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GemeinnützigkeitBFH präzisiert: Das fällt unter die „Förderung des demokratischen Staatswesens“ in § 52 AO

Top-BeitragAbo-Inhalt11.06.20256593 Min. LesedauerVon Wolfgang Pfeffer, Drefahl

| Der BFH hat sich im Fall einer Petitionsplattform näher mit dem gemeinnützigen Zweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ in § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO befasst. Dabei hat er diese Gelegenheit insbesondere genutzt, um diesen begünstigten Zweck grundsätzlich herzuleiten. |

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Der Inhalt von § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO

Nach § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO ist die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich der Abgabenordnung ein gemeinnütziger Zweck. Ausgeschlossen davon sind Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind.

Wie bei der politischen Bildung, die als Förderung der Volksbildung gemeinnützig sein kann, hat hier im Einzelfall die Abgrenzung zur politischen Betätigung eine wichtige Bedeutung bei der Gewährung der Gemeinnützigkeit.

Um diesen Fall ging es beim BFH

Im konkreten Fall vor dem BFH betrieb ein Verein mit dem Satzungsweck der Förderung des demokratischen Staatswesens eine Petitionsplattform.

So sah der konkrete Satzungszweck aus

Der Satzungszweck sollte vor allem verwirklicht werden durch

  • die Nutzung und Entwicklung der Möglichkeiten des Internets als Medium,
  • die Organisation und Durchführung von politischen Diskussionen, Veranstaltungen und Online-Petitionen, von Kampagnen und als Instrument zur politischen Beteiligung von Bürgern sowie
  • die Mitwirkung an der Entwicklung politisch gewollter Vorschläge und Gesetzentwürfe.

Diese Leistungen erbrachte der Verein

Der Verein stellte nicht nur die Plattform bereit, sondern unterstützte die Petenten, wenn er Kampagnen für erfolgversprechend oder relevant hielt. Dabei bot er Hilfe bei der der inhaltlichen Ausgestaltung an und gab Hinweise zur Verwaltung der „Kampagne“. Außerdem unterstützte er auch die Kontaktaufnahme des „Petenten“ zum relevanten Entscheidungsträger.

Darum entzog das Finanzamt die Gemeinnützigkeit

Nachdem das Finanzamt die Gemeinnützigkeit zunächst auf Basis der Satzungsprüfung gewährt hatte, entzog es sie aufgrund der ersten Steuererklärung wieder. Die Begründung: Mit der Petitionsplattform verfolge der Verein nicht seinen steuerbegünstigten Zweck. Eine Petitionsplattform diene nur dann der Förderung des demokratischen Staatswesens, wenn es sich um Petitionen im Sinne von Art. 17 GG handele.

Soweit der Verein Wissen zur Durchführung von Petitionen und Kampagnen vermittle, handle es sich aber um Volks- und Berufsbildung; dies sei aber nicht Satzungszweck. Mit der bloßen Zurverfügungstellung der Online-Petitionsplattform erfülle der Verein nicht unmittelbar seinen steuerbegünstigten Zweck. Die Ermöglichung und Unterstützung von Bitten, Verlangen und Ansuchen an andere als staatliche Stellen unterfallen nicht dem allgemeinen Petitionsrecht und diene nicht der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens. Der Fall landete letztlich beim BFH.

BFH präzisiert Staatswesen nach § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO

Der BFH entschied in der Sache nicht. Er hob aber das – für den Verein positiv ausgefallene – Urteil des FG Berlin-Brandenburg auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das tat er mit folgenden Maßgaben (BFH, Urteil vom 12.12.2024, Az. V R 28/23, Abruf-Nr. 248004):

Das bedeutet demokratisches Staatswesen

§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO definiert den Begriff des demokratischen Staatswesens nicht. Sein Bedeutungsgehalt – so der BFH – ist daher unter Berücksichtigung der Strukturprinzipien der bundesstaatlichen Verfassung in Art. 20 GG zu ermitteln. Das schließt vor allem die gleichberechtigte Teilnahme aller Bürger am Prozess der politischen Willensbildung ein. In einem demokratischen Staatswesen muss sich dabei die Willensbildung des Volkes frei, offen und unreglementiert („staatsfrei“) vollziehen.

Dem Wortlaut nach beschränkt § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO die Gemeinnützigkeit auf die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens und damit auf Betätigungen, die sich nur in allgemeiner Form für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzen, wie etwa das Eintreten für demokratische Grundwerte. Es ist deswegen mit der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens nicht vereinbar, die Verbreitung bestimmter Auffassungen im Rahmen dieser Meinungs- und Willensbildung zu fördern.

Die staatliche Förderung von Körperschaften durch das Gemeinnützigkeitsrecht erfolgt nur für die in § 52 Abs. 2 AO genannten gemeinnützigen Zwecke, die vom Gesetzgeber als förderungswürdig anerkannt worden sind. Die Förderung der Ausübung von Grundrechten als eigenständiger Tatbestand gehört nicht dazu. Außerdem muss sich die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens in geistiger Offenheit vollziehen.

Keine Mitwirkung an der politischen Willensbildung

Körperschaften, die den Zweck des § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO verfolgen, müssen also den Prozess der Meinungs- und Willensbildung als solchen fördern. Das meint einen offenen Prozess der politischen Willensbildung. Davon abzugrenzen sind Tätigkeiten, die – wie bei Parteien – auf die Mitwirkung bei der politischen Willensbildung gerichtet sind. Eine solche Einflussnahme auf die „politische Willensbildung“ und die Einflussnahme auf die „Gestaltung der öffentlichen Meinung“ ist von § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO nicht gedeckt. Das ergibt sich auch aus der allgemeinen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgabe, „die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“ (§ 52 Abs. S. 1 AO).

