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HausratversicherungArglistige Verletzung der Auskunftsobliegenheit durch den unredlichen VN
| Der VN kommt seiner Auskunftsobliegenheit nicht nach, wenn er die vom VR berechtigterweise angeforderten Angaben zu seinen Vermögens- und Einkommensverhältnissen verweigert. Hat der VN dabei arglistig gehandelt, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich gewesen wäre, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG. Schwerwiegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des VN können bestehen, wenn er äußerst widersprüchliche und mit unstreitigen Tatsachen und früheren Erklärungen nicht in Einklang zu bringende Angaben macht und zudem zuvor zweimal an einem Hausratversicherungsbetrug beteiligt war. So entschied es das OLG Hamm. |
Sachverhalt
Der VN begehrt im Wege der Teilklage vom VR Leistungen wegen eines behaupteten Einbruchdiebstahls aufgrund einer Hausratversicherung. Dieser lagen die VHB 2012 zugrunde.
Mit Wirkung zum 8.3.17 schloss er bei dem VR einen Vertrag über eine Hausratversicherung ab. Am 16.5.17 erstattete der VN bei der Polizei Strafanzeige wegen eines Einbruchdiebstahls in der Mietwohnung und meldete den Einbruch beim VR. Er übersandte dem VR in der Folgezeit eine Auflistung mit den angeblich bei dem Einbruch entwendeten Sachen und bezifferte den Wert dieser Gegenstände mit über 100.000 EUR.
Der VR forderte unter dem 3.7.17 vom VN schriftlich weitere Unterlagen, u. a. eine „Vermögens- und Einkommensaufstellung“ an. Dies lehnte der VN ab. Im Jahre 2007 war der VN u. a. wegen Betrugs in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat verurteilt worden. Dem lag u. a. zugrunde, dass er einen Einbruchdiebstahl vortäuschte, indem er jeweils die Terrassentür der versicherten Wohnung aufhebelte und die Wohnung durchwühlte. Anschließend zahlten die damaligen VR Beträge von 70.000 EUR bzw. 50.000 EUR an den VN und dessen damalige Lebensgefährtin aus.
Das LG hat den VR – unter Klageabweisung im Übrigen – zur Zahlung von 30.000 EUR verurteilt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des VR hatte vor dem OLG Hamm Erfolg (23.8.24, 20 U 221/23, Abruf-Nr. 245543).
Der VN hat keinen Zahlungsanspruch gegen den VR wegen des behaupteten Einbruchdiebstahls Mitte Mai 2017 aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Hausratversicherungsvertrag i. V. m. § 1, § 3 Ziff. 1.a), §§ 12, 13 VHB 2012.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der VN hinsichtlich eines oder mehrerer Gegenstände den Beweis eines bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahls erbringen kann. Dafür würde genügen, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung gemäß § 286 ZPO beweisen würde, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Insofern hat das LG zu Recht ausgeführt, dass die sogenannte Redlichkeitsvermutung nicht für den VN streitet. Das gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der VN zweimal an einem Hausrat-Versicherungsbetrug beteiligt war, auch wenn die Taten schon länger zurückliegen. Dass er selbst beteiligt war, hat er vor dem Senat nicht in Abrede gestellt. Das lässt sich angesichts der strafrichterlichen Feststellungen auch nicht verneinen. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der VN auch in seiner Anhörung in mehreren Punkten, die mit dem vorliegenden Versicherungsfall zusammenhängen, äußerst widersprüchliche und mit unstreitigen Tatsachen und/oder eigenen früheren Angaben nicht in Einklang zu bringende Aussagen gemacht hat. Diese wecken zumindest schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit.
