Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Dez. 2024 abgeschlossen.
WohngebäudeversicherungWirksamkeit einer vereinbarten Obliegenheit zu Sicherheitsvorschriften
| Eine Klausel in AVB der Wohngebäudeversicherung, die dem VN vor Eintritt des Versicherungsfalls die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften aufgibt, verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie benachteiligt den VN nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. So entschied es der BGH. |
Sachverhalt
Zwischen den Parteien besteht eine verbundene Wohngebäudeversicherung. Einbezogen sind die VGB 2014, deren Abschnitt B auszugsweise lautet:
Aus den Versicherungsbedingungen |
B § 8 Obliegenheiten des VN 1. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls
A § 17 Vertraglich vereinbarte, besondere Obliegenheiten des VN vor dem Versicherungsfall, Sicherheitsvorschriften
|
Im September 2018 zerstörte ein Brand Teile des Gebäudes. Ursache war ein vom VN an der Fassade errichteter und mit einer Holzkonstruktion ummantelter Pizzaofen. Der VR sah darin eine arglistige Obliegenheitsverletzung und einen vorsätzlichen Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften, da der Ofen ohne die gesetzlich vorgesehene Abnahme in Betrieb genommen wurde.
Das LG hat die Klage des VN abgewiesen. Das OLG hat festgestellt, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt sei und die Sache für das Betragsverfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Widerklage – an das LG zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision hat der BGH das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (25.9.24, IV ZR 350/22, Abruf-Nr. 244335). Der BGH stellt klar, dass die Klausel B § 8 Nr. 1a aa) VGB 2014 den Anforderungen des Transparenzgebots aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB genügt.
Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB |
Dieses verpflichtet den Verwender von AVB, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen VN verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Diesem Bestimmtheitsgebot kommt bei der Vereinbarung von Obliegenheiten wegen der einschneidenden Wirkung der Leistungsfreiheit besondere Bedeutung zu. Die Versicherungsbedingungen müssen erkennen lassen, was der VN im Einzelnen tun oder unterlassen muss, um seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu gefährden. Dem VN soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht. |
Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Es gilt der gleiche Maßstab wie bei der Auslegung von AVB.
Gemessen daran ist die Klausel nicht intransparent. Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN entnimmt der Klausel zunächst, dass er zum Erhalt seines Versicherungsschutzes vor Eintritt des Versicherungsfalls vertraglich vereinbarte Obliegenheiten erfüllen muss. Die Klausel verdeutlicht ihm, dass zu diesen vertraglich vereinbarten Obliegenheiten gehört, bestimmte Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Diese können gesetzlicher, behördlicher und vertraglicher Natur sein.
- Keine Schwierigkeiten bereitet dem durchschnittlichen VN das Verständnis der sich für ihn aus vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten. Nähere Angaben zu solchen Sicherheitsvorschriften erwartet er schon nach dem Bedingungswortlaut und dem ihm erkennbaren Sinnzusammenhang im Versicherungsvertrag und damit in den diesem Vertrag zugrunde liegenden AVB. Nimmt der VN, dem Verweis folgend, die Regelungen in A § 17 VGB 2014 in den Blick, bestätigt sich ihm aus Überschrift und Wortlaut dieser Klausel, dass dort vertraglich als Obliegenheit vereinbarte Sicherheitsvorschriften aufgeführt sind. Zweifel an der Reichweite dieser Bezugnahme ergeben sich für ihn nicht.
- Auch die Bezugnahme auf gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften ist nicht intransparent. Für einen durchschnittlichen VN sind gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften rechtlich verbindliche Anordnungen, die gerade das versicherte Risiko vor einer versicherten Gefahr schützen sollen. Unter einer Vorschrift i. S. d. Bedingungen versteht er eine rechtlich verbindliche Anordnung einer zuständigen Stelle, die nicht lediglich den Charakter einer Ermahnung, einer Empfehlung oder eines Ratschlags hat. Sinnzusammenhang und erkennbarer Zweck der Bedingung verdeutlichen ihm zudem, dass die Obliegenheit nur Vorschriften umfasst, die dem VN bestimmte Verhaltensweisen zur Erhaltung seines Versicherungsschutzes vorschreiben, ihm also Handlungs- oder Unterlassungspflichten auferlegen. Unter welchen Voraussetzungen eine rechtlich verbindliche Anordnung zu einer bedingungsgemäßen Sicherheitsvorschrift wird, ist für den durchschnittlichen VN ebenfalls ausreichend erkennbar.
