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LeserforumRückfestsetzung mit Erstattung von Vollstreckungskosten

Abo-Inhalt18.05.20255699 Min. LesedauerVon Wolf Schulenburg, geprüfter Rechts- und Notarfachwirt, Berlin

| Eine Leserin stellte uns folgende Frage: Für den Gläubiger als Kläger haben wir in erster Instanz ein gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil sowie einen KFB erwirkt. Der Gläubiger hat daraufhin Sicherheit geleistet und den Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung aus dem KFB beauftragt. Der Schuldner glich die Forderung einschließlich der Kosten der Zwangsvollstreckung (RA-Vergütung sowie Gerichtsvollzieherkosten) aus. In zweiter Instanz wurde das zugunsten des Gläubigers ergangene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Schuldner als Beklagter macht im Kostenfestsetzungsverfahren des Rechtsstreits jetzt auch die gezahlten Kosten aus dem KFB erster Instanz sowie für die Zwangsvollstreckung zur Erstattung geltend. Zu Recht? |

1. So ist zu differenzieren

Antwort: Ja. Unterschieden werden muss allerdings zwischen der Zahlung auf die Forderung aus dem KFB (= Rückfestsetzung) und den vom Schuldner gezahlten Zwangsvollstreckungskosten.

2. Zahlung auf die Forderung aus dem KFB

Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert, ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist (§ 717 Abs. 2 S. 1 ZPO). Folge: Damit der Schuldner nicht erst einen zeitaufwendigen Rechtsstreit um seinen Schadenersatz führen muss, hat der Gesetzgeber in § 91 Abs. 4 ZPO die Möglichkeit der sog. Rückfestsetzung geschaffen (BT-Drucksache 15/1508, S. 16 f.).

Das Urteil erster Instanz, aufgrund dessen der KFB erging, ist aufgehoben worden. Der Schuldner (hier als Beklagter) kann daher seine auf den aufgehobenen KFB geleisteten Zahlungen (Hauptforderung, Zinsen), im Wege der Rückfestsetzung gegen den Gläubiger (hier als Kläger) zur Erstattung und Festsetzung in einem eigenen KFB geltend machen.

Beachten Sie | Das gilt auch für den Fall, dass die Kosten nicht zugunsten der ursprünglich obsiegenden Partei, sondern aufgrund der ihr bewilligten Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe nach § 126 Abs. 1 ZPO im Namen ihres beigeordneten Rechtsanwalts festgesetzt wurden. Hat die später obsiegende Partei deshalb an den Anwalt der PKH-Partei gezahlt, ist sie berechtigt, die Rückfestsetzung gegen den Rechtsanwalt als Erstattungspflichtigem zu erwirken (BGH AGS 13, 67). Eine Rückfestsetzung kommt daneben auch für den Fall in Betracht, dass der Schuldner durch Aufrechnung „gezahlt“ hat (Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 91 Rn. 9; Hansens, RVGreport 15, 448).

3. Erstattung der Zwangsvollstreckungskosten

Die Kosten der Zwangsvollstreckung sind dem Schuldner zu erstatten, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, aufgehoben wird (§ 788 Abs. 3 ZPO). Die Vorschrift ist materiell-rechtliche Erstattungsgrundlage für den Schuldner (BAG, NJW 21, 257) und beruht – wie § 717 Abs. 2 ZPO – auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel auf eigene Gefahr vollstreckt. Nach einer Aufhebung oder Änderung des nur vorläufigen Titels soll der aus einer gleichwohl bereits vom Gläubiger vorgenommenen Vollstreckung folgende Schaden des Schuldners aufgrund einer schuldunabhängigen Risikohaftung des Gläubigers ausgeglichen werden (BGH MDR 21, 704).

Beachten Sie | Ob die Erstattungsvorschrift auch auf die Kosten anzuwenden ist, die dem Schuldner nur selbst zur Abwehr der Zwangsvollstreckung oder einzelner Vollstreckungsmaßnahmen erwachsen sind, ist allerdings streitig (Kölner Kommentar-Vollstreckung/Grieß, 8. Aufl., § 788 Rn. 33).

Nach Ansicht des BGH (VE 06, 180) sind die vom Schuldner geleisteten Zwangsvollstreckungskosten als Verfahrenskosten des zugrunde liegenden Rechtsstreits im weiteren Sinne anzusehen, die daher im Kostenfestsetzungsverfahren durch das Prozessgericht – und daher nicht etwa durch das Vollstreckungsgericht – festgesetzt werden können.

Der Schuldner (hier als Beklagter) kann daher neben seiner Zahlung auf die Forderung aus dem KFB seine weiter geleistete Zahlung für die Kosten der Zwangsvollstreckung (RA-Vergütung des Gläubigers, Gerichtsvollzieherkosten) auch im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Gläubiger (hier als Kläger) zur Erstattung und Festsetzung mittels KFB geltend machen.