- So hat er in seiner Anhörung behauptet, dass die Wohnungstür nach dem Vorfall am Vortag des Einbruchs, als sich mehrere unbekannte Männer an seiner Wohnungstür zu schaffen gemacht hätten, „aufgebrochen“, zumindest aber einen Spalt offen gestanden hätte. Nach dem Inhalt der Strafanzeige der Polizei anlässlich dieses „Einbruchversuch“ hatte der VN jedoch den Polizeibeamten, welche auf ihn am Tatort warteten, die Wohnungstür geöffnet. Auch nach dem ebenfalls in der Beiakte befindlichen Spurensicherungsbericht nebst Lichtbildern war die Tür komplett verschlossen und nicht „einen Spalt offen“. Es kann ausgeschlossen werden, dass diese Lichtbilder gefertigt wurden, nachdem die „offene“ Tür wieder verschlossen wurde. Dies widerspräche jeder Lebenserfahrung. Hierfür bestehen auch nicht die geringsten Anhaltspunkte.Widersprüchliche Angaben
- Der Senat merkt zudem an, dass der VR zu Recht – erhebliche – Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des LG dazu, dass sich die angeblich entwendeten Sachen – zumindest im Wesentlichen – tatsächlich unmittelbar vor dem Einbruch in der Wohnung befunden haben und nach dem Einbruch nicht mehr vorhanden waren, geltend macht. Keiner der vom LG vernommenen Zeugen hat konkrete Angaben zur Identität der Gegenstände im Einzelnen gemacht. Gleiches gilt dafür, dass sich die Gegenstände in der Zeit unmittelbar vor dem Einbruch in der Wohnung befunden haben. Anschaffungsbelege aus früheren Jahren aber sagen wenig dazu aus, ob die betreffenden Gegenstände in den Tagen (oder auch Wochen) vor dem behaupteten Diebstahl (noch) in der Wohnung waren und danach nicht mehr. Hierfür spricht, dass im Streitfall ernsthaft in Betracht kommt, dass der VN Gegenstände (wie zum Beispiel Schmuck und Uhren oder auch ein Feuerzeug) zuvor veräußert hatte. Zudem konnte der VN nicht sagen, ob auch die in einer der Stehlgutlisten genannte Uhr Q.N02 gestohlen worden sei, oder auch dass er etwa die eine oder andere Armbanduhr zuletzt nicht in der „versicherten“ Wohnung aufbewahrt habe, sondern in der Wohnung seiner Freundin, wo er jedenfalls sehr oft gewohnt habe.Nachweis vom Vorhandensein und Verlust der gestohlenen Sachen
Es kann vielmehr dahingestellt bleiben, ob der behauptete Einbruchdiebstahl tatsächlich stattgefunden hat und ob die Gegenstände, wie vom VN behauptet, tatsächlich entwendet wurden. Der VR ist nämlich wegen einer arglistigen, im Übrigen jedenfalls vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des VN nach § 26 Nr. 3 a) VHB in Verbindung mit § 28 VVG leistungsfrei geworden. Der VN hat arglistig die ihm obliegende Pflicht zur Auskunftserteilung verletzt. Diese Pflicht ergab sich aus § 26 Nr. 2 a) hh) VHB. Hiernach hatte der VN bei Eintritt des Versicherungsfalls soweit möglich dem VR unverzüglich jede Auskunft — auf Verlangen in Schriftform — zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des VR erforderlich ist. Außerdem musste er danach jede Untersuchung über Ursache und Höhe des Schadens und über den Umfang der Entschädigungspflicht gestatten.
Die vom VR angeforderte Vermögens- und Einkommensaufstellung war für die Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht des VR sachdienlich und daher zulässig. Bei der Frage, über welche Tatsachen der VR berechtigt Auskunft verlangen kann, steht ihm ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Es ist grundsätzlich seine Sache, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Dazu können (gerade auch) bei der Hausratversicherung Fragen nach den Vermögensverhältnissen des VN gehören. Daraus können sich nämlich für den VR Anhaltspunkte für den Verdacht einer Vortäuschung ergeben, so u. a. für den Verdacht, dass Gegenstände nie oder unmittelbar vor dem behaupteten Diebstahl nicht mehr vorhanden gewesen sind, oder auch für eine etwaige finanzielle Notlage des VN.
Merke | Sachdienlich können auch Fragen nach Umständen sein, die nur mittelbar für die Aufklärung eines Schadenfalls von Bedeutung sind. Das sind z. B. Fragen nach Indiztatsachen, die Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit eines VN erlauben. In diesem Zusammenhang genügt es, dass die vom VN geforderten Angaben zur Einschätzung des subjektiven Risikos überhaupt dienlich sein können. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob sich die Angaben nach dem Ergebnis der Prüfung als für die Frage der Leistungspflicht tatsächlich wesentlich erweisen. Die Frage der Erforderlichkeit ist ex ante zu beurteilen. |
Vorliegend hatte der VR ein berechtigtes Interesse an der Aufklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des VN angesichts der konkreten Umstände – u. a. Abschluss des Versicherungsvertrags kurz vor dem behaupteten Versicherungsfall, aber auch die Vielzahl und bedeutenden Werte der als gestohlen gemeldeten Gegenstände. Er durfte und konnte daher die geforderten Belege verlangen, um die Vortäuschung des Einbruchdiebstahls prüfen zu können. So hätte er prüfen können, ob die zahlreichen wertvollen Gegenstände überhaupt existierten, oder ob womöglich der VN in einer finanziell angespannten Lage war.
Diesem berechtigten Auskunftsverlangen ist der VN nicht nachgekommen. Mit seiner Antwort auf das Auskunftsverlangen des VR hat er die Obliegenheit nicht erfüllt. Seine Angaben waren ersichtlich äußerst unkonkret und unvollständig. Soweit er in seinem handschriftlichen Schreiben zur Klageerwiderung ausführt, dass er nur einkommenssteuerpflichtig sei, wenn er „über einen gewissen Betrag“ komme, erlaubte dies dem VR keinerlei Überprüfung. Im Übrigen war diese Angabe, auch wenn es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf ankommt, angesichts seiner Erklärungen in seiner persönlichen Anhörung, wonach er in dem Zeitraum vor dem behaupteten Einbruch ca. 5.000 EUR/Monat verdient habe, unrichtig.
