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Familienstiftung/ErsatzerbschaftsteuerKann eine ausländische Familienstiftung der Ersatzerbschaftsteuer unterliegen?
| Damit das Vermögen einer Familienstiftung nicht auf Dauer der Erbschaftsteuer entzogen wird, unterliegt es pauschal alle 30 Jahre der Ersatzerbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Nun musste das FG Niedersachsen darüber entscheiden, ob die Ersatzerbschaftsteuer auch für eine ausländische Familienstiftung gilt, wenn diese ihre Geschäftsleitung in Deutschland ausübt. SB stellt Ihnen das Urteil vor. |
Ausländische Stiftung mit Geschäftsleitung in Deutschland
Im Urteilsfall ging es um eine 1959 in der Schweiz gegründete und erstmals am 19.01.1960 mit Vermögen ausgestattete Stiftung im Sinne des schweizerischen Zivilgesetzbuches. Zweck der Stiftung ist die Unterstützung der Abkömmlinge der Stifterin. Es liegt also eine klassische Familienstiftung vor. Die Stiftung wird durch die Mitglieder des Stiftungsrats vertreten, die allesamt in Deutschland ansässig sind und aus Deutschland heraus handeln. Das (Grundbesitz)Vermögen der Stiftung befindet sich in Deutschland, ebenso werden die Konten der Stiftung in Deutschland geführt. In der Schweiz existiert nur ein Zustellbevollmächtigter.
Die Stiftung ging nicht davon aus, dass sie der Ersatzerbschaftsteuer unterliegt und entsprechend keine Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG besteht. Sie gab dem für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt jedoch vorsorglich die nach § 30 ErbStG für Familienstiftungen vorgesehenen Angaben bekannt. Daraufhin teilte das Finanzamt mit, dass es die Stiftung als rechtsfähige Stiftung i. S. v. ErbStG ansehe. Es forderte daher eine Steuererklärung für die Ersatzerbschaftsteuer an und setzte im Anschluss aufgrund des ermittelten Vermögens 1.286.148 Euro an Ersatzerbschaftsteuer fest.
Gegen diese Festsetzung wehrte sich die Stiftung mit einer Sprungklage (§ 45 FGO) beim FG Niedersachsen. Sie begründete das damit, dass der Ersatzerbschaftsteuer ausschließlich rechtsfähige Stiftungen unterlägen. Sie selbst sei aber nicht rechtsfähig. Maßgebend sei das deutsche Zivilrecht und damit die §§ 80 ff. BGB. Sie sei jedoch aufgrund ihrer doppelansässigen Errichtung (statuarischer Sitz in der Schweiz und Verwaltungssitz in Deutschland) in Deutschland zivilrechtlich nicht existent und sei auch nicht in Deutschland als Stiftung i. S. v. § 80 Abs. 1 BGB anerkannt. Sie sei nur in der Schweiz rechtsfähig. Daher sei ihr Vermögen für Zwecke der deutschen Besteuerung den Rechtsnachfolgern der Stifterin zuzuordnen.
FG Niedersachsen: Ersatzerbschaftsteuer zu Recht festgesetzt
Die Sprungklage ist zulässig, aber unbegründet, entschied das FG Niedersachsen (Urteil vom 29.06.2022, Az. 3 K 87/21, Abruf-Nr. 230784). Es begründet das wie folgt:
Das Finanzamt hat gegen die Stiftung zurecht Ersatzerbschaftsteuer in Höhe von 1. 286.148 Euro festgesetzt. Denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt das Vermögen einer Familienstiftung, um welche es sich im Streitfall handelt, in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 bestimmten Zeitpunkt der Erbschaftsteuer. Dieser Steuertatbestand soll verhindern, dass das in Familienstiftungen gebundene Vermögen auf Generationen der Erbschaftsteuer entzogen wird.
Persönliche Steuerpflicht der Familienstiftung gegeben
Weitere Voraussetzung ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, dass die Stiftung die Geschäftsleitung oder den Sitz im Inland hat. Das war hier der Fall. Denn entsprechend der Satzung wurde die Geschäftsleitung vom Stiftungsrat ausgeübt, sämtliche Mitglieder des Stiftungsrats befanden sich in Deutschland, handelten von Deutschland heraus und verwalteten das ausschließlich in Deutschland belegene Vermögen. Damit ist auch die persönliche Steuerpflicht der Stiftung gegeben. Da die Stiftung erstmals am 19.01.1960 mit Vermögen ausgestattet wurde, entstand die Ersatzerbschaftsteuer mit Ablauf von 30 bzw. hier 60 Jahren, also mit Ablauf des 19.01.2020 (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Die Höhe der Ersatzerbschaftsteuer wurde im Übrigen zutreffend ermittelt.
Stiftung nach Schweizer Recht spielt für Ersatzerbschaftsteuer keine Rolle
Unerheblich ist es, dass es sich um eine Stiftung nach Schweizer Recht mit Sitz in der Schweiz handelt und diese nur in der Schweiz nach Regelungen des Schweizer Zivilrechts rechtsfähig ist. Denn § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG beschränkt sich nach Auffassung des FG Niedersachsen nicht auf in Deutschland zivilrechtlich als rechtsfähig anzusehende Stiftungen oder solche, die in einem Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR gegründet wurden. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG umfasst alle Stiftungen weltweit. Daher ist es für Zwecke der deutschen Besteuerung unerheblich, dass die Stiftung nach deutschem Recht nicht rechtsfähig ist und auch nicht von einer zuständigen Landesbehörde nach §§ 80 ff. BGB anerkannt wurde.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung für alle im Ausland errichteten Stiftungen, bei denen sich die Geschäftsleitung und das Vermögen im Inland befinden. Sollte die Ersatzerbschaftsteuer tatsächlich gelten, ist alle 30 Jahre mit hohen Steuerzahlungen zu rechnen.
Glücklicherweise hat das FG zu seiner Entscheidung die Revision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und zur Fortbildung des Rechts bzw. einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH wünschenswert ist. Nun bleibt abzuwarten, ob die Stiftung das Urteil in zweiter Instanz überprüfen lässt. Ein Aktenzeichen einer Revision ist derzeit noch nicht bekannt. SB hält Sie auf dem Laufenden.
- Beitrag „Familienstiftung: Das sind die Besonderheiten der Ersatzerbschaftsteuer“, 11/2020, Seite 211 → Abruf-Nr. 46908314
AUSGABE: SB 10/2022, S. 196 · ID: 48539490