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AnwaltsgebührenStreitwert: Das gilt bei Hilfsaufrechnungen

Abo-Inhalt08.05.202510 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Falsche Wertermittlung = falsche Abrechnung: Diese Formel gilt vor allem bei der Hilfsaufrechnung. Im Hinblick auf das Gebühreninteresse sollten Anwälte daher die Grundsätze der Streitwertermittlung kennen. |

1. Die gesetzliche Regelung

Bei der Hilfsaufrechnung verteidigt sich der Beklagte gegen die Klage mit weiteren Verteidigungsmitteln und mit einer Gegenforderung. Nach § 45 Abs. 3 GKG kann sich bei einer Hilfsaufrechnung der Streitwert erhöhen. Voraussetzungen dafür sind:

  • eine hilfsweise Aufrechnung (die Klageforderung muss vom Beklagten bestritten sein),
  • mit einer bestrittenen Gegenforderung (diese muss wiederum vom Kläger bestritten werden) und
  • eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Hilfsaufrechnung (da die Aufrechnungsforderung selbst nicht Streitgegenstand ist, sondern nur die Klageforderung zu Fall bringt, kommt eine rechtskräftige Entscheidung nur unter den Voraussetzungen des § 322 Abs. 2 ZPO in Betracht).

Beachten Sie | Entsprechendes gilt nach § 45 Abs. 4 GKG bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich. In diesem Fall ist § 45 Abs. 3 GKG entsprechend anzuwenden.

Von der Hilfsaufrechnung abzugrenzen ist die sog. Primäraufrechnung. Bei der Primäraufrechnung verteidigt sich der Beklagte gegen die Klage nur mit der Gegenforderung. Im Falle einer Primäraufrechnung tritt keine Werterhöhung ein. Es bleibt dann beim einfachen Wert, und zwar unabhängig davon, ob die Gegenforderung bestritten ist.

Beispiel 1: Bestrittene Primäraufrechnung
Eingeklagt sind 10.000 EUR. Der Beklagte bestreitet die Forderung nicht, erklärt aber die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 10.000 EUR. Der Kläger bestreitet die Gegenforderung.
Lösung
Unabhängig davon, wie das Gericht entscheidet, beträgt der Streitwert 10.000 EUR, da faktisch nur über die Gegenforderung entschieden wird, nämlich ob sie die Klageforderung zu Fall gebracht hat.

Beachten Sie | Eine Hilfsaufrechnung kann auch mit einer unbestrittenen Gegenforderung erklärt werden. Für diesen Fall gelten ebenfalls keine Besonderheiten. Es tritt auch hier keine Werterhöhung ein. Es bleibt beim einfachen Wert.

Beispiel 2: Unbestrittene Hilfsaufrechnung
Eingeklagt sind 10.000 EUR. Der Beklagte bestreitet die Forderung und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 10.000 EUR, die zwischen den Parteien unstreitig ist. Der Kläger erklärt daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte widerspricht der Erledigung.
Lösung
Unabhängig davon, wie das Gericht entscheidet – also ob es die Klageforderung für begründet erachtet oder nicht –, beträgt der Streitwert nur 10.000 EUR. Es wird faktisch nur über die Klageforderung gestritten, nämlich ob sie bis zur Aufrechnung begründet war.

2. Anwendungsfälle: einfache Hilfsaufrechnung

Nur im Fall einer Hilfsaufrechnung mit einer streitigen Forderung erhöht sich der Streitwert. Beide Forderungen (Klage- und Gegenforderung) müssen also streitig sein und es muss über die Hilfsaufrechnungsforderung eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergehen (§ 45 Abs. 3 GKG). Dem steht es gleich, wenn ein Vergleich über die Hilfsaufrechnungsforderung geschlossen wird (§ 45 Abs. 4 GKG).

Beispiel 3
Eingeklagt ist eine Geldforderung. Der Beklagte bestreitet die Forderung und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, die der Kläger wiederum bestreitet.
Lösung
Sofern das Gericht auch über die Hilfsaufrechnung entscheidet oder darüber ein Vergleich geschlossen wird, ist § 45 Abs. 3 GKG anzuwenden mit der Maßgabe, dass sich der Streitwert erhöht.

