Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Login
FeedbackAbschluss-Umfrage

GemeinnützigkeitBMF-Schreiben vom 12.01.2022 zu „Steuerbegünstigten Zwecken“ im AEAO: Das ist neu

Abo-Inhalt01.03.20223150 Min. Lesedauer

| Nur fünf Monate, nachdem das BMF umfangreiche Änderungen am Abschnitt „Steuerbegünstigte Zwecke“ im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) vorgenommen hatte, hat es den AEAO erneut ergänzt. Diesmal hat das BMF insbesondere die neuere Rechtsprechung eingearbeitet. VB erläutert die wichtigen Neuerungen. |

Politische Zwecke

Besonders umfangreich sind die Ergänzungen zur politischen Betätigung gemeinnütziger Einrichtungen. Das BMF folgt dabei im Wesentlichen der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 10.01.2019, Az. V R 60/17, Abruf-Nr. 207481 und 10.12.2020, Az. V R 14/20, Abruf-Nr. 220160).

BMF lockert Zügel

Unterm Strich lockert das BMF seine recht strenge Auffassung. Bisher sah es eine politische Betätigung nur dann als unschädlich an, wenn die gemeinnützige Tätigkeit „zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks weit in den Hintergrund tritt“ (AEAO, Nr. 16 zu § 52).

Politisch ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit ist unschädlich

Nach neuer Auffassung ist es einer steuerbegünstigten Körperschaft gestattet, „auf die politische Meinungs- und Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss zu nehmen, wenn dies der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten Zwecke dient und parteipolitisch neutral bleibt“. Die Beschäftigung mit politischen Vorgängen muss im Rahmen dessen liegen, was das Eintreten für die steuerbegünstigten Zwecke und deren Verwirklichung erfordert. In diesem Rahmen ist eine politische ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit unschädlich. Ebenso das Lobbying, etwa die Einbringung von Fachwissen auf Aufforderung in parlamentarischen Verfahren (BMF, Schreiben vom 12.01.2022, Az. IV A 3 – S 0062/21/10007:001, Abruf-Nr. 227184)

Vereinzelte tagespolitische Stellungnahmen – auch außerhalb der Satzungszwecke – sollen nicht beanstandet werden. Hier gilt das Prinzip, dass Bagatellverstöße nicht zum Entzug der Gemeinnützigkeit führen dürfen. Als Beispiel nennt das BMF den Aufruf eines Sportvereins für Klimaschutz oder gegen Rassismus.

Agitation oder unkritische Indoktrination ist schädlich

Politische Bildung ist nicht begünstigt, wenn sie die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen beeinflusst, z. B. durch einseitige Agitation oder unkritische Indoktrination.

Organisationsleistungen von Sportdachverbänden

Organisatorische Leistungen eines Sportdachverbands zur Durchführung von sportlichen Veranstaltungen sind nach § 67a Abs. 4 AO ein Zweckbetrieb, wenn an der sportlichen Veranstaltung überwiegend Sportler teilnehmen, die keine Lizenzsportler sind. Diese Regelung war 2018 in den § 67a AO eingefügt worden und gilt seit 2021.

Wann sind Organisationsleistungen ein Zweckbetrieb?

Sie begünstigt Sportverbände, in denen keine Profisportler organisiert sind, und Ligen, in denen Amateure und Profis gemischt antreten. Die Neuregelung war erforderlich geworden, weil der der BFH (Urteil vom 24.06.2015, Az. I R 13/13, Abruf-Nr. 180414) entschieden hatte, dass der Profi-Liga-Betrieb eines Sportverbands kein Zweckbetrieb ist. Einnahmen aus Wettkampfgenehmigungen, Startgeldern, Ordnungs- und Strafgeldern usw. fallen, soweit sie mit dem bezahlten Sport in Zusammenhang stehen, in den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Die Finanzverwaltung trifft nun erstmals genauere Vorgaben zu dieser neuen Regelung (Nr. 41 zu § 67a Abs. 4 AO).