- Der Wortteil „Sicherheit“ zeigt dem VN, dass die von ihm zu beachtenden Vorschriften Schutzcharakter haben müssen. Nicht erfasst sind hierbei solche Schutzvorschriften, die in keinerlei Zusammenhang mit dem versicherten Risiko stehen. Erkennbarer Zweck der Obliegenheit ist vielmehr, den Eintritt des Versicherungsfalls zu verhindern oder zu erschweren. Der VR und die Gemeinschaft der Versicherten sollen vor dem erhöhten Risiko geschützt werden, das im allgemeinen mit der Verletzung der Sicherheitsvorschriften verbunden ist. Unter Sicherheitsvorschriften versteht der durchschnittliche VN danach allein solche Anordnungen, die gerade das versicherte Risiko vor einer versicherten Gefahr schützen sollen. Das sind nur Vorschriften, die bezwecken, den Eintritt des Versicherungsfalls mindestens zu erschweren, und dazu bei abstrakter, vom Einzelfall losgelöster Betrachtung auch geeignet sind.Wortteil „Sicherheit“
- Die Ausdrücke „gesetzlich“ und „behördlich“ verweisen den durchschnittlichen VN auf einen öffentlich-rechtlichen Ursprung der Sicherheitsvorschriften. Ein Gesetz ist nach allgemeinem Sprachverständnis eine vom Staat erlassene, rechtlich bindende Vorschrift. Der Ausdruck „behördlich“ bezeichnet aus der Sicht eines durchschnittlichen VN ebenfalls staatliche Vorgaben. In diesem Verständnis sieht sich ein durchschnittlicher VN durch den ihm erkennbaren Sinn und Zweck der Obliegenheit bestätigt, mit der außervertragliche Normierungen vertraglich verbindlich gemacht werden sollen. Der VR möchte sich erkennbar die Sachnähe und das Fachwissen öffentlicher Stellen zunutze machen. So verhindert er zugleich, dass die Versichertengemeinschaft sonst für ein Verhalten des VN aufzukommen hätte, obwohl dieses von öffentlichen Stellen als gefährlich für das versicherte Risiko erkannt worden ist.Ausdrücke „gesetzlich“ und „behördlich“
- Auch in zeitlicher Hinsicht bleibt nicht unklar, welche gesetzlichen oder behördlichen Sicherheitsvorschriften zu beachten sind. Zwar lässt der Wortlaut offen, ob nur diejenigen erfasst sind, die bei Abschluss des Versicherungsvertrags gegolten haben, oder ob auch nach Vertragsschluss eintretende Änderungen an bestehenden Vorschriften oder neu hinzukommende Sicherheitsvorschriften beachtet werden müssen. Dem Sinn und Zweck der Obliegenheit entnimmt ein durchschnittlicher VN aber, dass die Klausel eine dynamische Verweisung ist. Maßgebend sind die im Zeitpunkt des Versicherungsfalls anwendbaren Sicherheitsvorschriften. Den bezweckten Schutz der versicherten Sache gewährt die Obliegenheit für den durchschnittlichen VN erkennbar nur dann lückenlos, wenn sie den VN auch zur Beachtung geänderter oder neu hinzukommender Sicherheitsvorschriften anhält. Ein VR, der seine Leistungspflicht an das Einhalten gesetzlicher oder behördlicher Sicherheitsvorschriften knüpft, möchte für die versicherte Gefahr nur bei Beachtung der jeweils geltenden Anordnungen einstehen. Dies bestätigt den VN in seiner Annahme eines Gleichlaufs zwischen den für ihn geltenden öffentlich-rechtlichen Anordnungen und der vertraglichen Obliegenheit.Keine Unklarheiten in zeitlicher Hinsicht – dynamische Verweisung
- So verstanden ist der Inhalt der Obliegenheit ausreichend bestimmt. Die Verweisung auf Sicherheitsvorschriften außerhalb der AVB steht der Bestimmtheit der Klausel nicht entgegen. Eine Verweisung auf andere Rechtsnormen ist dem geltenden Recht nicht fremd und auch in AGB nichts Ungewöhnliches. Eine Obliegenheit des VN kann nicht in jedem Fall so konkret gefasst werden, dass sie jede erdenkliche Situation in ihrem Anwendungsbereich genau beschreibt. Ohne Verweisungen können allzu detaillierte, unübersichtliche, nur schwer durchschaubare oder auch unvollständige Klauselwerke entstehen, die ihrerseits den Interessen der VN abträglich wären. Auch eine – wie hier – dynamische Verweisung auf ein anderes Regelwerk ist an sich keine unangemessene Benachteiligung. Sie muss allerdings eindeutig als solche erkennbar sein, weil mit ihr dem Vertragspartner das Risiko zukünftiger Rechtsänderungen aufgebürdet wird. Daher kann er den Umfang der auf ihn zukommenden Belastungen anhand der bei Vertragsschluss geltenden Vorschriften nicht ermitteln. Das ist hier der Fall. Wie ausgeführt entnimmt ein durchschnittlicher VN der Klausel den verfolgten Sinn und Zweck – dem Gleichlauf zwischen den für ihn geltenden öffentlich-rechtlichen Anordnungen und der vertraglichen Obliegenheit –, dass ihm die Einhaltung der jeweils für ihn geltenden gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften abverlangt wird.Inhalt der Obliegenheit ist ausreichend bestimmt
