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FamilienverträgeÜbertragung einer Mietimmobilie gegen Versorgungsleistung: Steuertücken kennen und meiden
| Ein häufiges Dilemma im Alter ist die geringe Rente. Ist ein Vermietungsobjekt vorhanden, sorgen Mieterträge zwar für Liquidität. Allerdings macht das Objekt Arbeit, und deshalb soll es oft auf die nächste Generation übertragen werden. Doch wie, ohne dabei die Einnahmen zu verlieren? Eine Möglichkeit ist, die Immobilie gegen eine Versorgungsleistung zu übertragen. Erfahren Sie nachfolgend anhand eines Musterfalls, welche steuerlichen Folgen sich dabei für beide Parteien ergeben. |

Der Musterübertragungsfall aus der Praxis
Der Musterfall | ||||||||||
Mutter übergibt ver-
mietete Immobilie an Tochter gegen ...
Wichtig | In der Praxis wird es öfter vorkommen, dass das zur Übertragung anstehende Objekt der M länger als zehn Jahre gehört. SSP hat dennoch die Variante mit einer Besitzzeit von nur sieben Jahren gewählt, um Sie auf eine brisante Steuerfalle bei der gefühlt privaten Übertragung auf Thea aufmerksam zu machen: § 23 EStG (mehr dazu am Ende des Beitrags). |
Das sagt der BFH zur Übertragung von Mietimmobilien
Vermögensübertragungen gegen Versorgungsleistungen können grundsätzlich unter § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG fallen. In dem Fall könnte Thea (Zahlende) die Versorgungsleistung als Sonderausgaben abziehen. M als Empfängerin müsste die Zahlungen in voller Höhe versteuern (§ 22 Nr. 1a EStG).
Dies gilt jedoch – wie der BFH mit Urteil vom 29.09.2021 (Az. IX R 11/19, Abruf-Nr. 226774) klargestellt hat – seit dem 01.01.2008 nur für die Wirtschaftsgüter, die in § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG benannt sind, z. B. für einen übertragenen Betrieb. Private Vermietungsobjekte fallen nicht unter die Norm, sodass § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG im Musterfall nicht gilt.
Rechtsfolge: (Teil-)entgeltliche Übertragung
Weil keine Versorgungsleistung i. S. v. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG gegeben ist, die Leistung (monatliche Zahlung von 2.500 Euro) jedoch für eine Gegenleistung (Vermietungsobjekt) erbracht wird, handelt es sich um einen (teil-)entgeltlichen Vorgang. Ein rein unentgeltlicher Vorgang ist aufgrund der beidseitigen Verknüpfung nicht gegeben, ebenso keine Unterhaltsleistung.
Die Steuerfolgen bei (teil-)entgeltlichen Übertragungen
Die Folge: Für Erwerberin Thea ergeben sich Werbungskosten, bei ihrer Mutter kann es zu einem Veräußerungsgeschäft kommen. Aber der Reihe nach.
Für die konkreten Rechtsfolgen ist zunächst zu prüfen, ob es sich um einen vollentgeltlichen oder um einen teilentgeltlichen Vorgang handelt. Die Entscheidung darüber hängt davon ab, ob Leistung (monatliche Zahlung von 2.500 Euro) und Gegenleistung (Vermietungsobjekt) einander gleichwertig gegenüberstehen – oder eben nicht. Zunächst ist daher der Wert der Leistung und der Gegenleistung zu ermitteln.
... wann das Geschäft als vollentgeltlich eingestuft wird |
Notwendig: Ermittlung des entgeltlichen Anteils
Der entgeltliche Anteil der Vermögensübertragung ermittelt sich durch Vergleich des Rentenbarwerts mit dem aktuellen Grundstückswert von 600.000 Euro. Da es sich bei der Versorgungsleistung um eine lebenslange Leistung handelt, richtet sich die Ermittlung des Rentenbarwerts (Kapitalanteil) nach § 14 Abs. 1 BewG. Danach ist ein Vielfaches des Jahreswerts der Leistungen anzusetzen. Der Jahreswert umfasst den Jahresbetrag der voraussichtlich erfolgenden Versorgungsleistungen (§§ 15 und 16 BewG).
