Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Apr. 2024 abgeschlossen.
KostenrechtBei einem Vergleich in rechtsschutzversicherten Mandaten muss auf Kosten geachtet werden
| Schließt der Anwalt in einem rechtsschutzversicherten Mandat einen Vergleich, muss er eine Kostenregelung treffen. Unterlässt er diese, kann das zu Gebührenverlusten und ggf. Schadenersatz führen. |
1. Das ist die Ausgangslage nach den ARB
Wird in einem rechtsschutzversicherten Mandat ein Vergleich einschließlich der Kosten geschlossen, muss nach den einschlägigen Allgemeinen Rechtsschutzversicherungsbedingungen (ARB) die Kostenregelung des Vergleichs dem Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen entsprechen. Der VR gewährt Versicherungsschutz nur in dem Umfang, in dem er zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre, wenn eine bedingungsgemäße Kostenregelung getroffen worden wäre. Der VR übernimmt daher keine Kosten, „die nicht im Verhältnis des vom VN angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis stehen“. Dies gilt nicht nur für die eigenen Kosten, sondern bezieht sich auf die gesamten Kosten des Versicherungsfalls.
Merke | Solche Ausschlussklauseln in den ARB sind wirksam. Sie sind weder überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB noch benachteiligen sie den VN unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB (LG Münster AGS 19, 260). |
Die Kostenklausel in den ARB soll Klarheit schaffen und streitträchtige Erwägungen ausschließen. Nach einhelliger Auffassung ist insofern eine rein formale – also arithmetische – Betrachtungsweise geboten. Das heißt:
Sie haben eine Aufklärungs- und Belehrungspflicht Praxistipp | Bei einem Vergleich sollten Sie unbedingt sicherstellen, dass die Kostenregelung den Versicherungsbedingungen entspricht. Sie trifft insoweit eine Aufklärungs- und Belehrungspflicht (LG Landshut NJW 11, 2063). Verletzen Sie diese Pflicht, machen Sie sich u. U. schadenersatzpflichtig, wenn sich der Rechtsschutzversicherer Ihres Mandanten auf eine Verletzung der Kostenklausel in den ARB beruft und nur anteilig Versicherungsschutz gewährt. |
- Es kommt nicht darauf an, wie über die Kosten im Streitfall zu entscheiden gewesen wäre. Unerheblich ist also, ob z. B. § 93 ZPO zur Anwendung gekommen wäre oder inwieweit das Gericht im Fall des § 91a ZPO die Billigkeit in seine Kostenentscheidung hätte einfließen lassen.
- Anknüpfungspunkt ist rein formal das Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen. Unerheblich ist daher auch, ob das Gericht zum Abschluss einer solchen Kostenregelung geraten oder in Aussicht gestellt hat, im Streitfall so zu entscheiden. Auch Hinweise des Richters im Protokoll sind unbeachtlich.
2. Besondere Sorgfalt bei gerichtlichem Vergleich walten lassen
Bei einem gerichtlichen Vergleich ist die Ausschlussklausel grundsätzlich zu beachten.
