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AuslagenVerauslagte Beträge: Dann hat der Rechtsanwalt Anspruch auf Ersatz
| Soweit der Anwalt Beträge verauslagt, etwa für Gerichtskosten, Gerichtsvollzieherkosten, Kosten für eine Einwohnermeldeamtsanfrage o. Ä., kann er diese nach §§ 675, 670 BGB i. V. m. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG dem Mandanten in voller Höhe in Rechnung stellen. Diese Beträge kann der Anwalt neben den sonstigen Auslagentatbeständen geltend machen. |
1. Umsatzsteuerliche Behandlung
Soweit der Mandant Schuldner der verauslagten Beträge ist, handelt es sich bei dem Anwalt lediglich um durchlaufende Posten, auf die keine Umsatzsteuer erhoben wird.
Soweit der Anwalt dagegen selbst Schuldner der verauslagten Beträge ist, muss er Umsatzsteuer abführen, wenn er diese Beträge dem Mandanten in Rechnung stellt. Damit spitzt sich das Problem auf die entscheidende Frage zu, wer Schuldner der betreffenden Auslagenposition ist.
Beispiel 1 |
In einer Verkehrsunfallsache legt der Anwalt die fällige 3,0-Gerichtsgebühr nach Nr. 1210 KV GKG vor und zahlt diese bei Gericht ein. Zugleich beantragt er Akteneinsicht in die zugrunde liegende Strafakte und zahlt dafür eine Aktenversendungspauschale nach Nr. 9002 KV GKG von 12 EUR. Lösung Bei der 3,0-Gerichtsgebühr handelt es sich um einen durchlaufen Posten, da der Mandant Schuldner dieser Position ist (§ 22 Abs. 1 S. 1 GKG). Darauf wird keine Umsatzsteuer erhoben. Die Aktenversendungspauschale schuldet der Anwalt selbst (§ 28 Abs. 2 GKG). Er muss sie also mit Umsatzsteuer belegen, wenn er sie dem Mandanten in Rechnung stellt (vgl. BGH RVG prof. 11, 134). |
Beachten Sie | Auch bei den Kosten einer Einwohnermelde- oder einer Gewerbeamtsanfrage oder bei den Kosten für einen Grundbuch- oder Handelsregisterauszug etc. dürfte es sich in der Regel um umsatzsteuerpflichtige Auslagen handeln. Hier tritt der Anwalt i. d. R. gegenüber der Behörde im eigenen Namen auf, sodass er als Kostenschuldner anzusehen ist (§ 164 Abs. 2 BGB). Soweit er die Anfrage dagegen ausdrücklich im Namen des Auftraggebers stellt, handelt es sich um einen durchlaufenden Posten. Insofern ist die Auffassung des LG Mannheim (AGS 11, 587) zumindest bedenklich: Dort gehen die Richter für das Einholen von gebührenpflichtigen Auskünften bei Behörden gegen Vorkasse auch dann von einem Handeln im fremden Namen aus, wenn der Anwalt die Vertretung nicht ausdrücklich durch Vorlage einer Vollmacht bei der Behörde kenntlich macht.
2. Der PKH-/VKH-Terminsvertreter im eigenen Namen
Auch in PKH- und VKH-Mandaten kommt es häufig vor, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung vor einem weiter entfernten Gericht stattfindet. Die bedürftige Partei hat dabei die folgenden beiden gebührenrechtlichen Alternativen:
- Sie kann einen an ihrem Wohnsitz ansässigen Anwalt als Verkehrsanwalt sowie am Ort des Gerichts einen Verfahrensbevollmächtigten beauftragen. Gebührenrechtlich gilt:Verkehrsanwalt am Wohn- und Bevollmächtigter am Gerichtsort
- Der am Gerichtsort ansässige Anwalt ist als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet (§ 121 Abs. 1 ZPO, § 78 Abs. 1 FamFG). Er rechnet als Hauptbevollmächtigter mit der Landeskasse die Gebühren nach den Nrn. 3100 ff. VV RVG ab.
- Der am Wohnsitz der Partei ansässige Anwalt als Verkehrsanwalt (§ 121 Abs. 4 ZPO, § 78 Abs. 4 FamFG) rechnet eine Vergütung nach Nr. 3400 VV RVG ab.
