UmsatzsteuerVorsteuerabzug für Renaturierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Verkauf von Ökopunkten
| Eine gemeinnützige Stiftung kann Vorsteuern aus Maßnahmen zur Renaturierung geltend machen, sofern diese Maßnahmen im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dem steuerpflichtigen Verkauf von Ökopunkten stehen. Dies hat das FG Berlin-Brandenburg entschieden. SB stellt Ihnen das Urteil und die Bedeutung für die Praxis vor. |
Ökopunkte und der umsatzsteuerliche Hintergrund
Das deutsche Umsatzsteuerrecht ermöglicht nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem Unternehmer für sein Unternehmen bezogen werden. Unionsrechtlich basiert diese Regelung auf Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), wonach Vorsteuern nur dann abgezogen werden können, wenn die bezogenen Eingangsleistungen für Zwecke steuerpflichtiger Umsätze des Unternehmens verwendet werden.
Ökopunkte sind ein Instrument des Naturschutzrechts, das es Unternehmen ermöglicht, Eingriffe in Natur und Landschaft durch Kompensationsmaßnahmen auszugleichen. Durch naturschutzfachliche Aufwertungen generierte Ökopunkte können von ausgleichspflichtigen Dritten erworben werden, um ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Der BFH entschied, dass der Verkauf von Ökopunkten im Hinblick auf die Ertragsteuer dem ideellen Bereich zuzuordnen ist, da er unmittelbar durch die steuerbegünstigte Tätigkeit veranlasst wird (BFH, Urteil vom 24.01.2019, Az. V R 63/16, Abruf-Nr. 208751). In Bezug auf die Umsatzsteuer unterliegt die Veräußerung solcher Ökopunkte durch gemeinnützige Einrichtungen der Steuerpflicht, wobei nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG in der Regel der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung kommt.
Das strittige Problem im Urteilsfall war,
- ob die durchgeführten Renaturierungsmaßnahmen als nichtwirtschaftliche Tätigkeiten der gemeinnützigen Stiftung einzustufen sind – was den Vorsteuerabzug ausschließen würde – oder
- ob diese Maßnahmen im direkten wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Umsätzen aus dem Verkauf der Ökopunkte stehen, sodass ein Vorsteuerabzug gewährt werden muss.
Streit um Renaturierungsmaßnahmen und Vorsteuerabzug
Eine gemeinnützige Stiftung verfolgt nach ihrer Satzung u. a. die Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Im Rahmen dieser Tätigkeit führte sie Renaturierungsmaßnahmen auf zwei Liegenschaften durch. Diese Flächen wurden ihr teilweise unentgeltlich von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) übertragen, wobei sich die Stiftung verpflichtete, die naturschutzfachliche Qualität dauerhaft zu erhalten.
Die Maßnahmen umfassten unter anderem den Abriss bestehender Gebäude, die Entsiegelung von Flächen und die Schaffung neuer Lebensräume für bedrohte Arten. Bereits in der Planungsphase wurde analysiert, welche Maßnahmen geeignet sind, um eine bestimmte Anzahl an Ökopunkten zu generieren. Nach Umsetzung der Maßnahmen beantragte die Stiftung die Anerkennung der Ökopunkte bei der zuständigen Naturschutzbehörde und bot diese anschließend Unternehmen zum Erwerb an.
- In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2018 machte die Stiftung den Vorsteuerabzug für die mit der Renaturierung verbundenen Aufwendungen geltend.... Kosten den Vorsteuerabzug
- Das Finanzamt erkannte jedoch nur einen Teil dieser Vorsteuer an und verwehrte den restlichen Abzug mit der Begründung, dass die Maßnahmen vorrangig der ideellen Tätigkeit der Stiftung dienten und der Verkauf der Ökopunkte lediglich ein Nebenprodukt sei.
Nachdem der Einspruch der Stiftung erfolglos blieb, klagte sie beim FG Berlin-Brandenburg.
FG bejaht Vorsteuerabzug für Renaturierungsmaßnahmen
Das FG entschied zugunsten der Stiftung und erkannte den vollständigen Vorsteuerabzug für die Renaturierungsmaßnahmen an (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.01.2025, Az. 2 K 2140/22, Abruf-Nr. 246864).