BMF zieht 50-Prozent-Amateursportler-Grenze ein

§ 67a Abs. 4 AO ist demnach eine spezielle Regelung für Organisationsleistungen von Sportdachverbänden, die die sportlichen Veranstaltungen ihrer Mitgliedsvereine organisatorisch ermöglicht. Darunter fällt in aller Regel die Organisation des Ligaspielbetriebs durch den zuständigen Sportdachverband. Organisatorische Leistungen eines Sportdachverbandes sind ein Zweckbetrieb, wenn an der sportlichen Veranstaltung überwiegend, d. h. zu mehr als 50 Prozent, Amateursportler teilnehmen.

Wichtig | Die steuerliche Behandlung der einzelnen Ligaspiele auf Ebene der beteiligten Sportvereine ist davon nicht betroffen. Sie sind nach den allgemeinen Regelungen des § 67a Abs. 1 oder Abs. 3 AO ein Zweckbetrieb.

Lizenzspieler sind keine Amateursportler

Nicht zu den Amateuren gehören die „Lizenzsportler“ einer Liga. So ist z. B. im Fußballsport Lizenzspieler, wer das Fußballspiel aufgrund eines mit einem Lizenzverein oder einer Kapitalgesellschaft geschlossenen schriftlichen Vertrags betreibt und durch Abschluss eines schriftlichen Lizenzvertrags mit dem Ligaverband zum Spielbetrieb zugelassen ist. Der Begriff des „Lizenzsportlers“ beschreibt also einen Status unabhängig von vereinbarten oder erhaltenen Zahlungen.

Nicht steuerbegünstigt sind organisatorische Leistungen, die überwiegend den Lizenzsportlern zugutekommen. Organisatorische Leistungen für den Verkauf von Speisen und Getränken sowie die Werbung sind ebenfalls nicht steuerbegünstigt.

Bei Sportarten mit Ligabetrieb sind alle sportlichen Veranstaltungen einer Liga, z. B. alle Spiele einer Saison, eine einheitliche sportliche Veranstaltung. Für verschiedene Wettbewerbe innerhalb des Ligabetriebs muss der Anteil der Amateursportler also nicht getrennt ermittelt werden. Organisatorische Leistungen eines Sportdachverbands können somit ligaweise dem Zweckbetrieb oder dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet werden, da die Zusammensetzung der spielberechtigten Sportler nach Amateur- und Lizenzspielern dem Dachverband bekannt ist.

Fünf weitere wichtige Änderungen im AEAO

Daneben sind noch die folgenden fünf AEAO-Änderungen für gemeinnützige Organisationen besonders relevant:

1. Überhöhte Vergütungen

Ebenfalls in den AEAO (Nr. 25 Abs. 3 und 4 zu § 55) übernommen hat das BMF die BFH-Rechtsprechung zu überhöhten Vergütungen (Urteil vom 12.03.2020, Az. V R 5/17, Abruf-Nr. 217488). Danach gelten für Geschäftsführervergütungen die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA).

Ob eine Vergütung angemessen ist, wird durch einen Fremdvergleich ermittelt, entweder in Bezug auf andere Mitarbeiter in der gleichen Organisation oder auf Fremdgeschäftsführer anderer Einrichtungen. Maßstab können dabei auch die für vergleichbare Tätigkeiten von Wirtschaftsunternehmen gewährten Vergütungen sein. Es gibt also keine gemeinnützigkeitsspezifischen Obergrenzen für Vergütungen.

Dabei kann sich der Bereich angemessener Vergütungen über eine gewisse Bandbreite erstrecken. Eine Vergütung ist erst unangemessen hoch, wenn der obere Rand dieser Bandbreite überschritten ist. Regelmäßig ist das der Fall, wenn die branchenübliche Höhe um mehr als 20 Prozent überschritten wird.

2. Erste Überprüfung neu gegründeter Körperschaften

Schon bisher war es Praxis der Finanzämter, dass neu gegründete gemeinnützige Einrichtungen die erste Steuererklärung erst nach einem vollen Kalender- oder Wirtschaftsjahr abgeben müssen. Das regelt das BMF nun allgemein (Nr. 4 S. 4 AEAO zu § 59).