Der anzusetzende Vervielfältiger ist aus den Sterbetafeln des Statistischen Bundesamts zu ermitteln. Maßgebend ist die zum 01.01. des Übertragungsjahrs veröffentlichte Sterbetafel. Der sich danach ergebende Kapitalwert muss unter Berücksichtigung von Zwischen- und Zinseszinsen mit einem Zinssatz von 5,5 Prozent als Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vor- und nachschüssige Zahlungsweise berechnet werden. Alternativ zu dieser Berechnungsmethode gestattet es R 6.2 EStR, den Barwert nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu ermitteln.
Klingt kompliziert – ist aber einfach. Denn das BMF stellt die für den Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen oder Leistungen im Jahresbetrag von einem Euro nach Lebensalter und Geschlecht der Berechtigten in einer Tabelle zusammen. Die für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2025 maßgebenden Vervielfältiger hat das BMF mit Schreiben vom 09.12.2024 veröffentlicht (Az. IV D 4 - S 3104/19/10001 :010, Abruf-Nr. 246267).
Bezogen auf den Praxisfall | ||||
... und was es damit im konkreten Praxis-
fall auf sich hat
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Wichtig | Hängt die Dauer des Versorgungsbezugs vom Leben mehrerer Personen ab (z. B. Mutter und Ehemann) und erlischt das Recht mit dem Tod des zuletzt Sterbenden, so ist gemäß § 14 Abs. 3 BewG für die Ermittlung des Vervielfältigers das Lebensalter und das Geschlecht derjenigen Person maßgebend, für die sich der höchste Vervielfältiger ergibt. Erlischt das Recht mit dem Tod des zuerst Sterbenden, so ist das Lebensalter und Geschlecht derjenigen Person maßgebend, für die sich der niedrigste Vervielfältiger ergibt.
Der Werbungskostenabzug beim Erwerber
Bei Erwerberin Thea sind gleich drei Werbungskostenabzüge zulässig:
- 1. Abschreibung des entgeltlich erworbenen TeilsErwerber hat drei Werbungskosten- abzugsansätze
- 2. Abschreibung des unentgeltlich erworbenen Teils
- 3. Abzug des in den Versorgungsleistungen enthaltenen Zinsanteils
1. Abschreibung des entgeltlich erworbenen Teils
Nutzt Erwerberin Thea das Objekt zur Erzielung von Einkünften, so führen die von ihr geschuldeten und an ihre Mutter entrichteten wiederkehrenden Leistungen in Höhe ihres („verrenteten“) Barwerts zu Anschaffungskosten. Diese sind – soweit sie auf abnutzbare Wirtschaftsgüter (hier das Gebäude) entfallen – gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b) EStG mit jährlich zwei Prozent abzuschreiben. Die Abschreibung ist gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Werbungskosten abzugsfähig.
Bezogen auf den Praxisfall |
... führen zu ab-
schreibungsfähigen Anschaffungskosten |
So werden von Thea getragene Erhaltungsaufwendungen behandelt |
2. Abschreibung des unentgeltlich erworbenen Teils
Soweit Erwerberin Thea die Immobilie unentgeltlich erworben hat, hat sie keine eigenen Anschaffungskosten geleistet. Deshalb kann sie für den unentgeltlich erworbenen Teil die AfA-Reihe ihrer Mutter fortführen (§ 11d Abs. 1 EStDV). Die AfA bemisst sich insoweit nach den (anteiligen) Anschaffungskosten der Rechtsvorgängerin und dem AfA-Prozentsatz, der für sie maßgebend wäre, wenn sie noch Eigentümerin der Immobilie wäre. Dabei kann Thea die Abschreibung so lange vornehmen, wie das von M noch nicht ausgeschöpften AfA-Volumen reicht.