Unabhängig davon hat er mit dieser Angabe in seinem Schreiben an den VR das Verlangen des VR nach Steuerunterlagen aber auch aus dem Grunde nicht erfüllt, dass er nach seinen eigenen damaligen Angaben – auch dem VR gegenüber – seine Einkünfte größtenteils „als Vorstandsvorsitzender“ der ihm gehörenden D. generierte, die er nach seinen Angaben dort versteuerte. Auf diese Einkünfte hat er sogar in seiner Beantwortung des Auskunftsverlangens hingewiesen. Angesichts dessen hätte es ihm oblegen, hierfür aussagekräftige Unterlagen vorzulegen.
Der VN hat seine Obliegenheit arglistig verletzt. Der VN kannte die Obliegenheit. Ihm war nach den entsprechenden Fragen des VR bewusst, dass er gehalten war, Auskünfte zu geben, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich sind. Er hat vielmehr zusätzlich noch erklärt, dass er früher einmal selbst eine Versicherungsagentur betrieben habe. Er handelte willentlich, als er die geforderten Auskünfte verweigerte. Zur Überzeugung des Senats handelte der VN darüber hinaus arglistig. Er hat zumindest billigend in Kauf genommen, durch seine bewusste und gewollte Verweigerung der Auskunft auf die Entscheidung des VR einzuwirken. Mit seiner bewussten Verweigerung der Auskunft wollte er erreichen, dass der VR regulieren würde, ohne die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die Möglichkeit der Vortäuschung eines Versicherungsfalls und die Glaubhaftigkeit seiner Angaben zur Existenz, Herkunft und Werte der als gestohlen gemeldeten Gegenstände überprüfen zu können. Ein anderes Motiv ist nicht ersichtlich.
Der VN hat entgegen der Auffassung des LG seine verweigerte Auskunft auch nicht nachgeholt bzw. „berichtigt“. Auch in seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht hat der Kläger die Auskunft nicht „nachgeholt“.
Merke | Hat der VN arglistig gehandelt, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich gewesen wäre, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG. |
Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass der VN „nur“ vorsätzlich und nicht arglistig gehandelt hätte, wäre der sogenannte Kausalitätsgegenbeweis nicht geführt. Diesen Beweis hat der beweispflichtige VN nicht erbracht. Es lässt sich nämlich entgegen der Ansicht des LG nicht ausschließen, dass dem VR durch die Auskunftsverweigerung des VN konkrete Nachteile entstanden sind. Der VR ist aufgrund der vagen und nicht nachvollziehbaren Angaben nicht in die Lage versetzt worden, die Möglichkeit der Vortäuschung eines Versicherungsfalls sowie die Existenz der als gestohlen gemeldeten Gegenstände zu überprüfen. Wenn man annehmen wollte, dass der VN „nur“ vorsätzlich und nicht arglistig gehandelt hätte, lag auch eine ordnungsgemäße Belehrung i. S. v. § 28 Abs. 4 VVG vor. Der VR hat den VN in seinem schriftlichen Auskunftsverlangen ausdrücklich und in Fettdruck auf die beigefügte Belehrung hingewiesen.
Relevanz für die Praxis
Das OLG geht zunächst auf die Frage ein, ob der VN den Beweis eines bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahls erbracht hat. Dafür ist es ausreichend, dass er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweisen kann. Er muss also ein Mindestmaß an Tatsachen nachweisen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (zuletzt BGH VK 24, 94 „stimmige Spuren“). Hier gilt die Redlichkeitsvermutung als Regel (bereits BGH r+s 84, 24). Von der Redlichkeit eines VN ist aber dann nicht mehr auszugehen, wenn konkrete Tatsachen unstreitig oder bewiesen sind, die den VN als unglaubwürdig erscheinen lassen oder die geeignet sind, dass sich schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit aufdrängen (grundlegend BGHZ 132, 79= r+s 96, 125). So lag es hier. Die zwei einschlägigen Verurteilungen und die widersprüchlichen Angaben lassen die Glaubwürdigkeit des VN entfallen. Zutreffend weist das OLG daraufhin, dass es nach dem Sachverhalt zweifelhaft ist, ob sich die als gestohlen gemeldeten Sachen tatsächlich unmittelbar vor dem Einbruch in der Wohnung befunden haben und nachher nicht mehr vorhanden waren (BGH VK 07, 35 Tresorfall).
Dem VR kommt ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, welche Angaben zur Ermittlung des Sachverhalts er für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht zu treffen (BGHZ 214, 127 = VK 17, 192). Dies ist ex ante zu beurteilen (BGH VersR 16, 1173; VersR 15, 45). Zutreffend hat das OLG ein berechtigtes Interesse des VR gerade im Rahmen der Hausratversicherung nach den Gesamtumständen als gegeben erachtet. Dies gilt insbesondere, da der VN die Auskunft strikt verweigert hat. Er hat in Kenntnis der Obliegenheit den VR bewusst über seine finanziellen Verhältnisse und weitere Umstände im Unklaren gelassen, um die Regulierungsentscheidung zu beeinflussen (vgl. OLG Köln r+s 23, 641).
- Zur Arglist in der Gebäudefeuerversicherung: OLG Naumburg VK 24, 184
AUSGABE: VK 1/2025, S. 3 · ID: 50271741