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RäumungVollstreckungshindernis trotz vorläufiger Vollstreckbarkeit
| Ein Anwalt hat für seinen Mandanten (Kläger) ein Urteil auf Räumung von Gewerberäumen erstritten. In dem Urteil hat das Gericht angeordnet, dass das Urteil für den Kläger vorläufig vollstreckbar ist, während der Beklagte die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 EUR abwenden darf, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit leistet. Nach Erlass des daraufhin erwirkten KFB über rd. 24.000 EUR und Ablauf der zweiwöchigen Wartefrist (§ 798 ZPO) hat der Anwalt den Schuldner aufgefordert, zu zahlen, um die Zwangsvollstreckung zu vermeiden. Der Beklagte wandte darauf ein, die Sicherheit geleistet zu haben, sodass auch eine Vollstreckung aus dem KFB unzulässig sei. Zu Recht? |
Antwort: Ja. Der Einwand des Beklagten ist zutreffend. Denn der KFB ist trotz § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO kein selbstständiger Titel in vollem Sinne: Er teilt vielmehr unmittelbar das Schicksal der Kostengrundentscheidung, die er der Höhe nach nur ausfüllt. Stellt das Urteil hier besondere Vollstreckungsvoraussetzungen auf, gelten sie auch ohne ausdrückliche Aufnahme in den KFB für ihn selbst (OLG Karlsruhe Rpfleger 00, 555). Zur Klarstellung müssen sie aber in den KFB aufgenommen werden, weil der KFB als eigenständiger Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) Grundlage der Zwangsvollstreckung ist. Aus dem KFB selbst sollen – soweit wie möglich – die sachlichen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung erkennbar sein (OLG Karlsruhe, a. a. O.).
Beachten Sie | Das Fehlen einer in der Kostengrundentscheidung enthaltenen Vollstreckungsbeschränkung im KFB ist mit dem zulässigen Rechtsmittel anfechtbar (KG JurBüro 1984, 1572).
Liegt, wie hier, ein stattgebendes Räumungsurteil vor, ist es für den Kläger ohne Sicherheitsleistung für vollstreckbar zu erklären (§ 708 Nr. 7 ZPO). Das gilt nicht nur für Wohn-, sondern auch für Gewerberäume (KK-Vollstreckung/Braun, ZPO, 8. Aufl., § 708 Rn. 8; Bub/Treier/Fischer/Günter, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap. XI Rn. 367). Gleichzeitig muss das Gericht nach § 711 ZPO eine Abwendungsbefugnis für den Beklagten bestimmen, die entweder konkret zu beziffern ist (§ 711 S. 1 ZPO) oder bei Verurteilung zur Zahlung einen verhältnismäßigen Betrag (§§ 709 S. 2, 711 S. 2 ZPO) ausweisen muss. Bei einer sog. „gemischten Vollstreckung“ (z. B. Räumungs- und Zahlungsverpflichtung) ist für die Bemessung der Sicherheitsleistung zwischen dem Räumungsanspruch und der Geldforderung zu differenzieren (OLG Rostock MDR 25, 130; Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 709 Rn. 6).
Beachten Sie | Dasselbe wird im vorliegenden Fall hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits vertreten, wonach das Gericht die Sicherheitsleistung getrennt aussprechen soll: Während die dem Beklagten obliegende Sicherheitsleistung zur Abwendung der Räumungsvollstreckung sich am Verzögerungsschaden für den Kläger ausrichten muss, soll dem Kläger als Sicherheitsleistung die Höhe eines Schadenersatzanspruchs des Beklagten nach § 717 Abs. 2 ZPO auferlegt werden (Windau, NZM 20, 303; Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 708 Rn. 9).
Im vorliegenden Fall hat das Gericht keine Differenzierung bei der Sicherheitsleistung vorgenommen: Der Gläubiger darf wegen der Räumung und der Kosten bzw. aus dem KFB sofort vollstrecken, während der Beklagte die Vollstreckung von beidem durch (einmalige) Sicherheitsleistung von 100.000 EUR abwenden kann.
Hat der Beklagte hier demnach die Sicherheit geleistet, ist damit nicht nur die Vollstreckung aus dem Urteil, sondern zugleich aus dem KFB unzulässig (§ 775 Nr. 3 ZPO). Etwaige dennoch veranlasste Vollstreckungsmaßnahmen wären vom Vollstreckungsgericht aufzuheben (§ 776 S. 1 ZPO), wenn der Beklagte der Hinterlegungsstelle des AG die Hinterlegungsquittung als öffentliche Urkunde (BGH DGVZ 22, 11) oder bei Sicherheitsleistung durch Bürgschaft den Nachweis darüber vorlegt, dass die schriftliche Bürgschaftserklärung dem Kläger nach § 195 ZPO zugestellt oder das Original dem Gerichtsvollzieher übergeben ist.
Beachten Sie | Ausnahmsweise kann der Einwand des Vollstreckungsgläubigers, der Nachweis der Sicherheitsleistung des Vollstreckungsschuldners sei nicht durch öffentliche Urkunde geführt, rechtsmissbräuchlich sein, wenn feststeht, dass dem Vollstreckungsgläubiger das Original der Bürgschaftsurkunde tatsächlich zugegangen ist (BGH MDR 17, 904 – im Fall des Zugangs per Einwurfeinschreibens).
AUSGABE: VE 6/2025, S. 103 · ID: 50400929