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ErsatzvornahmeErsatzvornahme-Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren richtig geltend machen
| Im Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer vertretbaren Handlung stellt sich immer wieder die Frage, ob die Kosten einer vom Gläubiger ohne gerichtliche Ermächtigung vorgenommenen Ersatzvornahme als vollstreckungsbedingte Kosten nach § 788 ZPO geltend gemacht werden können. Nein, sagt das OLG Brandenburg. Zulässiger Gegenstand des Kosten-Festsetzungsverfahrens nach §§ 103, 104 ZPO können nur Kosten des Rechtsstreits i. S. v. § 91 ZPO oder Kosten der Zwangsvollstreckung i. S. v. § 788 ZPO sein. Wurde dagegen eine anderen obliegende Handlung ohne die gerichtliche Ermächtigung selbst vorgenommen, können die Kosten der Ersatzvornahme nicht als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO beigetrieben werden. Es kommt allerdings ein Ersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) oder nach Bereicherungsrecht im Wege der Klage in Betracht. |
Entscheidungsgründe
Das OLG hat entschieden, dass die Klägerin die Kosten einer selbst veranlassten Ersatzvornahme (hier: Zaunumsetzung) nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO geltend machen kann. Da keine gerichtliche Ermächtigung nach § 887 ZPO vorlag, gelten somit die Kosten nicht als Zwangsvollstreckungskosten gemäß § 788 ZPO. Die Klägerin hätte zuvor einen Antrag auf gerichtliche Ermächtigung stellen müssen. Daher bleibt ihr nur, die Kosten im Rahmen einer Klage geltend zu machen – etwa wegen Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht. Den ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss des LG hat das OLG daher aufgehoben.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung des OLG Brandenburg (6.6.24, 6 W 16/24, Abruf-Nr. 247964) folgt der Rechtsprechung des BGH (VE 07, 21), wonach der Gläubiger, der die dem Schuldner obliegende vertretbare Handlung selbst vorgenommen hat, die ihm dadurch entstandenen Kosten nicht noch nachträglich im Vollstreckungsverfahren erstattet verlangen kann.
Das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 103, 104 ZPO beschränkt den zulässigen Gegenstand auf Kosten
- des Rechtsstreits gemäß § 91 ZPO (hierunter fallen ausschließlich Kosten, die unmittelbar aus dem Prozessgeschehen resultieren) und
- der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO (dabei handelt es sich um Aufwendungen, die unmittelbar im Rahmen der Vorbereitung oder Durchführung einer Zwangsvollstreckung anfallen).
Nimmt der Gläubiger eine dem Schuldner obliegende Handlung (etwa eine Ersatzmaßnahme) eigenmächtig vor, ohne dass zuvor ein entsprechender Antrag gestellt oder eine gerichtliche Ermächtigung nach § 887 ZPO erteilt wurde, können die hierdurch entstehenden Kosten nicht im Kostenfestsetzungsverfahren als Zwangsvollstreckungskosten abgerechnet werden.
Beachten Sie | Ein Ersatzanspruch kann sich stattdessen materiell-rechtlich aus GoA (§§ 677 ff. BGB) oder Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) ergeben. Dies ist dann aber mittels separater Klage geltend zu machen.
Die betreffenden Ansprüche unterliegen jedoch möglichen Einwendungen, die bei Einhaltung des in § 887 ZPO vorgesehenen Verfahrens nicht in Betracht kommen und dort sinnvollerweise auch nicht behandelt werden.
Das bedeutet für Gläubiger:
- Verfahrensbeschränkung: Gläubiger dürfen im Kostenfestsetzungsverfahren ausschließlich Prozesskosten (§ 91 ZPO) oder Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788 ZPO) geltend machen.
- Risiko der Kostenverweigerung: Wird eine Ersatzvornahme eigenmächtig, also ohne gerichtliche Ermächtigung durchgeführt, erlischt der Anspruch, solche Kosten im Rahmen des Festsetzungsverfahrens nach § 788 ZPO geltend zu machen. Folge: Ein Nachholen der Kostenerstattung ist nur noch über separate Klageansprüche möglich.
Beachten Sie | Eine übereilte – eigenmächtige – Durchführung von Ersatzvornahmen ohne vorherige gerichtliche Klärung führt somit dazu, dass Gläubiger finanzielle Nachteile erleiden, weil sie ihre Aufwendungen nicht im Rahmen des vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahrens abgerechnet bekommen.
Interessenausgleich |
Gläubiger sollten daher wie folgt handeln:
Checkliste / Ersatzvornahme und Kostenfestsetzung |
Praktisches Hilfsmittel
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- Vor der Ersatzvornahme ist zu prüfen, ob die anfallenden Kosten als Prozess- oder als Zwangsvollstreckungskosten abgerechnet werden können.
- Um Ersatzvornahmen im Rahmen der Zwangsvollstreckungskosten geltend zu machen, sollte vorab ein entsprechender Antrag nach § 887 Abs. 1 beim Prozessgericht des ersten Rechtszugs als Vollstreckungsgericht gestellt werden, weil dadurch die vollstreckungsrelevante Handlung rechtskonform veranlasst und damit später erstattungsfähig ist.
- Alle Schritte und Aufwendungen sollten detailliert dokumentiert und begründet werden, um im Streitfall nachweisen zu können, dass die Maßnahme zur Wahrung des Gläubigerinteresses erforderlich war.
- Wird die Ersatzvornahme ohne gerichtliche Ermächtigung vorgenommen, sollte parallel geprüft werden, ob ein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder dem Bereicherungsrecht besteht. In diesem Fall ist eine separate Klage notwendig, um die Aufwendungen geltend zu machen.Alternative Rechtswege prüfen
- Freistellungsanspruch: So wird vollstreckt, VE 19, 179
- Ersatzvornahme: Kosten sind gebührenrechtlich besondere Angelegenheit; VE 18, 162
- BGH: Als vertretbar anzusehende Handlung kann im Einzelfall unvertretbar sein, VE 09, 87
- Vorsicht vor einer voreiligen Ersatzvornahme, VE 07, 21
AUSGABE: VE 6/2025, S. 96 · ID: 50401164