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ElektronikversicherungKein Versicherungsschutz bei mangelhafter Photovoltaikanlage
| Beruht die Funktionsunfähigkeit einer Photovoltaikanlage auf einem Mangel, der unerkannt von vorn herein bereits vorhanden war und somit auch die Sache vorher schon gemindert hat, liegt kein Sachschaden im Sinne der ABE vor. Daher besteht für die Kosten der Wiederherstellung kein Versicherungsschutz. Die mangelhafte Herstellung der Sache ist in der Elektronikversicherung weder versichert noch versicherbar. Zudem muss eine versicherte Gefahr von außen auf die betroffenen Teile eingewirkt haben. So entschied das LG Aachen. |
Sachverhalt
Der VN unterhält eine Elektronik-Versicherung. Gegenstand des Vertrags ist eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Marktes der L. Dem Vertrag liegen u.a. die Produktinformationen und Versicherungsbedingungen ABE und TVBUB zugrunde. Die Klägerin ist als Eigentümerin der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage mitversichert. § 2 ABE regelt u. a.:
§ 2 ABE |
§ 2 Versicherte und nicht versicherte Gefahren und Schäden
[...]
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Für die Photovoltaikanlage besteht außerdem eine beschränkte Garantie, nach welcher der Hersteller garantiert, dass die Produkte für einen Zeitraum von zehn Jahren ab Garantiebeginn nach näherer Maßgabe frei von Konstruktions-, Material-, Verarbeitungs- oder Fertigungsfehlern sind, die ihre Funktionsweise wesentlich beeinträchtigen.
Die Photovoltaikanlage ist ferner an die H. GmbH sicherungsübereignet. In Ziffer 6 des Sicherungsübereignungsvertrags (Verfügung über das Sicherungsgut) heißt es: „Die Bank gestattet dem Sicherungsgeber, über das Sicherungsgut im Rahmen eines ordnungsgemäßen, auf das Betreiben der Photovoltaik-Anlage gerichteten, Geschäftsbetriebs zu verfügen, insbesondere mangelhaftes Sicherungsgut durch gleichwertiges zu ersetzen.“
Nachdem der Schaden entdeckt wurde, wurde dieser in der Schadenanzeige an den VR so beschrieben: „Die Rückseitenfolie wird brüchig, was zu einem Feuchtigkeitseintritt führt. Dadurch wird der Strom im Modul nicht mehr ausreichend durchgeleitet mit der Folge, dass der Wechselrichter einen Isolationsfehler annimmt und nicht mehr zuschaltet, was zum Ausfall aller am Wechselrichter hängenden Strings führt.“ Als Schadenursache war „Die Rückseitenfolie der verbauten Trina Module ist brüchig“ angegeben. Die geschätzten Reparaturkosten wurden mit ca. 150.000 EUR beziffert.
Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass Rissbildungen in der Kunststofffolie an der Rückseite des Moduls vorlägen. Der Hersteller erkannte den Schaden als Garantiefall an und ersetzte die gelieferten Module kostenfrei durch neue. Die Module wurden durch ein Unternehmen ausgewechselt, das hierfür einen Betrag von 69.961 EUR netto in Rechnung stellte. Der VR lehnte seine Leistungspflicht ab.
Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob die Risse in der Schutzfolie von Anfang an vorhanden gewesen sind oder sich im Laufe der Zeit gebildet hätten und wo die Ursache liegt.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat nach der Entscheidung des LG Aachen keinen Anspruch auf Zahlung von 69.461,60 EUR aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 1, § 2 Abs. 1, 7 ABE (25.5.23, 9 O 375/20, Abruf- Nr. 240601).
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie ist Eigentümerin der Photovoltaikanlage und gemäß Ziff. 10 des Beiblatts zum Ersatzversicherungsschein mitversichert. Gemäß Ziffer 6 des Vertrags zur Sicherungsübereignung ist sie dazu befugt, Module reparieren und sogar austauschen zu lassen. Da es sich hier um einen solchen Austausch der Module handelt, ist die Klägerin, soweit sie die Kosten für den Austausch aufwendet, auch zur Geltendmachung etwaiger sich daraus ergebender Versicherungsleistungen befugt.
Es liegt jedoch kein versichertes Ereignis im Sinne der § 2 Nr. 1 ABE vor. Zudem ist das Tatbestandsmerkmal der Außenwirkung nach § 2 Nr. 2 ABE nicht erfüllt. Nach der Generalklausel in § 2 Nr. 1 ABE leistet der VR Entschädigung für unvorhergesehen eintretende Beschädigungen oder Zerstörungen an versicherten Sachen (Sachschaden). Bei der vorliegenden Versicherung handelt es sich demgemäß um eine Sachversicherung. Versichert ist grundsätzlich das Sacherhaltungsinteresse des Eigentümers. Darüber hinaus besteht vorbehaltlich der in § 2 Nrn. 2 und 4 ABE geregelten Ausnahmen eine Allgefahrendeckung. Der in § 2 Nr. 1 ABE unter den Buchstaben a) bis h) erfolgten Aufzählung von Schadenursachen und Gefahren kommt lediglich beispielhafter Charakter zu („insbesondere“). Hierunter fallen gemäß § 2 Nr. 1 lit. b) auch Sachschäden, die durch technisches Versagen verursacht worden sind, d. h. durch Konstruktions-, Material- und Ausführungsfehler, aber auch solche durch Wasser und Feuchtigkeit. Vielmehr bilden Sachmangel und Sachschaden einen begrifflichen Gegensatz.