Bezogen auf den Praxisfall |
Die Anschaffungskosten von M beliefen sich auf 400.000 Euro. Davon entfielen 1/3 (133.333 Euro) auf den Grund und Boden. Hiervon übernimmt Thea 44,75 Prozent, also 59.667 Euro. Auf das Gebäude entfielen 2/3 (266.667 Euro). Davon übernimmt Thea ebenfalls 44,75 Prozent, also 119.334 Euro. M hat das Objekt bereits sieben Jahre lang mit jährlich zwei Prozent abgeschrieben (2018 bis 2024), sodass sich das für Thea maßgebende AfA-Volumen auf 102.632 Euro reduziert (119.334 Euro ./. sieben Jahre à 2.386 Euro). Thea kann folglich im Jahr 2025 und in jedem folgenden Jahr eine zusätzliche Abschreibung in Höhe von 2.386 Euro geltend machen (119.334 Euro x zwei Prozent). Und das so lange, bis dadurch das verbliebene AfA-Volumen von 102.632 Euro vollständig aufgebraucht ist. |
Bei geplantem Verkauf auch an die Spekulationsfrist denken |
3. Abzug des in den Versorgungsleistungen enthaltenen Zinsanteils
In den von Thea aufgewandten monatlichen Versorgungsleistungen sind nicht nur die anhand des Barwerts ermittelten Anschaffungskosten enthalten. Vielmehr setzen sich die monatlichen Versorgungsleistungen auch aus Tilgungs- und Zinsanteilen zusammen. Davon ist der Zinsanteil gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Werbungskosten abziehbar. Maßgebend für den Abzug ist der Betrag, der sich nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. b) EStG ergibt. Entscheidend ist also der Ertragsanteil. Er bestimmt sich nach dem Alter der Versorgungsberechtigten bei Beginn der Versorgungsleistungen. Bei dieser Beurteilung spielt es keine Rolle, ob der Versorgungsberechtigte männlich oder weiblich ist. Der Prozentsatz ist gleich.
Bezogen auf den Praxisfall |
Die versorgungsberechtigte M ist bei Beginn der Leistungen 70 Jahre alt. Der Ertragsanteil beträgt deshalb 15 Prozent. In den monatlichen Zahlungen von 2.500 Euro sind also pauschal 15 Prozent und damit 375 Euro Zinsen enthalten. Die jährlichen Werbungskosten für Thea betragen damit 4.500 Euro (12 x 375 Euro). |
Wichtig | Hängt die Laufzeit der Rente von der Lebenszeit mehrerer Personen ab (z. B. M und Ehegatte), ist zur Ermittlung des Zinsanteils § 55 Abs. 1 Nr. 3 EStDV zu beachten. Es ist das vollendete Lebensjahr der ältesten Person maßgebend, wenn die Leistungen mit dem Tod des zuerst Sterbenden erlöschen. Erlöschen die Leistungen hingegen mit dem Tod des zuletzt Sterbenden, ist das vollendete Lebensjahr der jüngsten Person entscheidend.
Zwischenfazit Werbungskostenabzug Thea | |||||||||
So stellt sich der jährliche Werbungskostenabzug in Summe dar
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Wichtig | Ändert sich in nachfolgenden Jahren die Höhe der zu leistenden Zahlungen (z. B. infolge einer Wertsicherungsklausel), berührt die Änderung nicht die abzuschreibenden Anschaffungskosten. Die erhöhten Beträge sind lediglich in dem Umfang abzugsfähig, in dem sich aufgrund des enthaltenen Ertragsanteils Zinsaufwendungen ergeben (BFH, Urteil vom 10.07.1990 Az. X R 138/86). Gleichermaßen bleiben die Anschaffungskosten unberührt, wenn in nachfolgenden Jahren die Versorgungsberechtigte (frühzeitig) verstirbt und die Zahlungen entfallen sollten.
Die steuerliche Behandlung beim Veräußerer
Bei der veräußernden M ist die steuerliche Behandlung einfacher. Hier muss nur zwischen dem Ertragsanteil der Versorgungsleistung und dem entgeltlich veräußerten Anteil am Vermietungsobjekt unterschieden werden.