Beispiel 1 | |
Der beim Rechtsschutzversicherer R versicherte Kläger K klagt gegen den Beklagten B auf Zahlung von 10.000 EUR. Die Parteien vergleichen sich dahin gehend, dass B einen Betrag i. H. v. 8.000 EUR an K zahlt. Hinsichtlich der Kosten wird vereinbart, dass B 60 Prozent der Kosten und K 40 Prozent trägt. Es entstehen folgende Kosten: | |
1. Kosten Anwalt K | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000 EUR | 736,80 EUR |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG | 614,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 412,11 EUR |
2.581,11 EUR | |
2. Kosten Anwalt B | |
Wie Anwalt K, also | 2.581,11 EUR |
3. Gerichtskosten | |
1,0-Gebühr, Nr. 1210 GKG-KV | 266,00 EUR |
Kostenverteilung anhand der Vereinbarung Nach der getroffenen Kostenregelung (40 : 60) steht dem K folgende Kostenerstattung zu, die nach § 86 Abs. 1 VVG auf den R übergegangen ist: | |
Anwaltskosten K | 2.581,11 EUR |
Anwaltskosten B | 2.581,11 EUR |
Gerichtskosten | 266,00 EUR |
Gesamtkosten | 5.428,22 EUR |
Hiervon 60 % | 3.256,93 EUR |
./. eigene Anwaltskosten B | − 2.581,11 EUR |
Erstattung von B an K | 675,82 EUR |
Kostenverteilung anhand des Obsiegens/
Unterliegens Bei der nach Obsiegen und Unterliegen (8.000 EUR : 2.000 EUR) gebotenen Kostenregelung (80 : 20) hätte dem K dagegen eine höhere Kostenerstattung zugestanden in Höhe von: | |
Zwischensumme (wie oben) | 5.428,22 EUR |
Hiervon 80 % | 4.342,58 EUR |
./. eigene Anwaltskosten B | − 2.581,11 EUR |
Erstattung von B an K | 1.761,47 EUR |
Schlechterstellung des VR geht zulasten des Anwalts An sich wäre dieser Anspruch i. H. v. 1.761,47 EUR nach § 86 Abs. 1 VVG auf R übergegangen. Weil K aufgrund der fehlerhaften Kostenregelung nach dem Vergleich aber nur 675,82 EUR erhält, wird R um 1.085,65 EUR schlechtergestellt. Diesen Betrag wird R von der Rechnung des A abziehen. A wiederum wird den Fehlbetrag nicht dem K in Rechnung stellen können, weil dem ein Schadenersatzanspruch des K aus § 280 BGB entgegensteht. A verliert also letztlich Gebühren von 1.085,65 EUR. |
3. Klausel gilt auch bei außergerichtlichen Vergleichen
Die Kostenregelung in den ARB ist auch bei einem außergerichtlichen Vergleich anwendbar. Der Ausschlusstatbestand greift sogar, wenn in einem außergerichtlichen Vergleich keine ausdrückliche Regelung über die Kostenverteilung getroffen wird (BGH NJW 06, 1281 = AGS 06, 571). Für den Ausschlusstatbestand in den ARB genügt es, dass der VN konkludent Kostenzugeständnisse in der Weise gemacht hat, dass die Kostenlast zu seinem Nachteil von der angesichts der Obsiegensquote objektiv gebotenen Kostenverteilung abweicht (BGH NJW 13, 1007 = AGS 13, 155).
Beispiel 2 | |
Der bei R rechtsschutzversicherte Käufer K hat vom Verkäufer V einen Pkw für 20.000 EUR gekauft. Später verlangt er die Wandelung des Kaufvertrags. Da V auch nach mehrmaligen Fristsetzungen die Wandelung ablehnt, beauftragt K Rechtsanwalt A, der bei V die Rückzahlung des Kaufpreises geltend macht, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw. Die Parteien einigen sich und V zahlt zur Erledigung der Angelegenheit den Kaufpreis abzüglich gezogener Nutzungen, insgesamt 18.000 EUR, an K zurück, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw. Es wird keine Regelung zu den Kosten getroffen (siehe zu einem vergleichbaren Fall: AG Achern 10.9.14, 3 C 74/14). | |
Kosten Anwalt A | |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 20.000 EUR) | 1.068,60 EUR |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG (Wert: 20.000 EUR) | 1.233,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 441,10 EUR |
2.762,70 EUR | |
Mangels einer Kostenregelung im Vergleich gilt, dass jede Partei ihre Kosten selbst trägt. K hat also keinen Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich seiner Anwaltskosten. Wenn A eine dem Obsiegen zum Unterliegen (18.000 EUR : 20.000 EUR) entsprechende Kostenregelung in den Vergleich aufgenommen hätte, müsste V 90 Prozent der Kosten des A übernehmen. So wäre dem K ein Kostenerstattungsanspruch i. H. v. 2.486,43 EUR entstanden, der auf R übergegangen wäre. R wird daher jetzt nur 10 Prozent der angefallenen Anwaltskosten, also 276,27 EUR, übernehmen und sich im Übrigen auf einen Verstoß gegen die Kostenklausel der ARB berufen. |
4. Darlegungs- und Beweislast trifft den Versicherer
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ausschlussklausel aus den ARB ist ein Kostenerstattungsanspruch. Ein (ausreichendes) Kostenzugeständnis des VN liegt nicht vor, wenn im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung Kostenaufhebung vereinbart wird und es gar keinen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner gibt (BGH, NJW 13, 1007 = AGS 13, 155; AG München RuS 19, 515). Daher kommt ein Verstoß gegen die Ausschlussklausel in den ARB nicht in Betracht, soweit nach § 12a Abs. 1 ArbGG eine Erstattung der Anwaltskosten ausgeschlossen ist.