4. Erstattung auch ohne Titel bzw. KFB möglich?

Ob der Schuldner – wie ursprünglich der Gläubiger nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO – die Möglichkeit hat, seinen Erstattungsanspruch nach § 788 Abs. 3 ZPO auch ohne gesonderten Titel (z. B. durch einen KFB) beim Gläubiger beitreiben kann, ist streitig.

Die wohl überwiegende Meinung lehnt das ab, weil § 788 Abs. 3 ZPO hinsichtlich des Schuldners nicht auf § 788 Abs. 1 ZPO verweist (BGH VE 06, 180; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 25. Aufl., § 788 Rn. 26.; a. A.: LAG Nürnberg 27.7. 16, 5 Ta 61/16: aufhebende Entscheidung genügt). Folge: Der Schuldner bedarf zur Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs eines Titels, den er entweder über § 717 Abs. 2 ZPO gesondert erstreiten oder insbesondere in einem KFB nach §§ 103 ff. ZPO titulieren lassen kann. Für den zu erlassenden KFB dient die den ursprünglichen Titel aufhebende Entscheidung als „zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel“ i. S. v. § 103 Abs. 1 ZPO (Kölner Kommentar-Vollstreckung/Grieß, a. a. O.).

Beachten Sie | Eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für die Kostenfestsetzung bedarf es nicht (Prütting/Gehrlein/Schneider, ZPO. 16. Aufl., § 788 Rn. 7). Sie kann zudem dem Rechtsschutzinteresse einer gesonderten Klage nach § 717 Abs. 2 ZPO entgegenstehen (OLG Düsseldorf AGS 11, 409; BGH NJW 23, 2716 – zum grundsätzlichen Fehlen des Rechtsschutzinteresses einer gesonderten Klage, wenn der Anspruch im KFV geltend gemacht werden kann).

Im Kostenfestsetzungsverfahren können Kosten festgesetzt werden, soweit sie glaubhaft gemacht werden (§ 104 Abs. 2 S. 1, § 294 ZPO). Diese vereinfachte Verfahrensweise hat zur Folge, dass über materiell-rechtliche Einwendungen des Erstattungspflichtigen nicht zu entscheiden ist (BGH NJW 06, 1962). Sie sind nur dann zu berücksichtigen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen

Merke | Liegt keine der genannten Ausnahmen vor, kann der Gläubiger (hier als Kläger und Erstattungspflichtiger) im Kostenfestsetzungsverfahren nicht wirksam einwenden, dass

  • der Erstattungsanspruch des Schuldners (hier des Beklagten und Erstattungsberechtigten) z. B. durch Aufrechnung des Gläubigers mit einer anderen Forderung bereits erloschen sei (BGH NJW-Spezial 14, 412) oder
  • die frühere Aufrechnung des Schuldners, mit der er den nun wirkungslosen KFB der ersten Instanz „bezahlte“, unwirksam gewesen sei.
  • feststehen, weil sie unstreitig sind (OLG Koblenz AGS 15, 419 – wenn der Schuldner ihnen nicht widerspricht und sie daher nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten),
  • im Kostenfestsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können (BGH RVG prof. 14, 206) oder
  • rechtskräftig entschieden wurden (OLG München AGS 00, 181 – bei im selben Rechtsstreit rechtskräftig titulierter Forderung, mit der im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren bei der Kostenausgleichung nach § 106 ZPO nach Eingang der gegenseitigen Kostenfestsetzungsanträge aufgerechnet wurde).

Beachten Sie | Der Gläubiger (als Erstattungspflichtiger) ist in diesen Fällen auf den Weg der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) mit der Möglichkeit der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 769 ZPO) aus dem zugunsten des Schuldners (als Erstattungsberechtigten) erlassenen KFB verwiesen.

Dabei ist der Gläubiger nach allgemeiner Meinung mit seinen Einwendungen auch nicht gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert (OLG Stuttgart 22.7.21, 2 U 40/20; Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 104 Rn. 21.56 u. 21.106; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, a. a. O., § 104 Rn. 8).

Beachten Sie | Die Beweislast in diesem Rechtsstreit richtet sich dann nach dem materiellen Recht: Für die Einwendungstatsachen trägt sie grundsätzlich der Kläger (hier: der ursprüngliche Gläubiger und jetzt Titelschuldner des neuen KFB), während hingegen für das Entstehen des Anspruchs sie der Beklagte (hier: der ursprüngliche Schuldner und nun Titelgläubiger des neuen KFB) trägt (OLG Stuttgart, a. a. O., m. w. N.).

AUSGABE: VE 6/2025, S. 105 · ID: 50400928

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