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EinkommensteuerSteuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern: BVerfG macht Bahn auch für Schwester-PersG frei

Abo-Inhalt28.02.20246 Min. LesedauerVon Dipl.-Fw. und Dipl.-Kfm. André Reineke, Bielefeld

| Gesamthandsvermögen, Betriebsvermögen oder doch Sonderbetriebsvermögen? § 6 Abs. 5 EStG bietet Personengesellschaften eine ganze Reihe an Möglichkeiten, um Wirtschaftsgüter zwischen den einzelnen Vermögenssphären zu Buchwerten zu übertragen. Was nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG bislang nicht möglich war: Die steuerneutrale Übertragung zwischen Schwester-Personengesellschaften. Das wird sich künftig ändern. Denn das BVerfG hat entschieden, dass die Vorschrift nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wie es zu der Entscheidung kam und was es mit ihr auf sich hat, zeigt SSP. |

Darüber musste das BVerfG entscheiden

Eine gewerblich tätige GmbH & Co. KG veräußerte zwei bebaute Grundstücke aus ihrem Gesamthandsvermögen an eine beteiligungsidentische Schwester-Personengesellschaft. Der Veräußerungspreis entsprach der Summe der bilanziellen Buchwerte. Die Verkäufe behandelte die GmbH & Co. KG steuerlich erfolgsneutral. Das wollte das Finanzamt nicht akzeptieren. Es war der Meinung, dass der Verkauf zu Buchwerten zur vollständigen Aufdeckung der stillen Reserven führte. Nach Einspruch, Klage und Revisionseinlegung hat der BFH das Verfahren letztlich ausgesetzt und dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Das musste nun die Frage klären, ob § 6 Abs. 5 S. 3 EStG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstößt, weil die Vorschrift die Übertragung von Wirtschaftsgütern zum Buchwert zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften verbietet.

Wie Finanzverwaltung und BFH die Sache sehen

Geht es nach der Finanzverwaltung, ist die Übertragung zu Buchwerten zwischen Schwester-Personengesellschaften nach dem Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG nicht möglich. Das hat das BMF in seinem Schreiben vom 08.12.2011 (Az. IV C 6 – S 2241/10/10002, Abruf-Nr. 114264; Rz. 18) nochmals bekräftigt. Es begründet seine Auffassung damit, dass es bei der Übertragung zwischen Schwester-Personengesellschaften – im Gegensatz zu Übertragungen zwischen verschiedenen Betriebsvermögen bei Einzelunternehmern – zu einem Rechtsträgerwechsel kommt.

Uneins in der Frage war sich hingegen der BFH: Der IV. Senat sagte „Ja, Übertragung zu Buchwerten zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften ist möglich“. (BFH, Beschluss vom 15.04.2010, Az. IV B 105/09, Abruf-Nr. 101702); der I. Senat wiederum sah keine Möglichkeit einer Buchwertübertragung (BFH, Urteil vom 25.11.2009, Az. I R 72/08, Abruf-Nr. 100504 und Beschluss vom 10.04.2013, Az. I R 80/12, Abruf-Nr. 133169).

Weil es um die Verfassungswidrigkeit einer Norm geht und die nur das BVerfG feststellen kann, hat der BFH dieses angerufen.

Das BVerfG sagt: § 6 Abs. 5 S. 3 EStG ist verfassungswidrig

Das BVerfG hat die Frage, ob § 6 Abs. 5 S. 3 EStG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, weil die Vorschrift die Übertragung von Wirtschaftsgütern zum Buchwert zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften verbietet, bejaht (BVerfG, Beschluss vom 28.11.2023, Az. 2 BvL 8/13, Abruf-Nr. 239894). Ergo: Die Vorschrift ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Art. 3 Abs. 1 GG lege nämlich fest, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werden müsse. Deshalb liege eine Verletzung dieses Grundsatzes vor, wenn sich kein sachlich einleuchtender Grund für eine Ungleichbehandlung finden ließe. Für die „Regelungslücke“ in § 6 Abs. 5 S. 3 EStG gebe es aber keine Rechtfertigungsgründe. Vielmehr sei der Ausschluss der Buchwertübertragung bei personenidentischen Personengesellschaften willkürlich und ohne Begründung vom Gesetzgeber erfolgt.

