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VermietungPraxisfall: Liegen Erhaltungsaufwendungen oder anschaffungsnahe Herstellungskosten vor?

Abo-Inhalt06.09.20236174 Min. Lesedauer

| Renovieren, modernisieren oder sanieren Sie ein Vermietungsobjekt innerhalb von drei Jahren nach Kauf, stellt sich stets die Frage: Sind die Ausgaben Erhaltungsaufwand oder anschaffungsnahe Herstellungskosten? Die einen sind sofort als Werbungskosten abziehbar, die anderen können nur im Rahmen der Gebäude-AfA geltend gemacht werden. Aber wie war das gleich nochmal mit der 15-Prozent-Grenze? Fragen, die gerade auch einen Leser umtreiben. SSP klärt anhand des Beispielfalls aus der Praxis auf. |

FRAGE: Wir sind ein unverheiratetes Paar und haben im Jahr 2021 eine Immobilie für 590.00 Euro (inkl. Nebenkosten, brutto) erworben. Von den 590.000 Euro entfallen 401.000 Euro auf das 320 m² große Gebäude. Darin befinden sich zwei Wohnungen: Die eine Wohnung (210 m²) bewohnen wir selbst; die andere Wohnung (110 m²) vermieten wir an einen Angehörigen. In der vermieteten Wohnung wurden im Jahr 2022 Sanierungsmaßnahmen für 22.500 Euro (brutto) durchgeführt. Sind das Erhaltungsaufwendungen oder anschaffungsnahe Herstellungskosten? Wie erfolgt die Berechnung der 15-Prozent-Grenze?

ANTWORT: Bei den getätigten Sanierungsaufwendungen in Höhe von 22.500 Euro handelt sich um sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen, weil die Grenze von 15 Prozent nicht überschritten wird. Zumindest unter einer Bedingung: Sie tätigen bis 2024 keine weiteren Erhaltungsaufwendungen mehr. Aber im Detail:

Gesonderte und einheitliche Feststellung erforderlich

Mit der Vermietung an den Angehörigen erzielen Sie einkommensteuerpflichtige Einkünfte i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 21 EStG. Die sind in der privaten Einkommensteuererklärung zu deklarieren.

Da Sie beide nicht miteinander verheiratet sind, werden Sie auch nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Deswegen muss für Ihre Vermietungseinkünfte nach § 179 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO eine gesonderte und einheitliche Feststellung erfolgen. Dazu müssen Sie eine gesonderte und einheitliche Feststellungserklärung beim örtlich zuständigen Finanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AO – das Finanzamt, in dessen Bezirk die Verwaltung des Vermietungsobjekts ausgeübt wird) abgeben. Dieses Finanzamt wird sodann die gemeinsam erzielten Einkünfte aus der Vermietung gesondert und einheitlich für jeden Beteiligten feststellen und einen Feststellungsbescheid erlassen. Dieser Feststellungsbescheid ist nach § 182 Abs. 1 AO für die Einkommensteuerbescheide der Beteiligten bindend.

Wurden bereits Einkommensteuerbescheide erteilt, sind diese nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Die Festsetzungsverjährung ist insoweit gehemmt (§ 171 Abs. 10 AO).

Wichtig | Ein Fall von geringer Bedeutung i. S. v. § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO, bei welchem eine gesonderte und einheitliche Feststellung unterbleiben könnte, liegt in Ihrem Fall nicht vor. Dafür wäre erforderlich, dass Sie zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden würden (AEAO zu § 180, Tz. 4).

Sofortabzug vs. Geltendmachung über die AfA

Ihre Sanierungsaufwendungen in Höhe von 22.500 Euro entfallen vollständig auf die vermietete Wohnung. Deshalb können Sie sie grundsätzlich in voller Höhe und sofort im Zahlungsjahr als Werbungskosten geltend machen (§ 11 Abs. 2 S. 1 EStG). Aber Vorsicht: Führen Sie innerhalb von drei Jahren nach Erwerb des Objekts derart umfangreiche Sanierungen durch, dass die Nettoaufwendungen 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen, handelt es sich um anschaffungsnahe Herstellungskosten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Dann gewährt Ihnen das Finanzamt lediglich die Geltendmachung der Aufwendungen über die Gebäude-AfA , also linear über 50 Jahre.

So ermitteln Sie die 15-Prozent-Grenze

Bleibt die Frage: Wie berechnet sich die 15-Prozent-Grenze? Da Sie das Gebäude sowohl zu eigenen als auch zu fremden Wohnzwecken nutzen, ist für die Ermittlung der 15-Prozent-Grenze auf jeden einzelnen Gebäudeteil abzustellen (BMF, Schreiben vom 20.10.2017, Az. IV C 1 – S 2171-c/09/10004 :006, Abruf-Nr. 197806):

Anschaffungskosten des gesamten Gebäudes

401.000 Euro

Davon entfallen auf den vermieteten Gebäudeteil

137.844 Euro (401.00 Euro / 320 m² x 110 m²)

Davon 15 Prozent

20.676 Euro

Da Ihre getätigten Aufwendungen 22.500 Euro brutto betragen, in die 15-Prozent-Grenze jedoch nur die Netto-Sanierungsaufwendungen von 18.907 Euro (22.500 Euro / 119 x 100) einbezogen werden, überschreiten Sie die 15-Prozent-Grenze nicht. Somit liegen (bisher) keine anschaffungsnahen Herstellungskosten vor. Die Folge: Sie können die Sanierungsaufwendungen in Höhe von 22.500 Euro (brutto) sofort im Zahlungsjahr als Werbungskosten abziehen.

Praxistipp | § 82 b EStDV ermöglicht es, die Erhaltungsaufwendungen auf einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren gleichmäßig zu verteilen. Das kann sinnvoll sein, um z. B. die Progression steuermindernd zu nutzen.

Die Krux mit dem Drei-Jahres-Zeitraum

Der Drei-Jahres-Zeitraum beginnt ab Übergang von Nutzen und Lasten zu laufen. Er endet in Ihrem Fall also erst im Jahr 2024. Tätigen Sie bis zum Ende dieses Zeitraums noch weitere Sanierungsaufwendungen, und überschreiten dann die Grenze von netto 20.676 Euro, werden auch die im Jahr 2022 getätigten Aufwendungen von 22.500 Euro rückwirkend in anschaffungsnahe Herstellungskosten umqualifiziert. Bisher erteilte Steuerbescheide wären dann nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern.

AUSGABE: SSP 12/2023, S. 21 · ID: 49511335

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