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UnterlassungUnzulässigkeit der Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel

Abo-Inhalt25.08.202572 Min. Lesedauer

| Der BGH musste die Frage entscheiden, ob ein Gläubiger weiterhin aus einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstitel vollstrecken kann, wenn ihm aufgrund einer Änderung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG die Sachbefugnis entzogen wurde, weil er nicht in die vom Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragen ist. Das Problem: Unterlassungstitel wirken in die Zukunft. Sie hängen also auch von der fortbestehenden materiellen Anspruchsberechtigung des Gläubigers ab. Tritt eine Gesetzesänderung ein, entfällt ggf. die Legitimation des Gläubigers. Damit stellt sich die Frage, ob und wie Schuldner mit einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen solche „überholten“ Titel vorgehen können. |

Sachverhalt

Ein nicht eingetragener Wirtschaftsverband hatte erfolgreich gegen ein Unternehmen geklagt und einen Unterlassungstitel erwirkt. Nach einer Gesetzesänderung (§ 8 UWG n. F., § 8b UWG) fehlte ihm die Eintragung und damit die aktuelle Anspruchsberechtigung. Der Schuldner griff daraufhin die Zwangsvollstreckung mit einer Vollstreckungsabwehrklage an. Der BGH entschied, dass die Sachbefugnis des Gläubigers eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung ist. Entfällt sie nachträglich, kann die Vollstreckung somit für unzulässig erklärt werden (BGH 17.7.25, I ZR 243/24, Abruf-Nr. 249496).

Entscheidungsgründe

§ 767 ZPO gilt, wenn der Schuldner materielle Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhebt.

Der nachträgliche Wegfall der Anspruchsgrundlage (z. B. durch Gesetzesänderung; hier: § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zum 1.12.21; BGBl. I 20 S. 2568) stellt materiell-rechtlichen einen Einwand dar. Eine nachträgliche Gesetzesänderung kann die Vollstreckungsabwehrklage begründen, wenn der in Rede stehende Vollstreckungstitel auf wiederkehrende Leistungen gerichtet ist. Der hier vorliegende Unterlassungstitel wirkt in die Zukunft und kann in dieser Wirkung von einer späteren Gesetzesänderung betroffen sein. Entsprechendes gilt, wenn durch die Änderung die Sachbefugnis eines bestimmten Gläubigers entfällt.

§ 15a Abs. 1 UWG schützt nur laufende Verfahren bis zu deren rechtskräftigem Abschluss. Die Vorschrift trifft weder zum Zwangsvollstreckungsverfahren noch zur Vollstreckungsabwehrklage eine Regelung. Übergangsregelungen dienen allein dem Zweck, den Wirtschaftsverbänden Zeit zu geben, die Eintragung in die Liste gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 8b UWG zu erreichen. Eine uneingeschränkte Fortwirkung von „Alttiteln“ wollte der Gesetzgeber gerade nicht.

Relevanz für die Praxis

Die Entscheidung stärkt die Bedeutung der Listeneintragung der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG erheblich. Denn dadurch wird verdeutlicht, dass die Sachbefugnis dynamisch überprüft werden muss und auch Alttitel nicht „unsterblich“ sind. Für Gläubiger bedeutet dies eine wichtige Chance, sich durch rechtzeitige Eintragung und sorgfältige Organisationsstruktur eine gesicherte Vollstreckungsbefugnis zu sichern. Im Umkehrschluss hat dies zur Folge, dass sich für Schuldner eine effektive Verteidigung gegen missbräuchliche Vollstreckung aus nicht mehr legitimierten Titeln eröffnet.

Für Gläubiger, die ordnungsgemäß eingetragen sind oder ihre Rechtslage prüfen, ergeben sich folgende Vorteile:

Checkliste / Das ist vor Geltendmachung oder Vollstreckung eines Unterhaltstitels zu prüfen

  • Listeneintragung prüfen: Ist der Verband in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände (§ 8b UWG) eingetragen? Falls nicht: Antrag stellen bzw. Status regelmäßig kontrollieren.
  • Bestandsaufnahme bestehender Titel: Liegt die Sachbefugnis noch vor? Welche Unterlassungstitel wurden vor dem 1.12.21 erwirkt? Sind sie weiterhin durchsetzbar (nur bei Eintragung)? Übergangsregelung § 15a UWG gilt nur für noch laufende Erkenntnisverfahren, nicht für die Vollstreckung.
  • Überwachung laufender Vollstreckungen: Bei jeder Vollstreckung ist zu prüfen, ob (noch) eine Anspruchsberechtigung besteht.
  • Kommunikation mit Schuldnern: Schuldner könnten mit einer Vollstreckungsabwehrklage reagieren. Vorab prüfen, ob die Legitimation anfechtbar ist.
  • Langfristige Sicherung der Position: Verbände müssen aktiv aufrechtsichernde Schritte einleiten (z. B. Eintragung, Dokumentation der Voraussetzungen nach § 8b UWG).
  • Rechtssicherheit: Eingetragene Verbände haben eine klar nachweisbare Vollstreckungsbefugnis. Folge: Nur geprüfte Verbände dürfen Titel erwirken und vollstrecken.
  • Wettbewerbsschutz durch „Filter“: Unqualifizierte oder rein ökonomisch motivierte Verbände verlieren ihre Durchsetzungsmacht. Wettbewerber können sich somit auch gegen Abmahn- und Vollstreckungsmaßnahmen nicht eingetragener Verbände wirksam verteidigen.
  • Missbrauchsvermeidung: Verbände ohne Eintragung verlieren ihre Vollstreckungsmöglichkeiten – die Position der seriösen, eingetragenen Gläubiger wird gestärkt.
  • Rechtsklarheit in Vollstreckungsverfahren: Eingetragene Gläubiger können weniger mit taktischen Einwendungen des Schuldners konfrontiert werden.
  • Gleichstellung mit dem Gesetzeszweck: Das Ziel, nur „qualifizierten“ Verbänden Anspruchsberechtigung zu geben, schützt eingetragene Gläubiger vor unlauterer Konkurrenz.

AUSGABE: VE 9/2025, S. 156 · ID: 50511802

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