- Die Klausel führt dem durchschnittlichen VN auch hinreichend deutlich vor Augen, welche Vorschriften er als gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschriften beachten muss, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Bei richtigem Verständnis verbleibt ihm entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kein zur Intransparenz führender ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum. Ebenfalls erfolglos weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass der VR die erfassten gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften durch einen ausdrücklichen Verweis auf brandschutzrechtliche Vorschriften der Landesbauordnungen oder die für das versicherte Gebäude geltenden Genehmigungen oder Brandschutzgutachten konkreter bezeichnen könnte. Einem etwaigen Gewinn an Klarheit für den VN stehen Rationalisierungsinteressen des VR gegenüber. Wie die Revision zu Recht einwendet, ist es ihm nicht möglich, sämtliche Sicherheitsvorschriften zum Schutz der versicherten Sache im Vorhinein aufzuzeigen oder in einer Weise zu konkretisieren, die dem VN einen Erkenntnisgewinn verschaffen könnte. Dies gilt insbesondere für behördliche Anordnungen gegenüber dem VN, die der VR regelmäßig nicht kennt. Im Übrigen ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können.Kein Beurteilungsspielraum
- Die Verweisung ist auch nicht deshalb intransparent, weil sich der Inhalt der in Bezug genommenen Sicherheitsvorschriften aus der Klausel selbst nicht ergibt. Grundsätzlich genügt es, dass der Text der Vorschrift, auf die verwiesen wird, für jedermann ohne Weiteres zugänglich ist. Eine lediglich präzisierende Verweisung begründet deshalb regelmäßig keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Intransparent ist eine Klausel erst, wenn sich ihr Regelungsgehalt überhaupt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließt oder die Verweisung dazu führt, dass die kundenbelastende Wirkung unter Berücksichtigung alternativer Gestaltungsmöglichkeiten mehr verschleiert als offengelegt und der Kunde deshalb an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert wird.Inhalt der Sicherheitsvorschrift für jedermann zugänglich
- Um zu erkennen, wie er sich im Einzelfall zu verhalten hat, um seinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden, muss der VN die in Bezug genommenen Sicherheitsvorschriften konsultieren. Das ist ihm aber möglich und zumutbar. Es handelt sich dabei um für den VN verbindliche Vorschriften, deren Inhalt er entweder kennt oder kennen kann, weil sie ihn infolge gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ohnehin treffen. Das gilt insbesondere für allein an den VN gerichtete Anordnungen. Auch über den Inhalt von behördlichen Sicherheitsvorschriften für einen größeren Adressatenkreis oder von gesetzlichen Sicherheitsvorschriften kann er sich an geeigneter Stelle informieren. Zusätzlich den Abdruck oder die Aushändigung von Vorschriften zu verlangen, die der VN unschwer einsehen kann, überspannte dagegen die Anforderungen an das Verständlichkeitsgebot.VN muss Sicherheitsvorschriften konsultieren
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die Klausel nicht überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. Das Gebot der kundenfeindlichsten Auslegung führt insbesondere nicht dazu, dass ein VN auch diejenigen Sicherheitsvorschriften zu beachten hätte, die in keinerlei Zusammenhang mit dem versicherten Risiko stehen. Zweifel bei der Auslegung gehen gemäß § 305c Abs. 2 BGB nur dann zulasten des Verwenders, wenn mehrere Auslegungen rechtlich vertretbar sind. Solche Zweifel bestehen hier nicht.
Die Klausel benachteiligt den VN nicht unangemessen entgegen Treu und Glauben im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Klausel schränkt keine wesentlichen Rechte des VN in einer die Erreichung des Vertragszwecks gefährdenden Weise im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein. Nicht jede Beschränkung des Leistungsversprechens bedeutet eine Vertragszweckgefährdung. Sie liegt erst vor, wenn eine Einschränkung den Vertrag betrifft. Das ist für das Leistungsversprechen in der Wohngebäudeversicherung nicht schon deshalb anzunehmen, weil der Versicherungsschutz entfallen kann, wenn der VN Sicherheitsvorschriften zum Schutz des versicherten Gebäudes vor dem vereinbarten Risiko verletzt, die er kraft gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ohnehin zu beachten hat.