Um die Willkür und Diskrepanz zu verdeutlichen, die in § 6 Abs. 5 S. 3 EStG steckt, führt das BVerfG zwei Beispiele an:

  • Auf der einen Seite ermögliche die Vorschrift sowohl die steuerneutrale Buchwertübertragung zwischen verschiedenen Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers als auch trotz Verlagerung der stillen Reserven auf andere Steuerzahler. Auf der anderen Seite führe der Transfer eines Wirtschaftsguts zwischen beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften zur Aufdeckung stiller Reserven, obwohl diese weiterhin steuerverstrickt und denselben Steuerzahlern zugeordnet bleiben.
  • Zum anderen könne eine Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut steuerneutral aus dem Gesamthandsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen eines Beteiligten überführen (§ 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG). Der Beteiligte könne das Wirtschaftsgut dann zu Buchwerten in sein Sonderbetriebsvermögen bei einer anderen (!) Personengesellschaft übertragen (§ 6 Abs. 5 S. 2 EStG) und dann abschließend steuerneutral aus dem Sonderbetriebsvermögen der anderen Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen selbiger übertragen (§ 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG). Die Direktübertragung des Wirtschaftsguts sei aber – obwohl sie risikofrei sei (keine Transferkosten, kein potenzieller Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO) und zum selben Ergebnis führe – nicht möglich.

Die Folgen des Urteils und was jetzt zu tun ist

Mit dem Urteil des BVerfG steht eine jahrelange Unsicherheit – allein das Verfahren dauerte fast zehn Jahre – vor einer endgültigen Lösung. Das BVerfG hat den Gesetzgeber nämlich verpflichtet, den Verfassungsverstoß zu beseitigen – und zwar rückwirkend für alle Übertragungen nach dem 31.12.2000. Das gilt für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle.

Bis zur Neuregelung per Gesetz ist § 6 Abs. 5 EStG weiterhin anwendbar, allerdings mit der – steuerzahlerfreundlichen – Maßgabe, dass Wirtschaftsgüter unentgeltlich aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft zu Buchwerten in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaft übertragen werden können.

Praxistipp | Bei Bescheiden, die noch nicht bestandskräftig sind, sollten Sie eine Änderung unter Bezugnahme auf das BVerfG-Urteil erwirken, auch wenn derzeit noch unklar ist, wie schnell der Gesetzgeber auf die Aufforderung des BVerfG reagieren wird und wie die gesetzliche Neuregelung dann ausgestaltet sein wird.

Weil bei beteiligungsidentischen Personengesellschaften keine Verlagerung von stillen Reserven erfolgt, kommt aus Sicht von SSP auch die Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG nicht zur Anwendung. Sie besagt, dass rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung des Wirtschaftsguts der Teilwert anzusetzen ist, wenn das Wirtschaftsgut innerhalb von drei Jahren nach Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden für den Veranlagungszeitraum, in dem die Übertragung erfolgt ist, veräußert oder entnommen wird, es sei denn, die bis zur Übertragung entstandenen stillen Reserven sind durch Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet worden. Bis das absehbar ist, sollten Sie eine zu offensive Gestaltung jedoch vermeiden, da im BVerfG-Urteil nur von einer unentgeltlichen Übertragung, nicht jedoch von einer Übertragung gegen Gesellschaftsrechte die Rede ist.

Wichtig | Ob der Gesetzgeber eine darüber hinausgehende Erweiterung der steuerneutralen Übertragungsmöglichkeiten zulassen wird, bleibt abzuwarten. Da § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 - 3 EStG die Übertragung auf einen anderen Rechtsträger aber bereits heute ermöglicht, wäre die entsprechende gesetzgeberische Ausgestaltung nur konsequent. Ebenfalls wäre eine Erweiterung auf Übertragungsfälle zwischen nicht beteiligungsidentischen Personengesellschaften denkbar, solange eine Person an beiden Personengesellschaften beteiligt ist, da die Übertragung über den „Umweg“ des Sonderbetriebsvermögens längst möglich ist.

Fakt ist: Die Entscheidung des BVerfG wird die Umstrukturierung von Personengesellschaften deutlich erleichtern – und auch Auswirkungen auf die Realteilung haben. Auch bei der Realteilung versagt die Finanzverwaltung nämlich aktuell den Buchwerttransfer zwischen personenidentischen Personengesellschaften.

Fazit | Das BVerfG hat den Gesetzgeber verpflichtet, rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften eine Neuregelung zu schaffen. Bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung ist § 6 Abs. 5 S. 3 EStG auch auf den Transfer von Wirtschaftsgütern zwischen personenidentischen Personengesellschaften anwendbar. Bei anstehenden Gestaltungen ist nun zu entscheiden, ob man die gesetzliche Neuregelung für zusätzliche Rechtssicherheit abwarten kann. Offen ist derzeit noch, ob der Gesetzgeber „nur“ den Transfer von Einzelwirtschaftsgütern zwischen absolut personenidentischen Personengesellschaften (wie z. B. Schwester-Personengesellschaften) gesetzlich regeln wird oder ob z. B. auch die Buchwertübertragung bei lediglich teilweiser Personenidentität zulässig sein wird.

AUSGABE: SSP 5/2024, S. 16 · ID: 49923547

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