Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Okt. 2022 abgeschlossen.
StiftungsarbeitGemeinnützige Arbeit als Auflage im Strafverfahren: So wird die Stiftung zur Einsatzstelle
| In Stiftungen sind viele helfende Hände tätig. Es gibt die lupenreinen Ehrenamtler. Es gibt die freiwilligen Praktikanten, „Bufdis“ und „FSJler“. Und es gibt Leute, die den ehrenamtlichen Dienst doch nicht ganz so freiwillig, sondern aus einer gerichtlichen Auflage leisten müssen. Erfahren Sie, wie die Stiftung in letzterem Bereich mithelfen bzw. aktiv werden kann. |
Inhaltsverzeichnis
Gemeinnützige Arbeit als Auflage
Die Strafprozessordnung (StPO) sieht in § 153a Abs. 1 Nr. 3 vor, dass statt eines Strafverfahrens gemeinnützige Arbeit erbracht werden kann. Das setzt jedoch die Zustimmung des Gerichts und des Beschuldigten voraus. Außerdem darf die „Schwere der Schuld“ dem nicht entgegenstehen. Überspitzt gesagt, ist nicht zu befürchten, dass ein Mörder in der Stiftung arbeitet.
Weiter besteht die Möglichkeit, dass das Gericht als Bewährungsauflage bestimmt, dass gemeinnützige Arbeit zu leisten ist (§ 56b Abs. 2 Nr. 3 StGB). Auch im Bereich des Jugendstrafrechts können solche Auflagen erteilt werden (§§ 10, 15 JGG). Bei diesen Maßnahmen sollen auch die Befindlichkeiten der betreffenden Personen berücksichtigt werden. Wenn jemand z. B. körperlich eingeschränkt ist, soll er nicht zu harter körperlicher Arbeit herangezogen werden.
Praxistipp | Die Stiftung prüft am besten, welche Arbeiten sie überhaupt anbieten kann. Dann erstellt sie ein Anforderungsprofil, welche Voraussetzungen für die Arbeit in der Stiftung erfüllt sein müssen. |
Schlussendlich besteht unter dem Stichwort „Schwitzen statt Sitzen“ für die Bundesländer die Möglichkeit, Regelungen zu treffen, wonach die Vollstreckungsbehörden dem Verurteilten gestatten können, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB durch freie Arbeit abzuwenden (Art. 293 EGStGB). Von dieser Möglichkeit, entsprechende Verordnungen zu erlassen, haben alle Bundesländer Gebrauch gemacht. Eine Ersatzfreiheitsstrafe wird angeordnet, wenn eine Geldstrafe nicht geleistet werden kann (§ 43 StGB).
Beispiel |
Max Muster wird wegen Schwarzfahrens zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Da er über keine finanziellen Mittel verfügt, kann er die Strafe nicht zahlen. Folglich müsste er die Geldstrafe im Rahmen einer Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Da er jedoch berufstätig ist, kann er eine solche Haftstrafe nicht absitzen. Er entscheidet sich dafür, sie abzuarbeiten. |
Über diesen Antrag entscheidet die Staatsanwaltschaft. Bei der Ersatzfreiheitsstrafe tritt an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe die zu leistende Arbeit, wobei derzeit einem Tagessatz ein Tag Freiheitsstrafe entspricht. Aufgrund des Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts ist geplant, dass künftig zwei Tagessätze Geldstrafe einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen, da deren Vollzug in der Regel keinen Beitrag zur Resozialisierung des Betroffenen leisten kann (Referentenentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts vom 19.07.2022, Abruf-Nr. 231418).
In welchem Umfang jemand arbeiten müsste, ist davon abhängig, in welchem Bundesland er wohnt. Es haben sich unterschiedliche Maßstäbe herausgebildet. Die Zahl der Arbeitsstunden liegt zwischen vier und acht Stunden je Arbeitstag. Nachfolgend finden Sie die aktuellen Werte je Bundesland:
Tag der Ersatzfreiheitsstrafe entspricht ... | Bundesland |
4 Stunden | Baden-Württemberg, Berlin, Bremen |
5 Stunden | Hamburg, NRW, Sachsen |
6 Stunden | Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen |
8 Stunden | Saarland |
Alle Bundesländer sehen hier jedoch auch Abweichungen vor, wenn beispielsweise die Person nicht in dem vorgesehenen Umfang arbeiten kann.
