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HaftpflichtprozessSonderfall: Mitverklagter Fahrer kann Anwaltskosten erstattet verlangen
| In Verkehrsunfallprozessen wird i. d. R. neben dem Halter und dem Haftpflichtversicherer auch der Fahrer verklagt – schon allein aus dem Grund, um ihn als Zeugen auszuschalten. Ist dem Fahrer die Klage zugestellt worden, beauftragt er häufig einen Anwalt damit, ihn zu beraten, was zu tun sei. Übernimmt im Anschluss der Haftpflichtversicherer die gesamte Prozessführung, stellt sich die Frage, ob der Fahrer die Kosten seines Anwalts erstattet verlangen kann. Das OLG Frankfurt hält zumindest die Kosten einer Beratung für erstattungsfähig. |
Sachverhalt
Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin nach einem Verkehrsunfall sowohl den Halter H, den eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer V als auch den Fahrer F des gegnerischen Fahrzeugs verklagt. Nach Zustellung der Klage und Aufforderung zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft hatte F Rechtsanwalt R beauftragt, der für ihn die Verteidigungsbereitschaft angezeigt hat. Im weiteren Verlauf erklärte H, dass er die Prozessführung aufnehme und einen gemeinsamen Anwalt A für alle drei Beklagten beauftragt habe. Als A die Prozessführung für alle drei Beklagten übernahm, legte R das Mandat nieder. Nachdem die Klage abgewiesen worden war, beantragte F, die ihm entstandenen Anwaltskosten festzusetzen, beschränkt auf die Höhe der Kosten einer Erstberatung nebst Auslagen und Umsatzsteuer. Erst das OLG gab dem Festsetzungsantrag statt (OLG Frankfurt 13.5.22, 18 W 67/22, Abruf-Nr. 231689).
Relevanz für die Praxis
Grundsätzlich sind nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nur die Kosten eines Anwalts erstattungsfähig. In einem Ausnahmefall wie dem vorliegenden ist jedoch auch die Erstattung der Kosten eines weiteren Anwalts zulässig: Hier war dem Fahrer die Klage mit der Aufforderung zugestellt worden, die Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen, da anderenfalls ein Versäumnisurteil ergehen würde. Insofern war der Fahrer berechtigt, einen Anwalt zu beauftragen, die Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen.
Dies gilt vor allem, wenn zu diesem Zeitpunkt der mitverklagte Haftpflichtversicherer den Rechtsstreit noch nicht aufgenommen hatte. Dass im vorliegenden Fall später die gesamte Prozessführung von H übernommen werde, konnte F zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, zumal zwischen ihm und H keine vertragliche Beziehung bestand. Erst nachdem H mitgeteilt hatte, dass er die Prozessführung übernehmen und einen eigenen Anwalt für alle drei Beklagte beauftragen werde, war die gesonderte Vertretung des F nicht mehr erforderlich. Konsequenterweise hat dann Rechtsanwalt R auch das Mandat niedergelegt.
Beachten Sie | Durch die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft fällt eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG an. Ob diese Gebühr in voller Höhe erstattungsfähig ist, kann dahingestellt bleiben, wenn – wie hier – sowieso nur die Gebühr für eine erste Beratung geltend gemacht worden ist. Diese Gebühr ist geringer und damit auf jeden Fall erstattungsfähig.
Fahrer muss sich bei drohendem VU nicht mit Haftpflichtversicherer abstimmen Merke | Wird eine Partei mit einer Klage überzogen, darf sie sich zunächst einmal in anwaltliche Beratung bzw. Vertretung begeben. Dies gilt erst recht, wenn bei Fristablauf der Erlass eines Versäumnisurteils droht. Wenn der Fahrer nicht Versicherungsnehmer, sondern nur mitversicherte Person war, besteht für ihn keine Obliegenheit, sich mit dem – nicht bekannten – Haftpflichtversicherer in Verbindung zu setzen, ob dieser das Mandat übernehme. Vielmehr ist Eile geboten und die Verteidigungsbereitschaft zügig anzuzeigen. In einem solchen Fall wäre auch die 0,8-Gebühr erstattungsfähig. Die Sache ist nicht anders zu beurteilen, wenn es sich bei dem Fahrer F zugleich um den Versicherungsnehmer des Haftpflichtversicherers handelt. Auch insoweit sieht das OLG Frankfurt keine Obliegenheit, sich zunächst mit dem Versicherer in Verbindung zu setzen. Sondern es gesteht auch in diesem Falle dem mitverklagten Fahrer zu, zunächst einen eigenen Anwalt zu beauftragen, um die laufende Frist zu wahren. |
- In diesen Ausnahmefällen können Sie die Haftpflichtversicherungsprämie abrechnen, RVG prof. 22, 130iww.de
„Versicherer“ - Nicht verbrauchter Vorschuss: Bei Insolvenz des Mandanten steht der Anspruch der Versicherung zu, RVG prof. 22, 95
AUSGABE: RVGprof 11/2022, S. 185 · ID: 48633027