Nach dem Sachverständigengutachten hat der Kleber, der die Rückseitenfolie mit der EVA-Schicht (Einbettschicht) luftdicht verbinden soll, alterungsbedingt seine Elastizität verloren und ist pulverisiert. Dadurch ließ die klebende Kraft nach und durch die thermische Dynamik (Erwärmung durch Sonnenstrahlung am Tag und Abkühlung in der Nacht) entstanden feinste Risse in diesem Material. Außerdem erfolgte die Verklebung nicht vollständig, was den Schaden mitbedingte. Die Kapillarwirkung der feinen Risse in der Klebermasse ließen das Wasser eindringen und bis an die elektrischen Komponenten gelangen. Da die Folie mit den weiteren Teilen des Moduls fest verklebt ist, lässt sie sich nicht ohne eine Schädigung der EVA-Schicht und der weiteren Komponenten entfernen. Eine Reparatur von PV-Modulen ist unüblich, da sie zu einer Einheit „zusammengeklebt“ sind. Ein Austausch bzw. Erneuerung der Folie käme einer Zerstörung des Moduls gleich. Eine Reparatur von Modulen ist aus wirtschaftlicher Betrachtung daher nicht sinnvoll.
Weil die Folie mit der EVA-Schicht unzureichend verklebt war, bestand mithin an den Modulen von Anfang an ein Sachmangel. Dies war (mit)ursächlich dafür, dass die Module über einen längeren Zeitraum durch den hierdurch bedingten Feuchtigkeitseintritt unbrauchbar wurden. Dieser Nachteil war jedoch von Anfang an in der Sache vorhanden, sodass durch dessen Zutagetreten kein auszugleichender Nachteil entstehen konnte. Folglich sind Kosten, die zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit einer bei Vertragsschluss mangelhaften Sache erforderlich sind und demnach den vorbestehenden Mangelunwert beseitigen sollen, nicht erstattungsfähig. Dabei ist irrelevant, dass die Unbrauchbarkeit der Photovoltaik-Module letztlich mit einwirkender Feuchtigkeit zusammenhängt.
Merke | Beruht die Substanzeinwirkung auf einem Mangel, der bis dahin unerkannt, aber schon vorhanden war und somit auch die Sache vorher schon gemindert hat, liegt kein Sachschaden im Sinne der ABE vor. |
Zudem liegt das für die Eintrittspflicht des VR erforderliche Tatbestandsmerkmal der Außenwirkung nicht vor, auch wenn die Unbrauchbarkeit der Photovoltaik-Module letztlich mit eindringender Feuchtigkeit zusammenhängt. Voraussetzung nach § 2 Nr. 2 ABE ist, dass eine versicherte Gefahr nachweislich von außen auf eine Austauscheinheit oder auf die versicherte Sache insgesamt eingewirkt hat. Dabei genügt hierfür eine überwiegende Wahrscheinlichkeit.
Merke | Um dem Versicherungsschutz unterfallende Ereignisse von altersbedingten, einen Versicherungsfall nicht auslösenden Verschleißerscheinungen oder anderen inneren Betriebsschäden zu unterscheiden, ist maßgeblich auf das Merkmal der Außeneinwirkung abzustellen. Eine versicherte Gefahr muss von außen entweder auf die versicherte Sache insgesamt oder auf eine Austauscheinheit eingewirkt haben. |
Bei einem Bauelement handelt es sich um die kleinste und damit als unteilbarer elektrischer/elektronischer Baustein aufzufassende Einheit. Bauelemente sind z. B. Elektronenröhren, Transistoren, Halbleiterspeicher, etc.. Schäden an diesen elektronischen Bauelementen sind nur gedeckt, wenn die Gefahrursache von außen auf die Austauscheinheit, zu der das Bauelement gehört, eingewirkt hat. Der Begriff der Austauscheinheit wird in der Klausel selbst als die im Reparaturfall üblicherweise auszutauschende Einheit definiert. Diese Austauscheinheit ist mit dem betroffenen Bauelement identisch, wenn dieses Element nach der Reparaturpraxis üblicherweise bei einer Beschädigung einzeln ausgetauscht wird. Werden dem gegenüber Bauteilgruppen ausgetauscht, wie z. B. eine eingeschweißte Platine, ist diese Bauteilgruppe die Austauscheinheit.
