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WiderspruchsbelehrungUnvollständige Verbraucherinformationen machen die Belehrung fehlerhaft

Abo-Inhalt04.12.20246 Min. Lesedauer

| Immer wieder stellt sich die Frage, ob ein Widerspruch des VN noch rechtzeitig erfolgt ist. Notnagel ist dabei oft die Feststellung, dass der VN nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und die Widerrufsfrist daher nicht zu laufen begann – und der Widerspruch somit nicht verfristet ist. Über die Wirksamkeit einer Belehrung hatte auch das OLG Köln zu entscheiden. Es hielt die Belehrung für fehlerhaft. |

1. Die rechtliche Ausgangslage

Nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. (im Fall des OLG in der vom 1.8.01 bis zum 7.12.04 geltenden Fassung) setzt der Beginn der Widerspruchsfrist eine schriftliche, in drucktechnisch deutlicher Form erfolgte Belehrung über das Widerspruchsrecht sowie die Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation nach § 10a VAG voraus.

2. Die umstrittene Belehrung

Die dem VN im übersandten Versicherungsschein enthaltene Belehrung lautet: „Mit Ihrer Antragsdurchschrift, dieser Police nebst Versicherungsbedingungen, Steuerhinweisen und dem Merkblatt zur Datenverarbeitung sind Sie im Besitz aller gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformationen. Sie können immer innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt dieser Verbraucherinformationen dem Vertragsschluss in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung Ihrer Widerspruchserklärung. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn Ihnen die Unterlagen vollständig vorliegen. (…)“

3. OLG hält Belehrung für fehlerhaft

Diese Widerspruchsbelehrung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (u.a. Senatsurteile vom 2.5.14, 20 U 6/12, insoweit bestätigt von BGH 24.2.16, IV ZR 203/14; 15.3.24, 20 U 292/23) inhaltlich fehlerhaft, weil nur ausgewählte Verbraucherinformationen angeführt sind.

a) Fristauslösende Unterlagen wurden nicht benannt

Wie ausgeführt, setzt der Beginn der Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. die Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation nach § 10a VAG voraus. Entgegen der Angabe in der Widerspruchsbelehrung bestehen die nach § 10a VAG a. F. gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformationen aber nicht nur aus den Versicherungsbedingungen, den Steuerhinweisen und dem Merkblatt zur Datenverarbeitung. Vielmehr muss die Verbraucherinformation sämtliche in Abschnitt I Nr. 1 und Nr. 2 der Anlage D zum VAG aufgeführten Informationen enthalten. Die Versicherungsbedingungen und die Steuerinformationen sind nur ein geringer Teil hiervon.

In der erteilten Widerspruchsbelehrung werden mithin nur einzelne Unterlagen herausgegriffen, die als solche zu der Verbraucherinformation gehören. Damit wird dem VN nicht mit der gebotenen Klarheit deutlich gemacht, dass die nach § 10a VAG a. F. gesetzlich vorgeschriebene Verbraucherinformation, die dem VN zur Auslösung des Laufs der Widerspruchsfrist zu erteilen ist, die Überlassung weiterer Informationen als die in der Widerspruchsbelehrung benannten Unterlagen voraussetzt. Es fehlt deshalb in der Widerspruchsbelehrung eine zutreffende Benennung der fristauslösenden Unterlagen.

b) Vollständige Benennung ist wesentliche Wirksamkeitsvoraussetzung

Fehlt die zutreffende Benennung der fristauslösenden Unterlagen, ist dies grundsätzlich kein – unerheblicher – marginaler Fehler (BGH 21.2.24, IV ZR 297/22). Auch ist im Fall einer unzureichenden Benennung der fristauslösenden Unterlagen grundsätzlich ohne Belang, ob dem VN die übrigen nach dem Gesetz erforderlichen Unterlagen/Informationen, die in der Belehrung nicht genannt sind, tatsächlich zugegangen sind. Dieser Umstand kann nichts an einer inhaltlichen Fehlerhaftigkeit der Belehrung ändern. Er betrifft allein die Auswirkung des Fehlers auf den konkreten Fall. Für die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung kommt es auf derartige Kausalitätsfragen nicht an (BGH 29.7.15, IV ZR 384/14; BGH 21.2.24, IV ZR 297/22).

