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VerfahrensrechtInanspruchnahme eines Drittschuldners

Abo-Inhalt27.08.202565 Min. Lesedauer

| Im Streitfall hatte der Schuldner im Insolvenzverfahren mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) im Eröffnungsverfahren Zahlungen von Drittschuldnern entgegengenommen, obwohl die Drittschuldner nach gerichtlicher Anordnung nur an den vorläufigen Insolvenzverwalter hätten leisten dürfen. Der BGH hat nun geklärt, wen der Insolvenzverwalter in solchen Fällen in Anspruch nehmen darf. |

Relevanz für die Praxis

Der Klage des Insolvenzverwalters gegen den Schuldner auf Erstattung der eingezogenen Beträge wurde in den Vorinstanzen teilweise stattgegeben, letztlich durch den BGH jedoch vollständig abgewiesen.

Leitsatz: BGH 5.6.25, IX ZR 69/24

  • 1. Ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter ist nicht befugt, Ansprüche gegen den Schuldner zu verfolgen, um die vom Schuldner im Eröffnungsverfahren nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts unberechtigt empfangene Leistung eines Drittschuldners zur Masse zu ziehen, wenn der geleistete Gegenstand nicht mehr im insolvenzbefangenen Vermögen des Schuldners vorhanden ist.
  • 2. Nimmt der (vorläufige) Insolvenzverwalter einen Drittschuldner, der nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts an den Schuldner geleistet hat, erneut auf Leistung in Anspruch, kann der Drittschuldner dem Leistungsverlangen grundsätzlich nicht entgegenhalten, der (vorläufige) Insolvenzverwalter müsse zuvor versuchen, beim Schuldner Zugriff auf das Geleistete zu nehmen.
  • (Abruf-Nr. 249168)

Das Urteil stellt klar, dass nicht der Schuldner, sondern der Drittschuldner der primäre Ansprechpartner für den Rückfluss zur Masse im vorläufigen Insolvenzverfahren ist – selbst bei Verstößen gegen einen Zustimmungsvorbehalt. Folgen für (Insolvenz)Gläubiger: Das strategische Vorgehen durch fundierte Forderungsanmeldung und Zusammenarbeit mit dem Verwalter führt eher zum Erfolg als individualrechtliche Klagen gegen den Schuldner. Die Entscheidung bringt folgende Vorteile für (Insolvenz)Gläubiger:

  • Die Konzentration auf die Drittschuldnerhaftung und die sofortige Geltendmachung entsprechender Ansprüche schützt die Masse und dient so unmittelbar dem Interesse aller Insolvenzgläubiger, weil sich Chancen ergeben, Mittel zur Masse zu ziehen und dadurch die Quote für Insolvenzgläubiger erhöht werden kann.
  • Der BGH gibt Rechtssicherheit durch klare Zuweisung der Verantwortlichkeit. Er stellt Kriterien auf, wann und gegen wen Ansprüche bestehen.
  • Die Entscheidung schützt die Insolvenzmasse vor Risikoverschiebungen. Drittschuldner sind nicht berechtigt, einfach an den Schuldner zu leisten. Sie haften sonst weiter. So reduzieren sich Gefahren, dass die Masse durch Unachtsamkeit oder absichtliche Verstöße von Vertragspartnern des Schuldners geschädigt wird.
  • Die Effizienz im Insolvenzverfahren wird gesteigert. Dadurch werden die Gläubigerinteressen durch vorrangige, durchsetzbare Ansprüche gegenüber Dritten effektiv geschützt, was wiederum längere Streitigkeiten über Herausgabeansprüche gegen den Schuldner vermeidet und dadurch das Verfahren schneller – durch Quotenzahlung – zum Abschluss kommt.

Handlungsempfehlungen für Insolvenzgläubiger:

Checkliste / Insolvenzgläubiger – Verhalten im vorläufigen Verfahren

Prüffrage

Maßnahme

Verantwortlicher

Wurde Zustimmungsvorbehalt/Sicherungsmaßnahmen angeordnet (§ 21 Abs. 2 InsO)?

Sicherstellen, dass Drittschuldner unterrichtet sind; dies dient der Vermeidung irrtümlicher Zahlungen an den Schuldner und minimiert eigenmächtige Verfügungen des Schuldners während Eröffnungsverfahren.

Insolvenzverwalter

Hat der Drittschuldner an den Schuldner nach Anordnung des Zustimmungsvorbehalts geleistet?

Nachdrücklich den Verwalter zur Rückforderung veranlassen.

Insolvenzverwalter

Klären, ob auf geschütztes (P)-Konto/Massekonto gezahlt wurde.

Ggf. Herausgabeanspruch durchsetzen (§ 148 InsO); nur so ist Massezugehörigkeit gesichert.

Insolvenzverwalter

Hat der Schuldner den Forderungseinzug verschleiert oder verschoben?

Prüfung evtl. Strafanzeige bei Schuldnerverhalten; Anmeldung der Forderung als Delikt; dadurch Verhinderung Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO).

Gläubiger

Hat der Verwalter Maßnahmen zur Genehmigung oder Rückforderung eingeleitet?

Transparenz durch Berichtspflichten einfordern.

Gläubiger

Überwachung von Obliegenheiten zur Restschuldbefreiung.

Versagung der Restschuldbefreiung bei unredlichem Verhalten möglich (§§ 295 ff. InsO).

Gläubiger

  • Stellen Sie einen Antrag auf einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO), statt nur einen Zustimmungsvorbehalt zu erklären. Er kann im Eröffnungsverfahren tätig werden und so frühzeitig die Masse sichern.
  • Gläubiger sollten überwachen, an wen Drittschuldner im Eröffnungsverfahren zahlen. Unterstützen Sie die Verschärfung der Drittschuldner-Haftung durch rechtzeitige Information über die Insolvenz und die Einschränkungen für Zahlungen an den Schuldner. Die Konzentration auf die Drittschuldnerhaftung und die sofortige Geltendmachung entsprechender Ansprüche schützt die Masse und dient unmittelbar dem Interesse aller Insolvenzgläubiger.
  • Prüfen Sie, ob Bankrotttatbestände vorliegen und erstatten Sie ggf. Anzeige. Der Schuldner, der im Eröffnungsverfahren empfangene Drittschuldnerleistungen nämlich noch vor Insolvenzeröffnung auf Dritte verschoben oder solche Forderungen verheimlicht hat, haftet seinen Gläubigern ggf. wegen Quotenverringerung auf Schadenersatz (§ 283 StGB, § 826 BGB). Haben Sie als Gläubiger einen solchen Anspruch als einen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet (§ 174 Abs. 2 InsO) und ist dieser so zur Tabelle festgestellt worden (§ 178 InsO), wird der Anspruch von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt (§ 302 Nr. 1 InsO).
  • Arbeiten Sie eng mit dem Insolvenzverwalter zusammen, um Zahlungen an den falschen Ansprechpartner zeitnah zu identifizieren.

AUSGABE: VE 9/2025, S. 151 · ID: 50511741

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