Merke | Der Maßstab der Austauscheinheit ist damit dynamisch. Er verweist auf die aktuelle Reparaturpraxis. Hat der Schaden des Bauelements seine Ursache dagegen innerhalb der Austauscheinheit, bleibt er unversichert. |
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Schaden seine Ursache im Bauteil, der Austauscheinheit, selbst. Die Haarrisse in der Folie sowie das Eindringen von Feuchtigkeit haben nach den Feststellungen des Sachverständigen letztlich ihre Ursache in der unzureichenden Verklebung, die über die Jahre hinweg zudem altersbedingt an Elastizität verloren und sich pulverisiert hat. Aufgrund der hierdurch bedingten Kapillarwirkung der Risse innerhalb des „schwindenden“ Klebers gelangte Feuchtigkeit an die elektronischen Komponenten. Dabei bildet das Photovoltaik-Modul eine Bauteilgruppe als Austauscheinheit. Die Folie lässt sich aufgrund der Verklebung mit den elektrischen „Bauteilen“ – der Einbettschicht mit den elektrischen Leitungen sowie der weiteren Komponenten – nicht ohne Zerstörung der letztgenannten lösen. Eine Neuaufbringung des letztlich schadensursächlichen Klebers ist mithin denklogisch nicht möglich. Der Schaden am Bauelement hat seine Ursache demnach allein innerhalb der Austauscheinheit.
Zwar könnte eine weitere Folie auf die ursprüngliche Rückseitenfolie geklebt werden. Dies rechtfertigt aber keine abweichende Bewertung. Zum einen ist nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht die Brüchigkeit der Folie schadensursächlich. Ursächlich ist vielmehr die unzureichende Auftragung sowie im Laufe der Zeit erfolgte schwindende Elastizität und Pulverisierung des Klebers. Zum anderen führt die Anbringung einer weiteren identischen Komponente nicht dazu, diese als austauschbar zu betrachten. Das Fehlen der Austauschbarkeit führt gerade zu dem Umstand, dass zwar eine zusätzliche weiteren Folie angebracht werden muss, die schadhafte Folie aber im Gerät verbleibt.
Im Übrigen wäre ein etwaiger Anspruch auch gemäß § 2 Nr. 4 h) ABE ausgeschlossen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hat der Kleber neben seiner unzureichenden Auftragung altersbedingt an Elastizität verloren und ist pulverisiert. Es handelt sich mithin um eine betriebsbedingte normale oder betriebsbedingte vorzeitige Alterung im Sinne der Vorschrift. Unter Alterung versteht man einen allmählich im Material ablaufender chemischen und physikalischen Vorgang, der im Wesentlichen unter normalen Betriebs- oder Umgebungsbedingungen stattfindet und eine Änderung der Werkstoffeigenschaft bewirkt. Innere Alterungsursachen sind chemisch-physikalische Zustände der Werkstoffe, die durch thermodynamische Ausgleichsprozesse in Richtung der Einstellung eines Gleichgewichtszustands verändert werden, während äußere Alterungsursachen z. B. durch Temperaturwechsel und Energiezufuhr hervortreten. Ein Folgeschaden an einer „weiteren Austauscheinheit“ im Sinne der Vorschrift liegt nicht vor. Daher kann auch dahinstehen, ob ein Ausschluss nach § 2 Nr. 4 j) ABE im Hinblick auf eine etwaige Eintrittspflicht des Herstellers der Module gegeben ist.
Relevanz für die Praxis
Im Rahmen der zunehmenden Errichtung von Photovoltaikanlagen kommt der Elektronikversicherung erhebliche Bedeutung zu. In diesem Bereich findet man kaum Gerichtsentscheidungen. Zutreffend geht das LG im Grundsatz von einer Sachschadenversicherung mit Allgefahrendeckung aus (Prölss/Martin/Voit, 31. Aufl., § 2 ABE Rn. 1; Spindler in VersRHdb, 3. Aufl. Rn. 129; Stelzner in Looschelders/Pohlmann, 4. Aufl. IT-Versicherung L Rn. 100). Für elektronische Bauteile besteht eine Kaskodeckung (Eckes/Günther in MüKoVVG, 2. Aufl., TV 2020 Rn. 124 ff.). Mit Recht geht das LG davon aus, dass Sachschaden und Sachmangel begriffliche Gegensätze sind (Eckes/Günther, a. a. O., Rn. 139; Schepers in VersRHdb 3. Aufl., § 35 Rn. 139). Die Herstellung einer mangelhaften Sache ist keine Sachbeschädigung (BGH VersR 05, 110; LG Limburg r+s 24, 123). Dass es sich vorliegend um einen von Anfang an bestehenden Mangel handelt, hat das Gericht aufgrund des Sachverständigengutachtens herausgearbeitet.
Um den Versicherungsschutz von den Versicherungsfall nicht auslösenden Verschleißerscheinungen zu unterscheiden, ist zudem auf das Merkmal der Außenwirkung abzustellen (Prölss/Martin/Voit, § 2 ABE Rn. 1). Die versicherte Gefahr muss von außen auf die versicherte Anlage und deren technische Funktionsfähigkeit eingewirkt haben. Daran fehlt es vorliegend. Die Ursache liegt ausschließlich im Inneren des Bauteils, der Austauscheinheit, selbst.
AUSGABE: VK 4/2024, S. 57 · ID: 49971415