1. Ertragsanteil als sonstige Einkünfte
So wie Tochter Thea den in den monatlichen Versorgungsleistungen enthaltenen Ertragsanteil als Werbungskosten geltend machen kann, muss M diesen gemäß § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. b) EStG als sonstige Einkünfte versteuern. Zur Ermittlung des Ertragsanteils gelten die identischen Grundsätze wie für Thea, sodass das Lebensalter von M zu Beginn der Leistungen maßgebend ist.
Bezogen auf den Praxisfall |
... im konkreten Fall ermittelt |
2. Entgeltlicher Teil der Veräußerung
M erzielt für den entgeltlichen Teil der Grundstücksübertragung einen Veräußerungspreis, der sich ebenso wie bei Erwerberin Thea nach dem Barwert bemisst. Sind wie im Musterbeispiel die Spekulationsfristen des § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG noch nicht verstrichen, ergibt sich deshalb im Umfang der entgeltlichen Übertragung ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn. Abzuziehen sind vom Veräußerungspreis (Barwert)
Bezogen auf den Praxisfall |
So berechnet sich der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn |
Praxistipp | Hätte M mit der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung noch drei Jahre gewartet, hätte sie damit die Besteuerung umgangen. Denn dann wäre die Spekulationsfrist von zehn Jahren bereits abgelaufen gewesen. |
- die Veräußerungskosten (z. B. anteilige Kosten für den Notarvertrag) sowie
- die anteilig noch nicht abgeschriebenen Anschaffungskosten (§ 23 Abs. 3 EStG).
Dieser für M ermittelte Veräußerungsgewinn unterliegt allerdings nicht sofort der Besteuerung. Vielmehr ist aufgrund des Zuflussprinzips (§ 11 EStG) der Unterschiedsbetrag der jährlichen Versorgungsleistungen und dem darin enthaltenen Zinsanteil zu ermitteln. Dieser Betrag ist von den bei Ermittlung des Veräußerungsgewinns abgezogenen Anschaffungskosten sowie der übrigen Werbungskosten abzuziehen. Erst wenn die so reduzierten Anschaffungskosten und weiteren Werbungskosten null Euro betragen, erfolgt insoweit die Besteuerung des Veräußerungsgewinns, wie künftig weitere Zahlungen zufließen.
Bezogen auf den Praxisfall |
Komplizierte Berechnungsschritte am konkreten Fall nachvollziehen |
Verluste werden frühzeitiger berücksichtigt |
Ist die Schenkung der Immobilie eine Alternative?
Als Alternative bietet es sich an, dass M die Immobilie an Thea verschenkt. In diesem Fall muss M weder einen späteren Veräußerungsgewinn versteuern noch die in den Versorgungsleistungen enthaltenen Ertragsanteile. Im Gegenzug hat Thea einen Nachteil. Denn sie kann nun nur die Gebäudeabschreibung der M fortführen und das sind jährlich 5.333 Euro. Im Ausgangsfall beträgt die Abschreibung infolge der teilweise gehobenen stillen Reserven jedoch jährlich 6.806 Euro, und hinzu kommen noch die in den Versorgungsleistungen enthaltenen Zinsanteile von jährlich 4.500 Euro. Im Saldo müsste Thea bei einer Schenkung also deutlich höhere Vermietungseinkünfte versteuern.
Allerdings erzielt Thea im Vergleich zum Ausgangsfall einen Vorteil, weil sie infolge der unentgeltlichen Übertragung keine Versorgungsleistungen erbringen muss. Aber ist der Vorteil real? Wenn die finanzielle Ausstattung von M. wie im Musterfall nicht zum Bestreiten des eigenen Lebensstandards genügt, wird Thea früher oder später Unterstützungsleistungen erbringen (müssen). Das Problem dabei ist aber, dass diese nicht mehr in Bezug zur Immobilienübertragung stehen und damit die Vermietungseinkünfte nicht mindern. Damit verbleibt als Abzugsmöglichkeit lediglich § 33a EStG. Das Problem: Hier werden die eigenen Einkünfte und Bezüge der M gegengerechnet (z. B. Rente), sodass meistens kein Abzugsvolumen verbleibt. Ergo: Die späteren Unterstützungsleistungen fallen unter den Tisch.
AUSGABE: SSP 5/2025, S. 9 · ID: 50307760