Den Rechtsschutzversicherer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch besteht und dass darauf zum Nachteil des VR verzichtet worden ist (BGH NJW 11, 2054). Gelingt ihm dies nicht, muss er eine Kostenregelung analog § 98 ZPO akzeptieren und jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
5. Handlungsempfehlungen
Mitunter lässt sich das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen nicht eindeutig ermitteln, insbesondere nicht auf die Schnelle, wenn der Anwalt im Termin einen Vergleich schließen will. Ebenso kann es vorkommen, dass die Gegenpartei keine Kostenregelung vereinbaren will, die sich am Obsiegen oder Unterliegen orientiert, die eigene Partei aber im Hinblick auf ihren Rechtsschutzversicherer nichts Abweichendes vereinbaren kann. Soll der Vergleich ungeachtet dessen in der Hauptsache dennoch geschlossen werden, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an:
Der sicherste Weg ist, dass Sie eine – möglicherweise vom Obsiegen und Unterliegen abweichende – Kostenquote zuvor mit dem Rechtsschutzversicherer abstimmen und sich von ihm die Zustimmung zu einem solchen Vergleich einholen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn Sie vor dem Vergleichsabschluss genügend Zeit haben, den VR zu unterrichten und Rücksprache zu halten. Diese Möglichkeit kommt insbesondere in Betracht, wenn ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen werden soll.
Können Sie den VR nicht vorab fragen, sollten Sie den Vergleich zunächst unter Widerrufsvorbehalt schließen. So gewinnen Sie Zeit, den Vergleich einschließlich seiner Kostenregelung im Nachhinein dem VR zu unterbreiten und dazu die Zustimmung einzuholen. Stimmt der VR nicht zu, müssen Sie den Vergleich widerrufen.
Beachten Sie | Dieses Vorgehen hat den Nachteil, dass mit dem Widerruf auch der Vergleich in der Hauptsache entfällt, was ggf. den Interessen der Partei zuwiderläuft. Sie können deshalb den Vergleich in der Hauptsache unbedingt schließen und lediglich für die Kostenregelung im Vergleich einen Widerrufsvorbehalt vereinbaren. Für den Fall des Widerrufs müssen Sie beantragen, dass das Gericht dann nach § 91a ZPO über die Kosten entscheidet.
Die Parteien können das Verfahren nach Vergleich auch in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären und wechselseitige Kostenanträge stellen. Das Gericht muss dann nach § 91a ZPO über die Kosten entscheiden. Daran ist der Rechtsschutzversicherer gebunden, selbst wenn diese Entscheidung aus Billigkeitsgründen erheblich vom Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens abweichen sollte (OLG Hamm NJW-RR 05, 331).
Beachten Sie | Dieses Vorgehen hat den Nachteil, dass im Gegensatz zu einem umfassenden Vergleich keine Gerichtskostenermäßigung eintritt. Diese „zusätzlichen“ Gerichtsgebühren können Sie auch nicht dadurch vermeiden, dass die Parteien auf ein Rechtsmittel gegen den Kostenbeschluss verzichten (OLG Düsseldorf NJW 16, 3043; OLG Braunschweig AGS 15, 400; OLG Hamm JurBüro 19, 543; OLG Oldenburg NJW-RR 12, 1467; LG Aachen AGS 17, 511). In einem solchen Rechtsmittelverzicht würde zudem eine Obliegenheitsverletzung liegen, da der Rechtsschutzversicherer keine Möglichkeit mehr hätte, den VN anzuweisen, gegen die Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 2 ZPO sofortige Beschwerde einzulegen.
AUSGABE: VK 4/2024, S. 69 · ID: 49856481