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Unvertretbare HandlungWenn nur der Schuldner Auskünfte erteilen kann ...

Abo-Inhalt23.02.20254 Min. Lesedauer

| Die Vollstreckung von Handlungen, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängen, ist in § 888 ZPO geregelt. Die Vorschrift dient dazu, die Erfüllung unvertretbarer Handlungen mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Die Praxis zeigt, dass vor allem bei der Auskunftserteilung, die nur aufgrund persönlichen Wissens des Schuldners erfolgen kann, differenziert zu prüfen ist. Zentral ist hierbei die Abgrenzung zwischen objektiver und subjektiver Unmöglichkeit der Handlung sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Zwangsmittel. Der BGH hat jetzt hierzu entschieden. |

Sachverhalt

Das LG hatte entschieden, dass die Schuldnerin (S.) nicht verpflichtet ist, alle potenziellen Lieferanten und Abnehmer zu nennen, wenn sie die Herkunft markenverletzender Waren nicht ermitteln kann. Im Streitfall hatte die Gläubigerin (G.), Inhaberin bekannter Marken, gegen S. Klage auf Auskunft, Rückruf, Vernichtung und Schadenersatz eingereicht, nachdem ein Abnehmer markenverletzende Produkte verkauft hatte. Obwohl S. eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hatte und zur Auskunftserteilung verurteilt worden war, wurde ein Zwangsgeld verhängt, da die Auskunft unvollständig blieb.

Diese Entscheidung hob das Beschwerdegericht auf, da S. inzwischen ihre Pflichten erfüllt hatte und die Forderung nach Benennung aller potenziellen Lieferanten und Abnehmer als unverhältnismäßig erachtet wurde. Das Gericht stellte klar, dass S. nur die tatsächlich involvierten Dritten nennen muss und keine erweiterten Auskünfte über potenzielle Beteiligte schuldet.

Da S. wegen ihrer Lagerorganisation nicht ermitteln konnte, welcher Lieferant die markenverletzenden Produkte geliefert hatte, wurde sie von weiteren Auskunftspflichten entbunden. Der BGH hat hierzu wie folgt entschieden:

Leitsätze: BGH 7.11.24, I ZB 31/24

(Abruf-Nr. 245591)
  • 1. Das Vollstreckungsgericht hat bei der Entscheidung über einen Zwangsmittelantrag durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln, welche Verhaltensweisen dieser erfasst. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Antrags- oder Klagebegründung und der Parteivortrag heranzuziehen. Bei der Auslegung des Vollstreckungstitels ist grundsätzlich ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche dem Gläubiger zustehen.
  • 2. Ergibt die Auslegung des Vollstreckungstitels über die Erteilung einer Auskunft auf markenrechtlicher Grundlage eine Verpflichtung des Schuldners, dem Gläubiger solche Dritte zu benennen, die markenverletzende Ware an ihn geliefert oder die von ihm markenverletzende Ware erhalten haben, hat der Schuldner nicht alle in Betracht kommenden Lieferanten und Abnehmer zu benennen, bei denen dies lediglich möglicherweise der Fall ist.

Relevanz für die Praxis

Das Folgende dient als Orientierung für die rechtliche Praxis und unterstützt die effiziente Bearbeitung von Fällen im Kontext des § 888 ZPO. Das sind die vollstreckungsrechtlichen Grundlagen nach § 888 ZPO:

Eine Handlung, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt, kann durch Zwangsgeld oder Zwangshaft erzwungen werden (§ 888 Abs. 1 ZPO). Entscheidend ist, dass die Handlung weder durch einen Dritten noch auf andere Weise substituiert werden kann.

Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung, die nur auf persönlichem Wissen basiert, gilt als unvertretbare Handlung. Diese unterliegt den besonderen Anforderungen des § 888 ZPO (BGH VE 09, 5; BGH VE 15, 205).

Die Anordnung von Zwangsmitteln ist ausgeschlossen, wenn die Handlung objektiv oder subjektiv unmöglich ist. Der Schuldner trägt die Beweislast für die Unmöglichkeit (BGH VE 22, 26).

Der Umfang der Verpflichtung wird durch den Tenor der Entscheidung bestimmt. Ergänzend können Entscheidungsgründe herangezogen werden, nicht jedoch außerhalb des Titels liegende Umstände (BGH VE 15, 205). Im vorliegenden Fall ist die Auskunftspflicht auf solche Lieferanten und Abnehmer beschränkt, die markenverletzende Ware geliefert oder erhalten haben. Eine erweiterte Auslegung auf mögliche Lieferanten und Abnehmer ist unzulässig.

Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung muss verhältnismäßig sein. Zudem ist zu prüfen, ob organisatorische oder technische Hürden im Betrieb des Schuldners eine Erfüllung unmöglich machen. Folge: Die Tenorierung von Verpflichtungen muss präzise erfolgen, um spätere Streitigkeiten über den Umfang der Auskunftspflicht zu minimieren. Der Schuldner muss substanziiert darlegen, warum eine Handlung unmöglich ist. Dies erfordert organisatorische und dokumentarische Nachweise.

Die Durchsetzung muss verhältnismäßig und technisch möglich sein. Gerichte müssen die Verhältnismäßigkeit der Anordnung von Zwangsmitteln prüfen.

Merke | Gerichtliche Entscheidungen sollten eindeutig definieren, welche Handlungen konkret geschuldet werden. Gläubiger sollten frühzeitig über die Nachweispflichten eines Schuldners informiert werden, insbesondere im Hinblick auf Unmöglichkeitsnachweise. Dadurch können frühzeitig Gegenstrategien entwickelt und argumentiert werden. Zwangsmittel sollten nur eingesetzt werden, wenn die Verhältnismäßigkeit sichergestellt ist.

Checkliste / Handlungsempfehlungen für die Praxis

Vollstreckungstitel analysieren
  • Ist der Tenor klar und präzise formuliert? Sind die Pflichten eindeutig abgrenzbar?
Nachweise zur Unmöglichkeit sind durch Schuldner zu erbringen
  • Liegen organisatorische Hindernisse vor (z. B. Organisation des Wareneingangs, gemeinsame Lagerung der von verschiedenen Lieferanten stammenden Waren)?
Verhältnismäßigkeit prüfen
  • Ist die Anordnung der Zwangsmittel angemessen? Gibt es Alternativen zur Erzwingung der Handlung?
Prozesse optimieren
  • Sind interne Abläufe so gestaltet, dass Pflichten aus Vollstreckungstiteln erfüllbar sind? Wurden Maßnahmen zur Vermeidung von Rechtsverletzungen implementiert?

AUSGABE: VE 3/2025, S. 41 · ID: 50285735

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