Allerdings ist hier wie folgt zu differenzieren:

a) Klageforderung ist unbegründet

Geht das Gericht davon aus, dass die Klageforderung nicht begründet ist, muss es sich logischerweise nicht mehr mit der zur Hilfsaufrechnung gestellten Forderung befassen. Die Klage ist bereits mangels Bestehens der Hauptforderung abzuweisen und es kommt auf die Gegenforderung nicht mehr an. Der Wert der Hilfsaufrechnung bleibt hier mangels Entscheidung darüber außer Ansatz.

Beispiel 4
Eingeklagt sind 10.000 EUR. Der Beklagte bestreitet die Forderung und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 10.000 EUR. Der Kläger bestreitet die Gegenforderung. Das Gericht weist die Klage ab, weil die Klageforderung nicht besteht.
Lösung
Der Wert der Hilfsaufrechnung bleibt außer Ansatz. Der Streitwert beträgt 10.000 EUR.

b) Klageforderung ist in vollem Umfang begründet

Geht das Gericht davon aus, dass die Klageforderung in vollem Umfang begründet ist, muss es sich anschließend mit der Gegenforderung befassen und darüber entscheiden. Dadurch erhöht sich der Streitwert (§ 45 Abs. 3 GKG).

Beispiel 5
Eingeklagt sind 10.000 EUR. Der Beklagte bestreitet die Forderung und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 10.000 EUR. Der Kläger bestreitet die Gegenforderung. Das Gericht hält die Klage in voller Höhe für begründet und
  • a) die Hilfsaufrechnungsforderung für unbegründet.
  • b) die Hilfsaufrechnungsforderung für begründet.
  • c) die Hilfsaufrechnungsforderung in Höhe von 5.000 EUR für begründet, im Übrigen für unbegründet.
Lösung
In allen drei Fällen erhöht sich der Streitwert des Verfahrens um weitere 10.000 EUR. Dies gilt auch in den Fällen b) und c), da auch hier hinsichtlich der gesamten Hilfsaufrechnungsforderung in Höhe von 10.000 EUR eine der Rechtskraft fähige abweisende Entscheidung ergeht (§ 322 Abs. 2 ZPO).

Ist die zur Aufrechnung gestellte Forderung niedriger als die Klageforderung, wird ebenfalls der volle Wert der Gegenforderung berücksichtigt.

Beispiel 6
Eingeklagt sind 10.000 EUR. Der Beklagte bestreitet die Forderung und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 5.000 EUR. Der Kläger bestreitet die Gegenforderung. Das Gericht hält die Klage in voller Höhe für begründet und entscheidet über die Hilfsaufrechnung.
Lösung
Der Streitwert der Klage beträgt 10.000 EUR. Hinzu kommt die Hilfsaufrechnung mit 5.000 EUR.

Ist die zur Aufrechnung gestellte Forderung höher als die Klageforderung, wird der Wert der Gegenforderung nur bis zu der Höhe der Klageforderung berücksichtigt, da nur insoweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht.

Beispiel 7
Eingeklagt sind 10.000 EUR. Der Beklagte bestreitet die Forderung und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 20.000 EUR. Der Kläger bestreitet die Gegenforderung. Das Gericht hält die Klage in voller Höhe für begründet und entscheidet über die Hilfsaufrechnung.
Lösung
Unabhängig davon, wie die Entscheidung ausfällt, erwächst sie nur in Höhe von 10.000 EUR in Rechtskraft. Der Streitwert beträgt damit 20.000 EUR (10.000 EUR + 10.000 EUR).

c) Klageforderung ist nur teilweise begründet

Geht das Gericht davon aus, dass die Klageforderung nur teilweise begründet ist, muss es sich zwar anschließend auch mit der Gegenforderung befassen. Eine Entscheidung darüber ergeht jetzt allerdings nur noch im Umfang der für begründet erachteten Klageforderung. Das Gericht kann daher auch nur in diesem Umfang über die Gegenforderung entscheiden.