Zusammenhang zwischen Eingangsleistungen und Umsätzen aus Verkauf
Das FG stellte fest, dass zwischen den Eingangsleistungen und den steuerpflichtigen Umsätzen aus dem Verkauf der Ökopunkte ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestand. Maßgeblich für diese Beurteilung war, dass die Stiftung die Maßnahmen gezielt zur Generierung von Ökopunkten durchgeführt hatte und ohne die Aussicht auf deren späteren Verkauf die Maßnahmen in dieser Form nicht umgesetzt worden wären.
Verkauf der Ökopunkte ist nicht lediglich Nebenprodukt
Das FG widersprach der Auffassung des Finanzamts, wonach die Maßnahmen primär der Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke der Stiftung dienten und der Verkauf der Ökopunkte lediglich ein Nebenprodukt sei. Es stellte klar, dass auch eine gemeinnützige Tätigkeit unternehmerische Aspekte aufweisen kann und dass für den Vorsteuerabzug nicht die ertragsteuerliche, sondern die umsatzsteuerliche Einordnung maßgeblich ist.
Keine künstliche Trennung zwischen Maßnahmen und Ökopunktehandel
Zudem argumentierte das Gericht, dass eine künstliche Trennung zwischen den naturschutzfachlichen Maßnahmen und dem Ökopunktehandel nicht gerechtfertigt sei.
Die Stiftung hatte bereits im Vorfeld sorgfältig kalkuliert, wie viele Ökopunkte durch die jeweiligen Maßnahmen generiert werden können und sich bewusst für solche Projekte entschieden, die eine wirtschaftliche Refinanzierung ermöglichten. Diese Planung und die tatsächliche Umsetzung belegten die wirtschaftliche Zielsetzung der Stiftung.
Umsatzbesteuerung und Vorsteuerabzug müssen harmonieren
Weiterhin betonte das FG, dass die Besteuerung der Umsätze aus dem Verkauf der Ökopunkte durch das Finanzamt nicht mit der gleichzeitigen Verweigerung des Vorsteuerabzugs in Einklang zu bringen sei. Umsatzsteuerrechtlich sei es nicht zulässig, den Verkauf der Ökopunkte als steuerpflichtig zu behandeln, gleichzeitig aber den Vorsteuerabzug für die damit zusammenhängenden Aufwendungen zu versagen.
Bedeutung des Urteils für die Praxis
Das Urteil macht deutlich, dass der Vorsteuerabzug nicht allein durch die Tatsache ausgeschlossen werden kann, dass eine gemeinnützige Organisation ihre Satzungszwecke verfolgt. Entscheidend bleibt die objektive wirtschaftliche Verknüpfung zwischen Eingangs- und Ausgangsleistungen.
Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für gemeinnützige Organisationen, die naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen durchführen und daraus Ökopunkte generieren. Es bestätigt:
- Der Vorsteuerabzug kann nicht allein mit der Begründung verweigert werden, dass die Organisation mit den Maßnahmen zugleich ihre satzungsgemäßen Zwecke im ideellen Bereich verfolgt und erfüllt.
- Entscheidend ist vielmehr, ob eine objektive wirtschaftliche Verbindung zwischen den Eingangsleistungen und den steuerpflichtigen Umsätzen besteht.
Die Entscheidung stärkt die steuerliche Planungssicherheit für Organisationen, die über den Ökopunktehandel Einnahmen erzielen. Sie zeigt, dass eine klare unternehmerische Strategie – etwa durch eine gezielte Kalkulation der Maßnahmen mit Blick auf eine wirtschaftliche Refinanzierung – den Vorsteuerabzug sichern kann.
Praxistipp | Gemeinnützige Organisationen sollten ihre Projekte und deren Finanzierung frühzeitig dokumentieren und nachweisen, dass die Maßnahmen nicht rein ideell motiviert sind, sondern im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Umsätzen stehen. |
Für die Finanzverwaltung bedeutet das Urteil, dass sie den Vorsteuerabzug bei vergleichbaren Sachverhalten nicht pauschal mit Verweis auf die Gemeinnützigkeit versagen kann. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung gegen die Entscheidung im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgeht. Das FG hat jedenfalls die Revision nicht zugelassen.
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