- Untereinander können die Anwälte ggf. Gebührenteilung vereinbaren (§ 49 Abs. 3 S. 2 BRAO).
- Sie kann an ihrem Wohnsitz den Verfahrensbevollmächtigten beauftragen, der zum auswärtigen Termin fahren bzw. sich durch einen dort ansässigen Anwalt vertreten lassen soll. Gebührenrechtlich gilt:Bevollmächtigter am Wohnort
- Der am Wohnort ansässige Anwalt wird als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet, und zwar zutreffender Weise mit der Einschränkung, dass seine Reisekosten übernommen werden bis zur Höhe der zusätzlichen Kosten eines Verkehrsanwalts (vgl. OLG Brandenburg AGS 17, 234; OLG Frankfurt NZFam 21, 706).
- Fährt der Anwalt dann zum Termin, erhält er seine Reisekosten nach den Nrn. 7003 ff. VV RVG aus der Landeskasse bis zur fiktiven Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts vergütet, also bis zur Höhe einer 1,0-Verfahrensgebühr (Nrn. 3400, 3100 VV RVG) zuzüglich Postentgeltpauschale.
- Wird die Einschränkung vergessen, kann der Anwalt seine Reisekosten sogar in voller Höhe verlangen (OLG Hamm JurBüro 81, 1681; KG AGS 04, 12; VG Würzburg 18.3.21, W 8 M 20.31222; LAG Sachsen-Anhalt 7.4.22, 3 Ta 72/21).
Beachten Sie | Die Beiordnung eines Terminsvertreters im Namen der Partei kommt dagegen nicht in Betracht, auch wenn die Praxis häufig so verfährt. Denn nach § 121 Abs. 4 ZPO kann neben dem Hauptbevollmächtigten lediglich ein Verkehrsanwalt oder ein Anwalt zur Wahrnehmung eines Beweistermins vor dem ersuchten Richter beigeordnet werden. Die Beiordnung eines Terminsvertreters i. S. d. Nr. 3401 VV RVG ist dagegen nicht zulässig (OLG Köln AGS 13, 134). Ebenso scheidet die Umbeiordnung eines bisherigen Verkehrsanwalts zum Hauptbevollmächtigten und des Hauptbevollmächtigten zum Terminsvertreter aus (OLG Celle FamRZ 12, 1321; VG Dresden 15.3.12, A 3 K 1518/11).
Günstiger: Anwalt am Wohnort beauftragt Terminsvertreter im eigenen Namen Praxistipp | Für den Anwalt ist folgendes Vorgehen günstiger: Der am Ort der Partei ansässige Anwalt beauftragt im eigenen Namen einen Terminsvertreter und rechnet mit diesem ab. Diese Kosten kann er als eigene Auslagen gegenüber der Landeskasse nach § 46 RVG geltend machen, allerdings begrenzt auf die Reisekosten, die er bei einer eigenen Anreise hätte zahlen müssen. |
Beispiel 2 | |
Mandant M aus Köln beauftragt in Köln Rechtsanwalt K, der für M beim LG Freiburg Klage gegen den dort wohnenden Beklagten B einreicht (Streitwert 12.000 EUR). Das LG Freiburg bewilligt M PKH und ordnet ihm den Kölner Anwalt mit der Maßgabe bei, dass dessen Reisekosten bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts übernommen werden. K beauftragt daraufhin im eigenen Namen den in Freiburg ansässigen Anwalt F und vereinbart mit diesem für die Terminsvertretung ein Pauschalhonorar i. H. v. 350 EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Lösung: Abrechnung des Terminsvertreters F als Terminsvertreter rechnet seine Vergütung mit K ab. Der zahlt ihm: | |
Pauschalhonorar | 350,00 EUR |
19 Prozent USt. | 66,50 EUR |
416,50 EUR | |
