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Umsatzsteuer Leistungen im Bereich des betreuten Wohnens – in diesen Fällen sind sie umsatzsteuerfrei
| Viele Stiftungen betreiben ein Altersheim und erbringen zugleich Leistungen im Bereich des betreuten Wohnens. Bei diesem Leistungsbündel stellt sich die Frage, ob und – falls ja – wann die dem betreuten Wohnen zuzurechnenden Umsätze gemäß § 4 Nr. 16 UStG umsatzsteuerfrei sind. Hierzu hat jüngst das FG Münster entschieden. SB stellt Ihnen das Urteil vor und zeigt, welche Lehren man hieraus für die Stiftungspraxis ziehen kann. |
Inhaltsverzeichnis
Darum geht es bei § 4 Nr. 16 UStG
Über § 4 Nr. 16 UStG werden die eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, kognitiv oder psychisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen von der Umsatzsteuer befreit. Die in der Norm aufgezählten begünstigten Einrichtungen fallen unter den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. a) bis m) UStG. Das sind z. B. gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. k) UStG – in der bis zum 30.06.2013 geltenden Fassung – Einrichtungen, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind.
FG Münster versagt Steuerbefreiung
Im Fall vor dem FG Münster ging es um eine Stiftung, die ein Altersheim betreibt und zugleich Leistungen im Bereich des betreuten Wohnens erbringt. Für die Umsätze, die den Bereich des betreuten Wohnens betreffen, wollte die Stiftung die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. k) UStG in Anspruch nehmen. Hierfür war zu prüfen, ob die Sozialgrenze von 40 Prozent der durch die Sozialversicherungsträger vergüteten Fälle überschritten wurde.
- Wird die Grenze von 40 Prozent überschritten, sind die Umsätze des Bereichs betreutes Wohnen umsatzsteuerfrei.
- Wird die Grenze nicht überschritten, unterliegen die Umsätze der Umsatzsteuer.
Das FG Münster hat die Steuerbefreiung für die von der Stiftung erbrachten Leistungen im Bereich des betreuten Wohnens versagt. Grund für die Entscheidung war, dass die Stiftung nicht nachweisen konnte, dass mindestens 40 Prozent der Betreuungs- oder Pflegekosten von Sozialversicherungsträgern übernommen wurden. Von besonderer Brisanz: Wären die Umsätze der Stiftung aus dem Betrieb des Altenheims und dem Bereich des betreuten Wohnens zusammengerechnet worden, wäre von einem Überschreiten der Sozialgrenze auszugehen gewesen. Diese von der Stiftung angestrebte Zusammenrechnung hat das FG jedoch auf Grundlage des § 4 Nr. 16 S. 2 UStG abgelehnt. Denn die Umsätze verschiedenartiger Einrichtungen eines Unternehmers – wie der Betrieb eines Altenheims und Leistungen im Bereich des betreuten Wohnens – können für die Prüfung der Sozialgrenze nicht zusammengerechnet werden, so das FG. Es komme genau auf den Bereich an, welcher – potenziell – unter § 4 Nr. 16 UStG falle (FG Münster, Urteil vom 11.12.2023, Az. 15 K 448/20 U, Abruf-Nr. 239175, rechtskräftig).
Spezieller § 4 Nr. 16 UStG verhindert Anwendbarkeit von § 4 Nr. 18 UStG
Nach Ansicht des FG sind die dem Bereich des betreuten Wohnens zuzurechnenden Umsätze auch nicht nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei. Nach dieser Norm sind eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen von Einrichtungen ohne systematische Gewinnerzielungsabsicht ebenfalls umsatzsteuerbefreit. Da aber § 4 Nr. 16 UStG als lex specialis der Regelung des § 4 Nr. 18 UStG vorgehe, können Leistungen des betreuten Wohnens nur nach § 4 Nr. 16 und nicht nach Nr. 18 UStG beurteilt werden.
Leistungselemente sind nicht Nebenleistung zur Wohnraumvermietung
Letztlich stellte das FG auch klar, dass einzelne Leistungselemente im Rahmen des betreuten Wohnens wie der Hausnotruf und die Pflegeleistungen nicht nach § 4 Nr. 12 UStG als steuerfreie Nebenleistung zur Wohnraumvermietung angesehen werden können. Diese einzelnen Elemente teilen daher auch nicht die für die Wohnraumvermietung geltende Steuerbefreiung als Nebenleistung (so bereits FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.06.2016, Az. 7 K 7107/13, Abruf-Nr. 246047).
Wichtig | Das Urteil (FG Münster, Urteil vom 11.12.2023, Az. 15 K 448/20 U, Abruf-Nr. 239175, rechtskräftig) betraf die Jahre 2009 bis 2013. Zwischenzeitlich wurde § 4 Nr. 16 UStG jedoch mehrfach geändert. So wurde die Grenze von 40 Prozent ab dem 01.07.2013 in § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG überführt und zugleich auf 25 Prozent reduziert. Mit Wirkung ab dem 01.01.2021 wurde § 4 Nr. 16 Buchst. l) UStG in den auch jetzt noch geltenden § 4 Nr. 16 Buchst. n) UStG überführt. Seitdem kommt es für die Steuerbefreiung nicht mehr auf die Umsätze des vorangegangenen Kalenderjahres an. Das Urteil des FG Münster hat auch für die aktuelle Besteuerung Bedeutung, allerdings bezieht sich die Relevanz auf die nun in § 4 Nr. 16 Buchst. n) UStG enthaltene Steuerbefreiung und die Grenze von 25 Prozent.
Eine gute Dokumentation ist das A und O |
- Beitrag „Betreutes Wohnen: ein einheitliches umsatzsteuerfreies Entgelt – ist das möglich?“, SB 10/2024, Seite 188 → Abruf-Nr. 50175300
AUSGABE: SB 4/2025, S. 79 · ID: 50274060