Die Klausel benachteiligt den VN auch nicht sonst unangemessen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Der Wohngebäude-VR hat ein schützenswertes Interesse daran, die vom VN ohnehin zu beachtenden öffentlich-rechtlichen Pflichten als Obliegenheiten zum Mindestschutzstandard für das versicherte Risiko zu erheben. Die Belange des VN sind zudem durch das Erfordernis eines inneren Schutzzweckzusammenhangs zwischen der Verletzung der Vorschrift und dem Schaden hinreichend gewahrt. Es benachteiligt den VN schließlich nicht unangemessen, dass er bei einer Verletzung einer Sicherheitsvorschrift für den Fortbestand des Versicherungsschutzes fehlende grobe Fahrlässigkeit nachweisen oder den Kausalitätsgegenbeweis erbringen muss. Dies entspricht dem gesetzlichen Leitbild in § 28 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 und Abs. 3 S. 1 VVG.
Will der VR den ihm obliegenden Nachweis führen, der VN habe ihm gegenüber arglistig falsche Angaben gemacht und liegen tatsächlich objektiv falsche Angaben vor, hat der VN eine sekundäre Darlegungslast. Er muss plausibel darlegen, wie und weshalb es zu den objektiv falschen Angaben gekommen ist. Erst wenn er ihn entlastende Umstände vorträgt, ist es Sache des VR, diese zu widerlegen. Zu Unrecht geht das Berufungsgericht danach davon aus, der VR hätte den Indizienbeweis nicht geführt, dass der VN mit der Abgabe einer objektiv falschen Erklärung das Regulierungsverhalten des VR habe beeinflussen wollen. Richtigerweise hätte der VN im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast plausibel darlegen müssen, wie es zu seiner unzutreffenden Angabe gekommen ist. Erst danach hätte der VR den Vortrag widerlegen und entsprechenden Beweis antreten müssen.
Relevanz für die Praxis
Das umfangreiche Grundsatzurteil schafft Klarheit in einem Meinungsstreit. Der BGH hatte in früheren Entscheidungen (r+s 02, 292; VK 09, 23; VersR 94, 1465) vergleichbare Regelungen nicht beanstandet. Auch die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung geht von der Wirksamkeit entsprechender Klauseln aus (OLG Hamm r+s 21, 459; OLG Celle VersR 10, 666; OLG Zweibrücken VersR 10, 664; anders KG r+s 22, 693; OLG Schleswig VersR 19, 1557). Die überwiegende Literatur hält die entsprechenden Klauseln für wirksam (z. B. Langheid/Rixecker/Rixecker, VVG 7. Aufl. § 28 Rn. 21; Hoenicke, Versicherungsprozess 5. Aufl. § 4 Rn. 285; HK-VVG/Rüffer, 4. Aufl. AFB 2010 B § 8 Rn. 1; anders Marlow, VersR 19, 1558). Der BGH nimmt im Übrigen Bezug auf seine Rechtsprechung zur Transparenz von Klauseln (BGHZ 236, 74 (Betriebsschließungsversicherung, Corona) und BGHZ 223, 57 = VK 20, 7 (Rechtsschutzversicherung).
Die Verweisung auf Vorschriften außerhalb der AVB führt nicht zur Unwirksamkeit, weil der VN erkennt oder erkennen kann, welche gesetzlichen oder behördlichen Anordnungen ihn treffen (BGH r+s 90, 266; HK-VVG/Felsch, a. a. O., § 28 Rn. 14). Der durchschnittliche VN kann dem Sinn und Zweck der Klausel entnehmen, dass es sich um eine dynamische Verweisung handelt. Maßgebend sind danach die zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls anwendbaren Sicherheitsvorschriften. Der Versicherungsschutz ist erkennbar nur dann lückenlos, wenn die Obliegenheit den VN auch zur Beachtung geänderter oder neuerer Sicherheitsvorschriften anhält. Das war hier der Fall.
Im Übrigen weist der BGH darauf hin, dass es sich um ein unzulässiges Teilurteil handelt, weil die Gefahr widersprechender Entscheidungen zu besorgen ist. Das ist der Fall, wenn bei einer Mehrheit prozessualer Ansprüche zwischen ihnen eine materiell-rechtliche Verzahnung vorliegt oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BGH VersR 92, 108; WM 22, 1850 Rn. 13; BGHZ 230, 120).
AUSGABE: VK 12/2024, S. 202 · ID: 50243199