Beispiel 8
Eingeklagt sind 10.000 EUR. Der Beklagte bestreitet die Forderung und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 10.000 EUR. Der Kläger bestreitet die Gegenforderung. Das Gericht hält die Klage in Höhe von 6.000 EUR für begründet und
  • a) die Hilfsaufrechnungsforderung für unbegründet. Es verurteilt den Beklagten zur Zahlung von 6.000 EUR.
  • b) die Hilfsaufrechnungsforderung für begründet. Es weist die Klage ab.
  • c) die Hilfsaufrechnungsforderung in Höhe von 2.000 EUR für begründet, im Übrigen für unbegründet. Es verurteilt den Beklagten zur Zahlung von 4.000 EUR und weist die Klage im Übrigen ab.
Lösung
In allen drei Fällen erhöht sich der Streitwert des Verfahrens lediglich um weitere 6.000 EUR, da über die Hilfsaufrechnungsforderung nur in diesem Umfang entschieden wird.

3. Anwendungsfälle: mehrfache Hilfsaufrechnungen

Werden mehrere Hilfsaufrechnungsforderungen gestaffelt erhoben, ist jede Hilfsaufrechnungsforderung bis zur Höhe der Klageforderung zu berücksichtigen, soweit darüber eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht.

a) Klageforderung ist unbegründet

Hält das Gericht die Klageforderung für unbegründet, spielt die Mehrzahl der Hilfsaufrechnungsforderungen keine Rolle. Es kommt nicht zu einer Entscheidung über die Hilfsaufrechnungen, sodass es beim Wert der Klage bleibt (s. o. 2. a).

b) Klageforderung ist begründet

Hält das Gericht die Klageforderung für begründet, muss es sich mit den Hilfsaufrechnungsforderungen befassen – und zwar in der Reihenfolge, die vorgegeben ist. Dabei ist jede Hilfsaufrechnungsforderung, soweit darüber entschieden wird, bis zur Höhe der (verbliebenen) Klageforderung beim Streitwert zu berücksichtigen.

Beispiel 9
In einem Rechtsstreit über 10.000 EUR bestreitet der Beklagte die Klageforderung und erklärt die Hilfsaufrechnung mit einer streitigen Kaufpreisforderung in Höhe von 14.000 EUR, hilfsweise mit einer Darlehensforderung in Höhe von 12.000 EUR und äußerst hilfsweise einer Schadenersatzforderung in Höhe von 8.000 EUR. Das Gericht sieht die Klage als schlüssig an. Die Kaufpreisforderung hält es für begründet, sodass die Klage abgewiesen wird.
Lösung
Da bereits die erste Aufrechnungsforderung die Klageforderung zu Fall gebracht hat, musste das Gericht über die weiteren Forderungen nicht mehr entscheiden. Der Streitwert erhöht sich somit nur um weitere 10.000 EUR auf insgesamt 20.000 EUR.
Beispiel 10
Wie Beispiel 9. Das Gericht hält die Kaufpreis- und die Darlehensforderungen für unbegründet. Die Schadenersatzforderung greift durch, sodass der Beklagte zur Zahlung in Höhe von 2.000 EUR verurteilt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Lösung
Der Wert der Klage beträgt 10.000 EUR. Die erste Hilfsaufrechnungsforderung erhöht den Wert nur um 10.000 EUR (s. o. 2.b). Durch die zweite Hilfsaufrechnung erhöht sich der Streitwert um weitere 10.000 EUR. Die dritte Hilfsaufrechnung erhöht nochmals um weitere 8.000 EUR. Der Streitwert beträgt folglich 38.000 EUR.

Beachten Sie | Führt eine vorangegangene Hilfsaufrechnung zur Reduzierung der Klageforderung, reduziert sich damit auch der Wert der folgenden Hilfsaufrechnungen.

Beispiel 11
Wie Beispiel 9. Das Gericht hält die Kaufpreisforderung nur in Höhe von 7.000 EUR für begründet. Die Darlehensforderung hält das Gericht für unbegründet. Die Schadenersatzforderung greift durch, sodass die Klage abgewiesen wird.
Lösung
Der Wert der Klage beträgt 10.000 EUR. Die erste Hilfsaufrechnungsforderung erhöht den Wert um 10.000 EUR. Die zweite Hilfsaufrechnung erhöht den Streitwert nur noch um weitere 3.000 EUR, weil sich infolge der ersten Hilfsaufrechnung die Klageforderung bereits auf 3.000 EUR reduziert hatte. Die dritte Hilfsaufrechnung erhöht jetzt ebenfalls nur noch um 3.000 EUR. Es ergibt sich damit ein Wert in Höhe von 26.000 EUR.

c) Klageforderung ist nur teilweise begründet

Wird die Klage nur teilweise als begründet angesehen, sind die Hilfsaufrechnungen nur noch mit dem schlüssigen Wert der Klageforderung zu berücksichtigen.