c) Klare und unmissverständliche Angaben

Dem VN soll mit der Widerspruchsbelehrung klar und unmissverständlich vor Augen geführt werden, unter welchen Voraussetzungen er widersprechen kann (BGH 21.2.24, IV ZR 297/22). Etwas anderes kann im Einzelfall ausnahmsweise nur anzunehmen sein, wenn die Widerspruchsbelehrung etwa unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens − oder hier: unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Versicherungsscheins − dem VN noch ausreichend deutlich macht, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Das war hier nicht der Fall.

d) Beifügen der Unterlagen reicht nicht aus

Der VN kann nicht mit der gebotenen Deutlichkeit erkennen, dass ihm − wie es nach der gesetzlichen Regelung in § 5a VVG a. F. erforderlich wäre − der Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die sämtlichen gesetzlichen Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist zu laufen beginnt.

Selbst wenn sämtliche nach dem Gesetz erforderlichen Verbraucherinformationen in den übersandten Unterlagen verteilt vorhanden gewesen sein sollten, kommt dies weder aus dem Wortlaut der Belehrung als solcher noch in der Zusammenschau mit dem übrigen Inhalt des Versicherungsscheins mit der gebotenen Klarheit zum Ausdruck. Der Wortlaut der Belehrung lässt vielmehr das Verständnis aufkommen, die Frist knüpfe an den Erhalt der gesetzlichen Verbraucherinformationen und diese seien die Antragsdurchschrift (als solche), die Police nebst Versicherungsbedingungen, die Steuerhinweise und das Merkblatt zur Datenverarbeitung. Zwar ist nicht auszuschließen, dass der ein oder andere VN die Belehrung dahin gehend versteht, wie sie der VR verstanden wissen möchte.

Dass der durchschnittliche VN dieses Verständnis vom Wortlaut der Belehrung auch haben wird, kann jedoch nicht zuverlässig erwartet werden. Damit fehlt es aber an der gebotenen Klarheit und Unmissverständlichkeit der Angabe, dass zur Auslösung des Fristbeginns die Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation nach § 10a VAG erforderlich ist.

e) Kein geringfügiger Belehrungsfehler

Es liegt auch kein lediglich geringfügiger Belehrungsfehler vor, durch den dem VN nicht die Möglichkeit genommen wurde, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, sodass sich die Ausübung des darauf gestützten Widerspruchsrechts nicht als unverhältnismäßig und gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßend darstellt (vgl. hierzu BGH 15.2.23, IV ZR 353/21).

Die vorliegende Sachverhaltskonstellation ist nicht den Fällen gleichzusetzen, die dem Urteil des BGH vom 17.1.24, IV ZR 19/23 und dem Beschluss vom 21.2.24, IV ZR 343/22 zugrunde lagen. In jenen Entscheidungen hat der BGH angenommen, dass die dortigen VN ihr Widerspruchsrecht trotz Belehrungsmangels im Wesentlichen unter denselben Bedingungen ausüben konnten wie bei einer ordnungsgemäßen Belehrung, weil in dem Policenbegleitschreiben ausdrücklich auf die Übersendung von Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen hingewiesen und der Beginn der Widerspruchsfrist dann an den „Zugang dieses Schreibens“ geknüpft worden war. Der vorliegende Fall liegt insoweit entscheidend anders, als der VN gerade nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen konnte, dass ihm die zur Auslösung des Fristbeginns neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen erforderlichen (gesetzlich vorgesehenen) Verbraucherinformationen sämtlich überlassen worden sein müssen und überlassen worden seien und mit deren Erhalt die Frist beginne. Der entscheidende Aspekt in den vorgenannten Entscheidungen des BGH vom 17.1.24 und 21.2.24 ist nicht, dass die VN die fristauslösenden Vertragsunterlagen tatsächlich erhalten haben. Entscheidend ist vielmehr, dass die Unterlagen, deren Erhalt das Gesetz vorschreibt, in den die Belehrung enthaltenden Begleitschreiben unmissverständlich benannt waren und die VN somit klar erkennen konnten, welche Unterlagen sie erhalten haben müssen, damit die Frist in Lauf gesetzt wird.

4. Widerspruchsrecht ist nicht erloschen

Das Widerspruchsrecht ist mithin nicht gemäß § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen. Nach der BGH-Rechtsprechung muss § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. richtlinienkonform teleologisch so reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der VN nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (BGH 7.5.14, IV ZR 76/11; BGH 7.1.15, IV ZR 334/14).

AUSGABE: VK 12/2024, S. 210 · ID: 50239247

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