Der erste Prüfungszeitraum bei neu gegründeten Einrichtungen soll danach im Regelfall mindestens sechs Monate, aber maximal 18 Monate betragen. Körperschaften, die im zweiten Halbjahr neu gegründet wurden, müssen die erste Steuererklärung also in der Regel erst nach Ende des zweiten (vollen) Jahres abgeben.

Wichtig | Teilweise verlängern die Finanzämter den ersten Prüfungszeitraum, wenn die Einrichtung ihre Tätigkeit noch nicht aufgenommen hat.

3. Kein Entzug der Gemeinnützigkeit bei Bagatellverstößen

Eine gute Nachricht ist, dass die Finanzverwaltung auch bezüglich kleinerer Verstöße gegen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben der Auffassung des BFH folgt (Urteil vom 12.03.2020, Az. V R 5/17, Abruf-Nr. 217488): Das Finanzamt muss demnach das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten und darf nicht schon bei geringen Verstößen die Gemeinnützigkeit entziehen, weil das für die Einrichtungen meiste einschneidenden Folgen hat. Das betrifft insbesondere geringfügige Verstöße gegen das Mittelverwendungsgebot (AEAO Nr. 4 Abs. 1 zu § 63 Abs. 1).

Beispiel

Ein Verein macht im Einzelfall Geschenke an Mitglieder, die deutlich über die gängige Annehmlichkeitengrenze von 40 bzw. 60 Euro hinausgehen.

4. Lohnspenden im steuerpflichtigen Bereich

Der Verzicht auf Vergütungsansprüche zugunsten einer Spende ist in gemeinnützigen Vereinen eine häufige Praxis. Handelt es sich um Vergütungen, die für Tätigkeiten in steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben bezahlt werden, hat das ertragsteuerliche Folgen für die Einrichtung. Während die Spende dem steuerbegünstigten Bereich zufließt, kann im steuerpflichtigen Bereich ein Betriebsausgabenabzug möglich sein.

Um einen Missbrauch zu verhindern, definiert das BMF die Anforderungen an eine solche Rückspende (AEAO zu § 64, Nr. 4 Abs. 2): Der Verein muss nachweisen, dass die Vergütungen – z. B. vereinbarte Aushilfslöhne für Mitglieder – den Vermögensbereich des Vereins verlassen haben. Kein Betriebsausgabenabzug ist deshalb möglich, wenn schon vorab ein bedingungsloser Verzicht vereinbart war. Der Verzicht auf die Aushilfslöhne muss sich, so das BMF, „seinem wirtschaftlichen Gehalt nach als Verwendung zugeflossenen Einkommens“ darstellen. Das ist z. B. der Fall, wenn die Vereinsmitglieder den Verzicht auf ihre Löhne gegenüber dem Verein mit der Bedingung verbunden haben, diese Geldbeträge an einem Dritten zu spenden.

Praxistipp | Wie auch sonst bei Aufwandsspenden empfiehlt es sich, die Vergütunge erst (tatsächlich) auszuzahlen und dann zurückzuspenden. So wird schon buchhalterisch die Frage nach dem Betriebsausgabenabzug gar nicht aufkommen.

5. Gewinnpauschalierung von Standflächen

Nach § 64 Abs. 6 Nr. 1 AO kann der Gewinn aus Werbemaßnahmen mit 15 Prozent der Einnahmen pauschal ermittelt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der steuerbegünstigten Tätigkeit einschl. Zweckbetrieben stattfinden. Der BFH hatte 2019 klargestellt, dass auch die Vermietung von Flächen für Informationsstände bei Tagungen oder Kongressen begünstigt ist (BFH, Urteil vom 26.06.2019, Az. V R 70/17, Abruf-Nr. 210662).

Es können nicht nur die Gewinne aus aktiven Werbeleistungen pauschaliert werden, sondern auch die aus passiven Duldungsleistungen (z. B. auch Banden in Sportstadien). Diese Rechtsprechung übernimmt die Finanzverwaltung (AEAO zu § 64, Nr. 33 Abs. 1).

AUSGABE: VB 3/2022, S. 3 · ID: 48000706

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2022

Bildrechte