Beispiel 12
In einem Rechtsstreit über 10.000 EUR bestreitet der Beklagte die Klageforderung und erklärt die Hilfsaufrechnung mit einer streitigen Kaufpreisforderung in Höhe von 14.000 EUR, hilfsweise mit einer Darlehensforderung in Höhe von 12.000 EUR und äußerst hilfsweise einer Schadenersatzforderung in Höhe von 8.000 EUR. Das Gericht sieht die Klage nur in Höhe von 6.000 EUR als schlüssig an. Die Kaufpreisforderung hält es für begründet, sodass die Klage abgewiesen wird.
Lösung
Der Wert der Klage beträgt 10.000 EUR. Die erste Hilfsaufrechnungsforderung erhöht den Wert nur noch um 6.000 EUR. Die weiteren Hilfsaufrechnungen spielen keine Rolle mehr. Der Streitwert beträgt 16.000 EUR.
Beispiel 13
Wie Beispiel 12. Das Gericht sieht die Klage nur in Höhe von 6.000 EUR als schlüssig an. Es hält die Kaufpreisforderung für unbegründet, ebenso die Darlehensforderung. Die Schadenersatzforderung greift durch, sodass die Klage abgewiesen wird.
Lösung
Der Wert der Klage beträgt 10.000 EUR. Die erste Hilfsaufrechnungsforderung erhöht den Wert wiederum nur um 6.000 EUR, ebenso die beiden weiteren Hilfsaufrechnungen. Der Streitwert beträgt damit 28.000 EUR.

4. Primär- und einfache Hilfsaufrechnung

Wird mit einer Forderung primär und mit einer zweiten Forderung hilfsweise aufgerechnet, liegt nur eine Hilfsaufrechnung vor. Der Streitwert kann sich nur um den Wert der Hilfsaufrechnung erhöhen.

Beispiel 14
Eingeklagt sind 10.000 EUR. Der Beklagte bestreitet die Forderung nicht, erklärt aber die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung in Höhe von 10.000 EUR und hilfsweise mit einer weiteren Forderung in Höhe von ebenfalls 10.000 EUR, die streitig ist. Das Gericht hält die erste Aufrechnungsforderung für unbegründet und entscheidet über die Hilfsaufrechnung.
Lösung
Der Streitwert der Klage beträgt 10.000 EUR. Die erste Aufrechnungsforderung erhöht den Streitwert nicht (s. o. 1), wohl aber die zweite Hilfsaufrechnung. Der Streitwert beträgt 20.000 EUR.

5. Primär- und mehrfache Hilfsaufrechnung

Ist bei einer gestaffelten Aufrechnung mehrerer Forderungen die Klageforderung unstreitig, ist die erste Aufrechnungsforderung als Primäraufrechnung und die übrigen Aufrechnungen als Hilfsaufrechnungen zu behandeln.

Beispiel 15
In einem Rechtsstreit über 10.000 EUR bestreitet der Beklagte die Klageforderung nicht, erklärt aber die Aufrechnung mit einer streitigen Kaufpreisforderung in Höhe von 14.000 EUR, hilfsweise mit einer Darlehensforderung in Höhe von 12.000 EUR und äußerst hilfsweise einer Schadenersatzforderung in Höhe von 8.000 EUR. Das Gericht hält die Kaufpreisforderung und die Darlehensforderung für unbegründet, sodass noch über die Aufrechnung mit der Schadenersatzforderung entschieden wird.
Lösung
Es handelt sich bei der ersten Aufrechnung um eine Primäraufrechnung, die den Wert nicht beeinflusst. Erst die Werte der weiteren Aufrechnungsforderungen werden hinzugerechnet. Es ergibt sich damit ein Wert in Höhe von (10.000 EUR + 10.000 EUR + 8.000 EUR =) 28.000 EUR.

AUSGABE: RVGprof 6/2025, S. 107 · ID: 50227231

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