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VollstreckungspraxisWenn Gerichtsvollzieher Nachbarn des Schuldners befragen sollen ...
| Kürzlich entschied das AG München: Es verletzt den Datenschutz, wenn Gerichtsvollzieher gerichtlich angewiesen werden, bei Nachbarn des Schuldners dessen Aufenthalts- bzw. neuen Wohnort zu ermitteln (22.12.24, 1509 M 7854/24, Abruf-Nr. 247963). Trotzdem ist diese „Informationsquelle“ für Gläubiger nicht verloren, sie müssen lediglich anders vorgehen. |
Sowohl unsere Vollstreckungs-Tipps als auch viele sonstige Leserzuschriften zeigen, dass Hinweise aus dem nahen Umfeld des Schuldners die Vollstreckung oft vorantreiben. Neben Lieferdiensten oder regelmäßigen Besuchern im Wohnviertel sind vor allem die Nachbarn des Schuldners wichtige Tippgeber dazu, ob dieser z. B. verzogen ist oder eine neue Arbeitsstelle hat.
Im Fall des AG München beantragte der Gläubiger, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, Bewohner des Hauses zur Meldeadresse des Schuldners zu befragen. Das AG lehnte den Antrag ab, denn eine solche Anweisung verstoße gegen das Datenschutzrecht. Es setzte sich dabei auch mit zwei Entscheidungen des AG Bremen (11.6.14, 43 M 430663/14) und des AG Wuppertal (13.8.19, 43 M 2703/19) auseinander.
Diese Entscheidungen, auf die sich der Gläubiger stützte, stammten teils aus der Zeit vor der DS-GVO oder gingen nicht auf datenschutzrechtliche Fragen ein. Sie könnten daher nicht herangezogen werden. Zudem, so das AG München, regele § 755 ZPO die Ermittlung des Aufenthaltsorts eindeutig und sehe keine Nachforschungen im privaten Umfeld des Schuldners vor. Die Vorschrift enthalte auch keinerlei Öffnungsklausel für weitere Maßnahmen des Gerichtsvollziehers. Das Gesetz bietet also schlicht keine Möglichkeiten, den Gerichtsvollzieher zum „Detektiv“ werden zu lassen.
Praxistipp | Regelmäßig bekommen Gerichtsvollzieher Hinweise zum Schuldner von Nachbarn oder Personen, denen sie ihm Wohnhaus begegnen. Außer professionelle Auskunfteien zu beauftragen oder Recherchen selbst zu unternehmen, können Gerichtsvollzieher z. B. telefonisch auf mögliche Bewohner oder Dritte aufmerksam gemacht werden, die den Schuldner (vielleicht schon lange Zeit) kennen. Aber: Gerichtsvollzieher schriftlich zu solchen Ermittlungen aufzufordern oder gar gerichtlich hierzu verpflichten zu wollen, ist unzulässig. Gläubiger sollten dies daher auch nicht versuchen. |
- Effektive Gerichtsvollzieherbeauftragung bei Pfändung vor Ort, VE 25, 56
- Vollstreckungs-Tipp des Monats: Bestellt, geliefert, geplaudert, VE 22, 20
AUSGABE: VE 6/2025, S. 92 · ID: 50407496