Schutzkomponenten für Hybrid- und Elektrofahrzeuge an, die bei Wahl des entsprechenden Tarifs vereinbart sind. Also muss geprüft werden, ob der Mandant einen solchen Zusatzschutz vereinbart hat. Ist das der Fall, ist zu prüfen, welchen Umfang der Zusatzschutz hat, und ob die Sicherungskosten damit abgedeckt sind. Exemplarisch soll hier die maßgebliche Klausel der Württembergischen gezeigt werden. Diese hat folgenden Wortlaut:

Klausel der Württembergischen

Bei Elektro-/Hybridfahrzeugen sind in der Produktlinie PremiumSchutz zusätzlich zu den unter Ziffer 1.3 Nummer (9) genannten Zusatzleistungen der Teilkasko, nachfolgende Leistungen versichert:

  • a. Allgefahrendeckung (AllRisk Deckung) für den Akku:

Bei einem Elektro-/Hybridfahrzeug besteht über die Schadenereignisse der Vollkaskoversicherung hinaus eine AllRisk-Deckung. Versichert sind die Beschädigung, Zerstörung oder der Verlust des Akkus durch alle Ereignisse.

Ausgeschlossen sind Schäden durch Verschleiß, Abnutzung sowie durch Konstruktions- oder Materialfehler.

Wird der Akku ganz oder teilweise durch einen Neuen ausgetauscht, verzichten wir auf einen Abzug „neu für alt“.

  • b. Mitversicherung von Ladestationen, Induktionsplatten oder Wallboxen:

Versichert sind Schäden an stationären oder mobilen Ladestationen, Induktionsplatten oder Wallboxen bis zu einem Höchstbetrag von 3.000 EUR. Voraussetzung: Sie sind deren Eigentümer und es besteht kein anderweitiger Versicherungsschutz (zum Beispiel durch eine Wohngebäudeversicherung).“

Hier käme es auf die Komponente a.) an. Sie hat im Verständnis eines durchschnittlichen VN den allumfassenden Namen „Allgefahrendeckung (AllRisk Deckung) für den Akku“. Bei „Allgefahrendeckung“ meint man folglich auf den ersten Blick, dann sei ja alles klar. Doch es wird ohne Eingrenzung durch ein „z. B.“ präzisiert: „Versichert sind die Beschädigung, Zerstörung oder der Verlust des Akkus durch alle Ereignisse.“ Ob der VR die Sicherungskosten akzeptieren würde, müsste sich zeigen. Ob ein Gericht den VR auf den plakativen Begriff „Allgefahrendeckung“ festnageln würde, ist nicht sicher.

3. Der Aspekt der Rettungskosten und die Hürden in der Praxis

In der Sachversicherung muss auch stets der Aspekt der „Rettungskosten“ mitbedacht werden. Droht der versicherten Sache eine Gefahr, muss der VN sie abwenden, wenn ihm das möglich und zumutbar ist. Dabei muss man sich vor Augen führen: Der VN rettet dann nicht das Auto, sondern den VR. Und zwar davor, für den ansonsten eintretenden Schaden bezahlen zu müssen. Wer der Nutznießer der Rettung ist, muss auch die durch die Rettung ausgelösten Aufwendungen tragen. Das ergibt sich aus den § 82 Abs. 1 und § 83 Abs. 1 VVG.

Der Vollkaskoversicherer ist auch der Teilkaskoversicherer, denn Vollkasko beinhaltet Teilkasko. Das verunfallte Fahrzeug hat nach dem Unfall noch einen Restwert. Würde der Akku sich entzünden, würde das dadurch nicht löschbar brennende Gesamtobjekt seinen Wert vollständig verlieren – und es schlügen Entsorgungskosten zu Buche. Der Schaden der Restwertreduzierung auf Null fiele dem Kaskoversicherer zur Last. Folglich „rettet“ die Trennung von Antriebsbatterie und Fahrzeug den VR vor dem Restwert-Totalverlust. Damit ist der Fall aber noch nicht gelöst.

1. Hürde: § 82 Abs. 1 VVG

Denn § 82 Abs. 1 VVG lautet: „Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.“

Nach verbreiteter Rechtsprechung setzt das eine unmittelbar bevorstehende Gefahr voraus. Ist die Selbsterwärmung der Batterie bereits im Gange, kann man die unmittelbar bevorstehende Gefahr ggf. bejahen. Wird durch die Trennung von Fahrzeug und Batterie nur die nicht unrealistische, aber im Moment dennoch nur abstrakte Gefahr entschärft, wird der VR mit diesem Abwehrargument nicht auf verlorenem Posten stehen.

2. Hürde: § 83 Abs. 1 VVG

Die weitere Hürde kann die Einschränkung in § 83 Abs. 1 VVG sein: „Der Versicherer hat Aufwendungen des Versicherungsnehmers nach § 82 Abs. 1 und 2, auch wenn sie erfolglos bleiben, insoweit zu erstatten, als der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten halten durfte“.

Evtl. wird der VR einwenden, die Kosten der Trennung überstiegen das Risiko der Entwertung durch einen Brand. Jedoch kann der VN zum Zeitpunkt der Entscheidung zur Trennung noch nicht wissen, wie hoch der Restwert des verunfallten Fahrzeugs ist. Da ist ihm, wie man es von der Abwägung beim „berührungslosen Wildschaden“ (der auch in die Fallgruppe der Rettungskosten fällt: Wie hoch wäre der Schaden beim Zusammenstoß mit dem Wild gewesen, wie hoch ist das Risiko, dass der Rettungsversuch mit weit höherem Schaden am Baum endet?) kennt, ein weiter Spielraum für irrtümlich für geboten gehaltene Rettungskosten zuzubilligen. Das dürfte also die kleinste Hürde sein.

AUSGABE: VK 1/2025, S. 9 · ID: 50256983

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