Abrechnung des Hauptbevollmächtigten Nun rechnet K mit der Landeskasse ab, und zwar wie folgt: K hat eine 1,3-Verfahrensgebühr verdient, da er Verfahrensbevollmächtigter ist. Darüber hinaus hat er auch die Terminsgebühr verdient, obwohl er nicht selbst am Termin teilgenommen hat. Insoweit gilt § 5 RVG: Lässt sich ein Anwalt durch einen anderen Anwalt vertreten, erhält der vertretene Anwalt die Gebühr, nicht der Vertreter. § 5 RVG muss sich auch die Landeskasse entgegenhalten lassen (vgl. OLG Köln 29.3.10, 4 WF 32/10; OLG Brandenburg AGS 08, 194; LAG Sachsen-Anhalt 7.4.22, 3 Ta 72/21; OLG Schleswig JurBüro 85, 247). Hinzu kommen 350 EUR, die K für F als Terminsvertreter verauslagt hat. Insoweit handelt es sich um Auslagen nach § 46 RVG i. V. m. Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG (vgl. LAG Sachsen-Anhalt 7.4.22, 3 Ta 72/21; OLG Schleswig JurBüro 85, 247). Aufgrund des Vorsteuerabzugs darf K allerdings nur den Nettobetrag einsetzen, also 350 EUR: | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 12.000 EUR), § 49 RVG | 360,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 12.000 EUR), § 49 RVG | 424,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
Auslagen Terminsvertreter, Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG, § 46 RVG | 350,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 219,45 EUR |
1.374,45 EUR | |
Beachten Sie | Die Landeskasse muss diese Kosten von 1.374,45 EUR zahlen. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass die 350 EUR Auslagen nicht vergütungspflichtig sind. Denn es ist im Rahmen der PKH ein anerkannter Grundsatz, dass Kosten, die für sich genommen nicht notwendig sind, jedenfalls in der Höhe von der Landeskasse zu übernehmen sind, als dadurch andere vergütungspflichtige Kosten vermieden werden. Zum Teil wird dies auch als „Vorteilsausgleichung“ bezeichnet (vgl. OLG Hamm AGS 14, 194). |
Vergleichsberechnung Reisekosten | |
Wäre K selbst zum Termin nach Freiburg gereist, hätten sich folgende Kosten ergeben: | |
2 x 445 km x 0,42 EUR/km | 373,80 EUR |
Abwesenheitsgeld | 80,00 EUR |
Parkgebühren (geschätzt) | 5,00 EUR |
458,80 EUR | |
Die Kosten für einen Verkehrsanwalt hätten sich wie folgt berechnet: | |
1,0-Gebühr, Nr. 3400 VV RVG (Wert: 12.000,00 EUR), § 49 RVG | 354,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
374,00 EUR | |
Wäre K also selbst gefahren, wären ihm Reisekosten von 374,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer aus der Landeskasse erstattet worden. Weil er aber nicht selbst nach Freiburg gereist ist, sondern im eigenen Namen einen Terminsvertreter beauftragt hat, sind diese Kosten gespart worden. Im Gegenzug muss die Landeskasse die verauslagten 350 EUR für den Terminsvertreter übernehmen. Immerhin spart die Landeskasse dadurch Kosten von 24 EUR, die sie bei einer Anreise des K mehr hätte aufbringen müssen. |
Das sind die Vorteile Merke | Es ist günstiger, dass der am Ort der Partei ansässige Anwalt im eigenen Namen einen Terminsvertreter beauftragt und mit diesem abrechnet. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass sämtliche anfallenden Gebühren ausschließlich beim Hauptbevollmächtigten verbleiben und er nichts davon mit dem Terminsvertreter teilen muss. Der Terminsvertreter wiederum erhält eine Pauschale für die Terminsvertretung und hat im Übrigen mit dem Mandanten nichts zu tun. Er wird ja nicht vom Mandanten beauftragt, sondern vom Anwalt. In diesem Verhältnis ist das Honorar frei verhandelbar, da ein einfacher Dienstvertrag zugrunde liegt. Es gelten weder das RVG noch die BRAO. Des Weiteren wirkt sich diese Variante insbesondere positiv aus, wenn es zu einem Mehrwertgleich kommt. In diesem Fall bleiben sämtliche Gebühren bei dem Hauptbevollmächtigten, also auch die Einigungsgebühr und die Differenzgebühren aus den nicht anhängigen Werten. |
- Sind Handelsregisterauszüge umsatzsteuerpflichtig?, RVG prof. 22, 57
AUSGABE: RVGprof 8/2022, S. 132 · ID: 48433203