Abwandlung |
Max Mustermann aus obigem Beispiel wohnt in Bayern, ist alleinerziehend und im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung tätig. Er kann seine Arbeit nur am Wochenende oder nachts erbringen. Hier kann er einen Antrag stellen, dass die Arbeit auf drei Stunden herabgesetzt wird (§ 31 Abs. 2 S. 2 Gnadenordnung Bayern). |
Die zuständige Behörde kann aber auch vorsehen, dass die Arbeiten an mehreren Tagen geleistet werden. Die Stiftung sollte sich hier mit der Behörde abstimmen, welche „Beschäftigungsmodelle“ sie anbieten kann.
Die Beschäftigungsstelle
Die freie Arbeit muss in anerkannten Beschäftigungsstellen erbracht werden. Ist die Stiftung noch nicht als solche registriert, kann sie das nachholen. Zuständig ist die Gerichtshilfe. Sie ist bei der Staatsanwaltschaft angesiedelt.
Den Antrag kann die Stiftung formlos stellen. Sie stellt sich dabei vor, welchen Zweck sie verfolgt und in welchem Bereich sie Arbeiten in welchem Umfang anbieten kann. Die Stiftung sollte auch ihren aktuellen Freistellungsbescheid beifügen, damit sofort erkennbar ist, dass die Arbeiten im Bereich des Allgemeinwohls erfolgen.
Gut ist es, wenn die Stiftung auch eine Person benennen kann, die sich um die eingesetzten Menschen kümmert. Voraussetzung für eine Berücksichtigung als Einsatzstelle ist es, dass es sich um eine Arbeit handelt, die dem Allgemeinwohl dient. Damit sind nahezu alle steuerbegünstigten Stiftungen eine geeignete Beschäftigungsstelle. Aber auch hier gilt wiederum, dass die Stiftung die Menschen, die bei ihr arbeiten, nicht im Bereich des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs einsetzen darf.
Arbeit soll unentgeltlich sein
Alle Verordnungen der Bundesländer sehen vor, dass die freie Arbeit eine unentgeltliche Tätigkeit ist und nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen darf. Das schließt aber nicht aus, dass die Stiftung der Person ihre Aufwendungen wie beispielsweise Fahrtkosten und Auslagen erstattet. Eine Vergütung für die Arbeit ist jedoch untersagt. Wenn die Stiftung das trotzdem tut, gefährdet sie ihren Status als Beschäftigungsstelle.
Die Verordnungen der Bundesländer sehen vor, dass die Leistung der Arbeit auch kein privatrechtliches Arbeitsverhältnis begründet und damit weder der Kranken- noch der Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Ist der Verurteilte arbeitslos, steht er der Arbeitsvermittlung auch weiter uneingeschränkt zur Verfügung.
Arbeitsmarktneutralität der Tätigkeit
Die Stiftung muss darauf achten, dass – wie auch bei der Beschäftigung von BFDlern oder FSJlern – diese spezielle Form der Beschäftigung nicht dazu führen darf, dass reguläre Arbeitsplätze in der Stiftung wegfallen oder erst gar nicht entstehen. Es muss sich um ein zusätzliches Angebot handeln. Zusätzlich ist ein Angebot, wenn die Arbeit sonst entweder gar nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.02.2018, Az. 11 Sa 159/17, Abruf-Nr. 214257).
Wichtig | Die Stiftung sollte sich davor hüten, Beschäftigungsmöglichkeiten bei sich neu zu strukturieren, Arbeitnehmer zu entlassen, und diese Stellen später durch Einsätze im Rahmen der freien Arbeit neu zu besetzen. Kündigungsschutzklagen wären erfolgreich, die Kündigung unwirksam (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.02.2018, Az. 11 Sa 159/17, Abruf-Nr. 214257).
So wird die Stiftung als Einsatzstelle öffentlich gefördert
Menschen, die aufgrund einer Auflage freie Arbeit zu leisten haben, sollen auch begleitet werden. D. h., die Stiftung sollte jemanden zur Verfügung stellen, der sich um die Menschen kümmert und die Einsätze in Absprache mit der Behörde koordiniert. Viele Bundesländer sehen daher Förderungen für Einsatzstellen vor. Diese Förderung besteht häufig in einer Anteilsfinanzierung der Personal- und Sachkosten, die hier anfallen. Auskunft über die Fördermöglichkeiten gibt das Justizministerium im jeweiligen Bundesland.
Fazit | Neben dem Nutzen für die Allgemeinheit können Stiftungen auf diese Weise auch den Menschen helfen, die freie Arbeit bei ihnen leisten. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass Stiftungen dieses Engagement auch sehr gut im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit nutzen können. |
AUSGABE: SB 10/2022, S. 198 · ID: 48591609