Deswegen darf weder ein politischer Zweck als alleiniger und ausschließlicher oder als überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt sein, noch darf die Vereinigung mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgen.

Politische Willensbildung im Rahmen der gemeinnützigen Zwecke

Etwas anderes gilt für die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die „öffentliche Meinung“ zur Verfolgung der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke. Es ist unschädlich für die Steuervergünstigung, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist.

Beispiel

Bei Umweltschutzorganisationen ist der Versuch der Einflussnahme auf die Willensbildung staatlicher Stellen noch als Förderung der Allgemeinheit anzusehen. Es stellt keine unzulässige politische Betätigung dar, solange der Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung nicht verlassen wird (BFH, Urteil vom 13.12.1978, Az. I R 39/78). Der Schutz der Umwelt ist nämlich – so der BFH – zu einem besonders wichtigen Gegenstand der allgemeinen Politik geworden. Die unmittelbare Einwirkung auf politische Parteien und die staatliche Willensbildung darf nur gegenüber der Förderung des Umweltschutzes nicht weit in den Hintergrund treten.

Ist es einer Körperschaft möglich, im Rahmen ihres gemeinnützigen Zwecks auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen, gilt für den BFH immer, dass eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens ausgeschlossen ist, wenn die Tätigkeit auf die Verbreitung bestimmter politischer Meinungen oder einer eigenen Meinung gerichtet ist oder ihr die parteipolitische Neutralität fehlt. Das gilt auch dann, wenn andere Meinungen als eigene übernommen werden oder Kriterien, die zur Förderung bestimmter Anliegen führen, die notwendige Offenheit fehlt.

Urteil deckt sich mit Auffassung der Finanzverwaltung

Das deckt sich weitgehend mit der Auffassung der Finanzverwaltung. Deren Vorgaben zielen dabei eher auf den Zweck der politischen Bildung als auf die Förderung des demokratischen Staatswesen. Wie auch der BFH stellt sie klar, dass sich aus diesen Zwecken kein eigenständiger steuerbegünstigter Zweck der Einflussnahme auf die politische Willensbildung und auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung in beliebigen Politikbereichen im Sinne eines „allgemeinpolitischen Mandats“ ergibt (AEAO zu § 52 Ziff. 9).

Dabei sind auch Aufrufe zu konkreter Handlung unschädlich. Es darf aber nicht die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen beeinflusst werden.

Betreiben einer Petitionsplattform kann gemeinnützig sein

Vor diesem Hintergrund hat der BFH keine grundsätzlichen Bedenken, eine Organisation als gemeinnützig anzuerkennen, die eine Online-Petitionsplattform zur Verfügung stellt. Voraussetzung ist aber, dass der Betreiber die dort zur Abstimmung gestellten Anliegen – auch parteipolitisch – neutral und ohne inhaltliche Wertung fördert und sich dabei innerhalb des allgemeinen Rahmens des Gemeinnützigkeitsrechts bewegt.

Wichtig | Die Plattform darf sich aber nicht auf Petitionen i. S. v. § 17 GG beschränken, d. h. auf Bitten oder Beschwerden an die Behörden oder Volksvertretungen. Vielmehr müssen die zur Abstimmung gestellten Anliegen auf eine öffentliche Meinungsbildung mit Bezug zur Ausübung von Staatsgewalt Einfluss nehmen sollen. Dabei kann es sich um beliebige Themen handeln, die aber geeignet sein müssen, Gegenstand einer parlamentarischen Befassung zu sein. Andernfalls verlässt der Betreiber einer Online-Plattform den Bereich der Förderung des demokratischen Staatswesens. In solchen Fällen geht es zwar um die freie Meinungsäußerung, es fehlt aber die Förderung der der Allgemeinheit.

Beispiel

Im behandelten Fall war u. a. die Kündigung eines Mietvertrags über einen bestimmten Kiosk Gegenstand einer Petition. Das ist kein Gegenstand der öffentliche Meinungsbildung im oben genannten Sinne. Das Gleiche gilt z. B. für einen Boykottaufruf gegen ein Unternehmen.

Die BFH-Kriterien für die Einzelfallprüfung

Die Vorinstanz muss jetzt prüfen, ob sich der Verein durch die aktive Förderung bestimmter Anliegen nicht bestimmte Meinungen zu eigen gemacht hat oder ob die von ihm angewendeten Kriterien die notwendige geistige Offenheit gewährleisteten, damit nicht ausschließlich oder überwiegend bestimmte politische Zwecke verfolgt wurden.

Dazu muss die Vorinstanz klären, nach welchen Kriterien der Verein die Petitionen auswählte, die er besonders unterstützte. Dabei kann die Auswahl von Petitionen, von denen eine besondere Reichweite zu erwarten war, eine unzulässige Parteinahme darstellen. Eine Auswahl, die dazu führt, dass im Prozess der politischen Willensbildung jeweils die „lautstärkste“ Meinung gefördert würde, könnte – so der BFH – schädlich für die Gemeinnützigkeit sein. Ebenfalls relevant ist, nach welchen Kriterien der Verein entschied, dass „Petitionen“ einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt hatten und deshalb nicht auf die Plattform zur elektronischen Abstimmung gestellt wurden.

Fazit | Der BFH hat die gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen an Organisationen präzisiert, die sich in den Prozess der demokratischen Willensbildung einbringen. Er grenzt klar eine § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24 AO entsprechende Förderung des offenen Prozesses der politischen Willensbildung von der nicht begünstigten Einflussnahme auf die „politische Willensbildung“ (§ 2 Abs. 1 PartG) und der Einflussnahme auf die „Gestaltung der öffentlichen Meinung“ (§ 1 Abs. 2 PartG) ab.

AUSGABE: SB 7/2025, S. 137 · ID: 50439979

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